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© Hammond Police Department
Eine US-Amerikanerin behauptet, Dämonen hätten ihre Kinder in Besitz genommen. Sozialarbeiter, Polizisten, Geistliche und seriöse Medien in Indiana bezeugen die bizarren Vorkommnisse im "Horror-Haus". Von Michael Remke, New York

Es gibt Geschichten, die sind einfach zu gut, um wahr zu sein. Berichte über Außerirdische und ihre Raumschiffe gehören dazu. Die unbekannten Flugobjekte werden immer mal wieder am Himmel entdeckt und fotografiert, aber meistens nur von einer Person.

Und die schwört dann beim Leben der Mutter, dass es ganz sicher keine Lichtreflektion war, sondern ohne Zweifel an der eigenen Sehkraft der Besuch aus einer fernen Galaxie.

Sehr beliebt sind aber auch Sichtungen längst verstorbener Stars wie Elvis Presley, Marilyn Monroe oder James Dean, die angeblich sehr lebendig in Las Vegas, wahlweise einzeln oder auch zusammen, gesehen worden sein sollen.

Wie bei Stephen King - aber wahr?

Man mag diesen abenteuerlichen Erzählungen glauben oder auch nicht. Wissenschaftlichen Beweisen zumindest halten sie nicht stand. Das gilt auch für Berichte, die gerade aus dem amerikanischen Indiana kommen. Eine Geschichte, die Horror-Experte Stephen King kaum hätte besser aufschreiben können. Dabei geht es um nicht weniger als 200 Dämonen und den Teufel, die ein Haus und eine Mutter mit ihren drei Kindern in Besitz genommen haben sollen.

Kaum zu glauben, könnte man erneut sagen. Doch diesmal ist es anders als bei King. Denn für das Unerklärliche gibt es offenbar gleich mehrere Zeugen: einen langgedienten Polizisten, einen Pfarrer und zwei Mitarbeiterinnen des Sozialamtes.

Ob die Geschichte aber auch wirklich stimmt, so wie es die vier zusammen mit der vom Teufel gepeinigten Mutter behaupten? Dieses Urteil darf jedem selbst überlassen werden. Der angesehenen und seriösen Zeitung Indianapolis Star ist sie zumindest einen mehrseitigen und viel beachteten Report wert.

Schritte, ein Schatten, ein Fußabdruck

Der unglaubliche Vorfall beginnt im November 2011. Damals bezieht Latoya Ammons mit ihren drei Kindern im damaligen Alter von sieben, neun und zwölf Jahren sowie ihrer Mutter Rosa Campbell ein Haus in Gary (Indiana). Das schlichte, weiß gestrichene Einfamilienhaus mit drei Schlafzimmern liegt an keiner noblen Adresse und Gary, 40 Autominuten südlich von Chicago entfernt, gehört seit Jahren zu den gefährlichsten Städten des Landes.

Doch die Kriminalität ist nicht das Problem der Ammons. Bereits kurz nach dem Einzug haben sie das Gefühl, dass mit dem Haus etwas nicht stimmt. An den Scheiben der Veranda etwa tummeln sich Tausende von Fliegen. "Dabei war es Winter und eiskalt", sagt Latoya Ammons.

Wenige Wochen später will die 32-Jährige mitten in der Nacht "Schritte im Haus" hören, die sie sich nicht erklären kann. Dass die "Tür quietscht", findet sie zunächst nicht ungewöhnlich. Erst "ein menschlicher Schatten", den sie nachts gesehen haben will, und der "nasse Fußabdruck im Wohnzimmer am darauffolgenden Morgen" machen sie nervös. Doch sie findet für alles noch eine Erklärung.

Oma sieht die Mädchen schweben

Das ändert sich erst in der Nacht zum 10. März 2012. Gegen zwei Uhr morgens wird die Oma der Familie, Rosa Campbell, durch einen fürchterlich lauten Schrei ihrer Enkelin geweckt. Als sie zusammen mit ihrer Tochter im Zimmer der Zwölfjährigen steht, traut sie ihren Augen nicht. Das Mädchen, so berichten die beiden Frauen übereinstimmend, "schwebte minutenlang über ihrem Bett" - so wie in der berühmten Szene des Films Der Exorzist aus dem Jahre 1973.

"Ich dachte, was ist da los. Warum passiert das", erzählt Campbell später dem Indianapolis Star. Erst als die beiden Frauen niederknien und beten, fällt das Mädchen wieder zurück ins Bett. Die Mutter berichtet, dass danach die "Dämonen von ihren Kindern Besitz ergriffen hätten". "Den dreien quollen die Augäpfel hervor, sie hatten dieses Teufels-Lächeln und ihre Stimmen machten mir Angst."

Ammons versucht sofort Hilfe zu bekommen, bei der Polizei, beim Jugendamt. Doch keiner nimmt sie ernst. Sie geht zu einer Wahrsagerin, die behauptet, dass "das Haus von 200 Dämonen besetzt" sei. Sie rät zur Abschreckung des Satans, die "Hände und Füße der Kinder mit Öl einzupinseln" und ihnen auf die "Stirn ein Kreuz zu malen". Zusätzlich soll sie im "Keller einen Altar errichten, mit einer weißen Kerze und Statuen von Maria, Joseph und Jesus".

