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© dpaAls Inselstaat hat Großbritannien im Kampf gegen Fluten Erfahrung. Doch die herkömmlichen Maßnahmen scheinen jetzt nicht mehr zu reichen. Der Boden verträgt kein neues Wasser mehr.
Als Inselstaat hat Großbritannien im Kampf gegen Fluten Erfahrung. Doch die herkömmlichen Maßnahmen scheinen jetzt nicht mehr zu reichen. Der Boden verträgt kein neues Wasser mehr.

Als Großbritanniens Premierminister David Cameron die Hochwasserregion im Süden Englands besuchte, passte das Outfit: Regenjacke, Freizeithose, die Hosenbeine in grünen Gummistiefeln versteckt. Die Gegend, wo er am Freitag aus dem Hubschrauber ausstieg, war von seiner PR-Abteilung sorgsam ausgesucht. Das Wasser knöcheltief, damit die Fernsehbilder Authentizität vermitteln können - aber nicht zu stürmisch.

Cameron kam spät - aber er kam. Seit zwei Monaten haben heftige Stürme Großbritannien fest im Griff. Immer wieder waren Tausende Haushalte ohne Strom, weil Überlandleitungen unter der Kraft der Winde einstürzten. Bauern müssen ihr Vieh in Sicherheit bringen, Bewohner ihre Häuser verlassen. Zurzeit gibt es keine Zugverbindung zwischen Cornwall - wo neben vielen Ausländern auch der Premierminister gern Urlaub macht - und der Hauptstadt London. Die Zugstrecke wurde von Fluten unterspült.

Dauerregen seit Dezember

Seit Anfang Dezember regnet es in Großbritannien fast täglich. Die Insel saugt sich allmählich voll, der Boden verträgt kein neues Wasser mehr. Wie Wiesen und Felder wird auch die Moral der Menschen nach und nach aufgeweicht: «Es ist furchtbar, eine Katastrophe», sagt ein Bauer aus Cornwall stellvertretend für viele seiner Leidensgenossen.

Die Wetterexperten verzeichnen nüchtern den feuchtesten Januar seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1910. Hilfsmaßnahmen wie die 50.000 Pfund (rund 60.000 Euro) aus einem Fonds von Prinz Charles oder 300.000 Pfund Soforthilfe von der Regierung werden als viel zu wenig angesehen.

In der Nacht zu Samstag fegte ein neuer Sturm über den Ärmelkanal hinweg auf die britische Südküste zu. Die Behörden gaben Sturmwarnungen erster Klasse heraus - das bedeutet Lebensgefahr. Aus Sicht vieler Bewohner ist das Warnen auch schon fast alles, was die britische Umweltschutzbehörde tut. «London hat uns im Stich gelassen», sagt der konservative Parlamentsabgeordnete Ian Liddell-Grainger, dessen Wahlkreis in der Krisenregion Somerset liegt.

Anstieg des Meeresspiegels betrifft Großbritannien besonders

Während sich die Kritik am Premierminister wegen dessen wochenlangen Stillhaltens in Grenzen hielt, bekam der Präsident der Umweltschutzbehörde, Christopher Smith, den Sturm der Entrüstung der betroffenen Bewohner im konservativen Süden ab. Der frühere Labour-Politiker und Vertraute von Ex-Premier Tony Blair hatte schon 2008 kurz nach seiner Ernennung ein Problem offen angesprochen, über das man auf der Insel nicht gerne spricht: In den nächsten 100 Jahren wird der durch den Klimawandel bedingte Anstieg des Meeresspiegels seinen Tribut fordern.

«Wir müssen uns entscheiden, welche Küstenabschnitte wir schützen wollen und welche wir dem Meer überlassen wollen», hatte Smith damals erklärt. Der Süden und der Osten Großbritanniens sind besonders betroffen. Im Urlauberörtchen Happisburgh, an der Ostküste etwa, musste eine ganze Häuserzeile bereits der Nordsee geopfert werden.

Seitdem streiten sich Betroffene, Politiker und Experten, ob Millionenbeträge etwa für Wellenbrecher und Pumpstationen ausgegeben werden sollen. Aus Sicht der Bewohner ist das Ergebnis fatal: Die unterschiedlichen Sichtweisen blockieren sich gegenseitig. Die Folge: Es passiert fast nichts.

Prinz Charles, dessen Besuch in Schwimmweste und Gummistiefeln bei den Menschen in der Krisenregion gut angekommen war, brachte die Situation auf den Punkt: «Es ist, denke ich, ein typisches Beispiel dafür, was passiert, wenn man dem Klimawandel kaum Beachtung schenkt.»