Die US-Website NaturalNews deckt schmutzige Deals zwischen Big Pharma, der US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA [Food and Drug Administration] und Medizinjournalisten auf, die seit Jahren gefälschte Studienberichte veröffentlichen. Das sind zum einen Papiere, die von Ghostwritern verfasst und anschließend von renommierten Ärzten unterzeichnet wurden, die dafür von der Pharmaindustrie entlohnt werden. Es können aber auch Berichte sein, bei denen nur Daten aus Studien mit günstigen Resultaten verwendet werden, während Daten aus Studien mit gegenteiligem Ergebnis nicht berücksichtigt werden.
Wissenschaft, Labor, Forschung
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Marcia Angell, die erste weibliche Chefredakteurin der wissenschaftlichen Zeitschrift New England Journal of Medicine, trat von ihrem prestigeträchtigen Posten zurück, als ihr klar wurde, dass sie den eingereichten Aufsätzen nicht mehr trauen konnte, weil von Big Pharma zu viel korrumpierender, profitmotivierter Einfluss ausgeübt wurde und zudem Interessenkonflikte zwischen Big Pharma und der FDA bestanden.

Mit ihrem Bestseller The Truth About the Drug Companies: How They Deceive Us and What to Do About It [deutsches Buch von Marcia Angell: Der Pharma-Bluff - Wie innovativ die Pillenindustrie wirklich ist] blies sie zum Kampf. Man ist inzwischen sehr geschickt darin, Medikamente zu verbreiten und nicht-pharmazeutische Lösungen oder jeden, der sich gegen eine Behandlung mit Pharmazeutika äußert, plattzuwalzen, aber letztendlich ist das gar nicht so anders als das, was die medizinischen Fachzeitschriften, der amerikanische Ärzteverband und Big Pharma schon seit Jahren betreiben. Es ist nur alles mehr geworden.

Fachchinesisch-Textgeneratoren

2005 beschlossen drei Studenten des Massachusetts Institute of Technology (MIT), die Ehrlichkeit wissenschaftlicher Zeitschriften und die Veröffentlichungspraxis überhaupt zu testen. Sie schrieben ein Softwareprogramm namens »SCIgen«, mit dem sie ein wortreiches, verschachteltes Papier kreierten, das sie zur Annahme einreichten.

Bei wissenschaftlichen Konferenzen hatten sie gesehen, wie wichtig es war, Veröffentlichungen vorweisen zu können. Aber auch die Stellung innerhalb der Universität und die Zuteilung von Forschungsmitteln waren davon abhängig. »Publish or perish« (publizieren oder untergehen) hieß die Devise bei Professoren und Forschern. Die Studenten meinten, ihr Schwindel werde aufdecken, wie tief die Standards für die Annahme wissenschaftlicher Papiere gesunken sind.

Herausgeber von Zeitschriften, die die als »Peer Review« bezeichnete Begutachtung durch Experten anbieten, kassieren Gebühren von 2500 bis 5000 Dollar. Am unteren Ende stehen einpaar neuere Open-Access-Journale wie PLOS ONE. »Open Access« bedeutet, dass sie jeder kostenlos im Internet lesen kann. Die »altmodischeren« Zeitschriften verlangen höhere Registrierungsgebühren und die Leser müssen bezahlen, wenn sie die Beiträge lesen wollen. Interessierte Stellen zahlen entweder für jeden Aufruf oder erwerben ein Abonnement.

Diese drei fiesen Nerds beim MIT beschlossen also, zu prüfen, wie viel »Müll rein, Müll raus« diese akademischen Herausgeber für ihre Gebühren akzeptierten. Ihr erstes computergeneriertes Papier trug den Titel: »Rooter: Eine Methode zur typischen Zusammenlegung von Accesspoints und Redundanz« von Jeremy Stribling, Daniel Aguayo und Maxwell Krohn.

Es wurde von einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz akzeptiert, die seit 1995 Wissenschaftler um Beiträge belagert. Diese Konferenz zog das Papier zurück, nachdem die Schwindler sie informiert hatten, dass es Blödsinn war. Eine PDF-Version der Datei können Sie hier herunterladen. Erst kürzlich enthüllte ein französischer Forscher namens Cyril Labbé, dass der deutsche Wissenschaftsverlag Springer 16 von SCIgen kreierte Fachchinesisch-Papiere verwendet hatte. Über 100 weitere SCIgen-Papiere wurden vom US Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE,Institut der Elektro- und Elektronikingenieure) veröffentlicht. Beide unternahmen erste Schritte, die Papiere zurückzuziehen.

Labbé hat ein Programm entwickelt, das Vokabular und Satzbau von SCIgen entziffert und versteht, wie es überzeugende Diagramme kreiert. Damit kann er Berichte, die mit dieser Software verfasst wurden, ausfindig machen. Er testete SCIgen, indem er einen Forscher namens Ike Antkare erfand, der im Jahr 2010 nur aufgrund von SCIgen-Papieren in der Datenbank von Google Scholar auf Platz 21 der meistzitierten Wissenschaftler landete. »Das sollte die Leute doch schockieren«, sagte Krohn, einer der ursprünglichen drei MIT-Schwindler. »Es gibt diesen gesamten akademischen Untergrund, wo anscheinend jeder profitiert, aber sie verschwenden nur Zeit und Geld und tragen nichts zur Wissenschaft bei. Den Institutionen wird das Geld aus der Tasche gezogen, denn immerhin bezahlen Sie hohe Abogebühren für das Zeugs.«

Im Übrigen erwartet Krohn ein Wettrüsten der Computerprogramme zur Generierung besserer, überzeugenderer Papiere und Programme ähnlich dem von Labbé entwickelten, mit dem der Schwindel entlarvt werden kann.


Quellen für diesen Beitrag waren u.a.:


TheGuardian.com
TheGuardian.com
Nature.com
IBTimes.com
Slate.com