Ein Arzt wird der erste Zeuge

Doch helfen können die Wundermittel der Wahrsagerin nicht. Im Gegenteil. Im April 2012, so behauptet Ammons, "schwebt ihr sieben Jahre alter Sohn aus dem Badezimmer und trifft mit den Füßen die zwölfjährige Tochter". Sie wird so schwer verletzt, dass sie in einer Klinik am Kopf genäht werden muss.

Dem Arzt, Geoffrey Onyeukwu, erzählt das Mädchen, dass "sie Stimmen höre". Diese würden ihr sagen, dass sie "ihre Familie nie wieder sehen werde". Als dann auch noch ihr siebenjähriger Bruder wild schreit, um sich schlägt und von insgesamt fünf erwachsenen Männern festgehalten werden muss, bekommt selbst der Arzt es mit der Angst zu tun.

"Ich habe solche dämonischen Schreie noch nie erlebt", sagt Onyeukwu. Er gibt den Vorfall weiter ans Jugendamt, das eine Untersuchung einleitet. Die Behörde glaubt, dass die Mutter ihre Kinder nur vernachlässige. Später verliert sie für sechs Monate sogar das Sorgerecht, weil Ammons sie nicht mehr zur Schule schickt.

Während der Untersuchung durch das Jugendamt kommt es zum nächsten Zwischenfall. Laut dem Bericht der Sozialarbeiterin Valerie Washington soll der "sieben Jahre alte Junge sie wie ein Wolf angeknurrt und seine Zähne gezeigt haben". Dann habe er seinen älteren Bruder, 9, gepackt und in "einer Stimme, die nicht seine eigene war", angebrüllt: "Es ist Zeit zu sterben. Ich werde dich töten." Als sein Bruder den Angriff abwehren kann, stürzt er sich auf die Großmutter.

Der Junge, der die Wand rückwärts hochläuft

Was dann passiert, klingt ungeheuerlich: Der kleinere Junge, so berichtet Oma Campbell, soll "rückwärts die Wand hochgelaufen und nach einem Salto von der Decke wieder auf dem Boden gelandet sein." Washington und eine Krankenschwester, die mit im Raum ist, bestätigen den Vorfall. Das Jugendamt alarmiert daraufhin die Polizei.

Zusammen mit Ammons und Campbell untersucht Charles Austin, ein gestandener Polizist mit 20 Jahren Berufserfahrung, das Haus in Gary. "Ich glaube jetzt an Geister und Dämonen", sagt Austin später. Doch was war passiert? Laut dem Indianapolis Star soll sich Austins Aufnahmegerät ohne ersichtlichen Grund abgestellt haben. Als der Polizist später das Band abhören will, hört er nur eine fremde Stimme. Und sie flüstert nur ein einziges Wort: "Hey."

Noch schlimmer sind allerdings die Fotos, die Austin macht. Als er sie sich später anschaut, entdeckt er auf einem "ein verschwommenes menschliches Gesicht". Auf einem anderen will er die "Umrisse einer Frau" sehen und im Fenster steht etwas, was er später als einen "Geist" bezeichnet. "Ich werde dieses Haus nie wieder betreten", sagt Austin. Die Polizei-Fotos kursieren derzeit, heiß diskutiert, im Netz.

Die Kinder werden unterdessen weiter untersucht. Der Geistliche der Klinik schlägt eine "Teufelsaustreibung" bei den Dreien und auch bei der Mutter vor. Der Pfarrer Mike Maginot führt sie später durch. Und wie durch ein Wunder sind alle Probleme anschließend verschwunden. Das Jugendamt gibt Ammons die Kinder zurück und unterstützt sie beim Umzug in ein anderes Haus in Indiana.

Immer neue Videos tauchen auf

Eine Horror-Geschichte mit einem glücklichen Ende? Längst macht die Sache weltweit Schlagzeilen, es tauchen immer neue Belege für das "Haus des Horrors" auf. Die britische Daily Mail etwa bewirbt auf ihrer Website "exklusive" Video- und Tondokumente, die die unheimlichen Begebenheiten in der Ammons-Familie bezeugen sollen.

In Indiana selbst hingegen glaubt nicht jeder den Erzählungen. Ein Arzt, der die Mutter untersucht, ist davon überzeugt, dass Latoya Ammons unter Wahnvorstellungen leide. Sie habe Halluzinationen und bilde sich nur ein, "Dämonen zu sehen".

Ein anderer Sozialarbeiter, der die Kinder später sieht, denkt, dass die beiden Jungs und das Mädchen für die Mutter "geschauspielert hätten". Und der Vermieter des Hauses in Gary, Charles Reed, versteht die ganze Sache nicht. "Ich habe nie Probleme mit dem Haus gehabt", sagt er.

Erst als die Ammons eingezogen sind, gab es Ärger. Jetzt sei aber wieder alles ruhig. "Die neuen Mieter", erzählt Reed, "haben sich bisher nicht über Dämonen beschwert."