Russland sei nur eine "Regionalmacht", die "alleine steht", ätzt US-Präsident Obama. Sein Spott in der Krim-Krise soll den Egomanen Putin treffen, aber auch Eindruck schinden in der Heimat.

Es war ein Seitenhieb, der Wladimir Putin beeindruckt haben dürfte. Bei einer Pressekonferenz in Den Haag bezeichnete US-Präsident Barack Obama Russland trocken als "Regionalmacht, die einige ihrer Nachbarn bedroht". Die Sticheleien dürften Putin Schmerzen bereiten. Der vom Sowjet-Geheimdienst KGB geschulte Ex-Agent will Russland schließlich seit seiner Rückkehr ins Präsidentenamt 2012 wieder als Supermacht auf der Weltbühne etablieren.

Obama legte in seiner sachlichen Art nach: Das Verhalten Moskaus sei nicht auf "Stärke, sondern auf Schwäche" zurückzuführen. Die völkerrechtswidrige Annektion der ukrainischen Halbinsel Krim zeige, dass Russland "weniger und nicht mehr Einfluss" habe als früher. Und dann setzte Obama noch einen drauf: Amerika selbst habe "erheblichen Einfluss" auf seine Nachbarn, aber das Land pflege nicht dort einzumarschieren, um starke und kooperative Beziehungen zu pflegen.

Obamas Botschaft an den Mann im Kreml ist klar: "Junge, überschätz dich nicht und leg dich nicht mit Amerika an. Wirtschaftlich und militärisch kannst du uns nicht das Wasser reichen."

Dabei klingt die Beschreibung Russlands als "Regionalmacht" nur beleidigend. Nüchtern betrachtet ist sie zutreffend. In einer 2012 veröffentlichten Studie der Berliner Stiftung "Wissenschaft und Politik" heißt es: "Ein Staat kann als Regionalmacht definiert werden, wenn er zum einen über eine den Nachbarstaaten überlegene Ressourcenausstattung verfügt (materielle Faktoren) und zum anderen den außenpolitischen Anspruch erhebt, eine Führungs- oder Vormachtrolle in einer Region zu spielen (ideelle Faktoren)." Damit ist Moskaus Rolle im postsowjetischen Raum und sein Verhältnis zu den osteuropäischen Nachbarn gut beschrieben.

Obama kann auf Putins Kooperation schwer verzichten

Allerdings verfügt Russland über das zweitgrößte Arsenal an Nuklearwaffen weltweit und ist immer noch Veto-Macht im UN-Sicherheitsrat. Insofern ist Obamas herablassende Wortwahl am Rande des Nukleargipfels in den Niederlanden nicht ohne Risiko. Zumal es für die Amerikaner nahezu unmöglich sein dürfte, ohne Moskau einen Nukleardeal mit Iran auszuhandeln, den Bürgerkrieg in Syrien langfristig zu stoppen oder auch den Abzug aus Afghanistan wie geplant bis Ende 2014 durchzuziehen. Wenn Putin der US-Armee die Transportrouten durch sein Riesenreich sperrt, wird dies extrem teuer und gefährlich: Alternative Strecken führen durch Pakistan, wo die USA mit Terroranschlägen rechnen müssten.

Bislang scheint es, als würde die diplomatische Zusammenarbeit zwischen Moskau und Washington auf den "nicht-ukrainischen" Feldern normal weitergehen. Es ist auch anzunehmen, dass der Machtmensch Putin nicht sonderlich überrascht war, als Obama vor seiner Grundsatzrede in einem Brüsseler Kulturzentrum noch einmal Härte und Stärke zeigen wollte. Bei der Ankunft in der belgischen Hauptstadt legte er später noch mal nach: "Russland steht alleine" auf der Weltbühne - wegen seiner Aktionen. Gerade die Polen, Schweden, Briten und Balten, die Obama zu härterem Vorgehen während und nach der Krim-Krise aufgefordert hatten, werden seine Worte wohlwollend zur Kenntnis genommen haben.