Vor einigen Wochen machte eine Studie der Uni St. Gallen die Runde. Dabei ging es um die Frage, ob sich Trader (also Börsenhändler und ähnliche Berufe) in etwa so verhalten wie Psychopathen (also Leute mit gestörten Beziehungen zu anderen Berufen). Ich habe mir die Studie besorgt (auf Anregung von Michael Blume) - und die Ergebnisse sind in der Tat interessant: Die Annahme, dass sich Trader wie Pychopathen verhalten, hat sich als falsch erwiesen - sondern sie sind eigentlich noch schlimmer. Interessant vor allem: Ihre Spielergebnisse waren noch schlechter als die Psychopathen.

Ich will hier nicht auf die genaue Methodik der Autoren Thomas Noll und Pascal Scherrer eingehen. Sie beruhte auf einer eingehenden Befragung und von 28 Tradern, gefolgt von einer Spielsituation. Als Kontrollgruppen wurden 24 diagnostizierte Psychopathen aus zwei Kliniken und 24 "normale" Menschen eingesetzt. Das Ergebnis war, kurz gefasst: Die Trader ticken zwar in mancher Beziehung anders als die Psychopathen. Letztlich sind sie aber noch rücksichtsloser nicht nur auf den eigenen Gewinn, sondern vor allem auch auf die Schädigung anderer Spielpartner fixiert. Und gerade diese Aggressivität gegenüber anderen führt dazu, dass ihre Spielergebnisse nicht optimal sind. Man könnte das auch so interpretieren: Die Banken züchten in ihren Handelsräumen Psychopathen, die aber dann nicht einmal optimal den Zielen der Banken dienen.

Was heißt das aber für die Wirtschaftsethik, die ja das Thema dieses Blogs ist? Ich finde zwei interessante Aspekte. Einmal den, dass unethisches Verhalten - und so muss man ja den aggressiven Egoismus der Trader einstufen - offenbar die Egoisten und ihre Arbeitgeber schädigen kann. Und das sogar in einem Bereich, in dem man es nicht erwarte würde. Dass ein Verkäufer von "normalen" Waren, wenn er sich gegenüber den Kunden unkooperativ und aggressiv verhält und seinen eigenen schnellen Nutzen allzu deutlich in den Vordergrund stellt, auf Dauer keinen Erfolg hat, leuchtet ohnehin ein. Aber im schnellen, anonymen Kapitalmarktgeschäft hätte man auch etwas anderes erwarten können. Letztlich stützt die Studie also meine These, die ich auch in anderen Blog-Einträgen schon vertreten habe: Ethik lohnt sich - nicht immer, aber häufiger, als man denkt.

Außerdem betrifft die Studie noch ein weiter reichendes Problem: die Frage, welche Verantwortung Unternehmen haben. Gibt es so etwas wie eine moralische Persönlichkeit eines Unternehmens? Extrem indivualistische Ansätze würden das verneinen und darauf verweisen, dass ein Unternehmen immer nur so moralisch oder unmoralisch sein kann wie seine Mitarbeiter. Aber die Studie zeigt, dass dieser Ansatz zu simpel ist. Offenbar wird in den Handelsräumen der Bank die Persönlichkeit der Trader ja auch geformt - oder verformt. Dazu kommt, dass Banken mit einem aggressiven Geschäftsprofil Bewerber anziehen, die schon bestimmte Persönlichkeitsmerkmale haben. Daher hat ein Unternehmen letztlich strukturell auch so etwas wie ein moralisches Profil, dass viel mehr ist als die zufällige Mischung, die sich aus den Profilen seiner Mitarbeiter ergibt.

Wer Unternehmensethik ernst nimmt, muss sich diese Strukturen anschauen und analysieren. Und sich zum Beispiel die Frage stellen: Wollen wir wirklich in Geschäftsfeldern unterwegs sein, die zu drastischen Verformungen der Persönlichkeit von Mitarbeitern und möglicherweise auch zum Schaden für Außenstehende führt? Und wenn ja: Kann man die Strukturen nicht so verbessern, dass das Unternehmen nach außen weniger "gestört" (psychopathisch) auftrifft? Ethik ist eben, das ist ebenfalls eine meiner Grundthesen, auch eine Frage der Analyse und der Erkenntnis, und nicht nur des guten Willens.