Offiziell gibt die US-Regierung Russland die Schuld für eine Eskalation in der Ukraine. Doch tatsächlich scheint Washington bereits selbst tief in den Kampfeinsatz im Donezkbecken verstrickt. Als die Kiewer Machthaber am Donnerstag bis zu 11.000 Soldaten zur Unterdrückung der pro-russischen Aufstände im Osten des Landes entsandten, stand ihnen logistische Hilfe, wahrscheinlich von US-Armee und Geheimdiensten zur Verfügung. Dies behauptet zumindest ein Sprecher des ukrainischen Generalstabs.
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Soldaten am Flughafen von Kramatorsk
Demnach verfügen Kiewer Spezialeinheiten über „hochpräzise farbige Landkarten und Fotos derselben Landkreise in den Gebieten Donezk und Lugansk“, die „in Übereinstimmung mit dem geographischen Informationssystem der Nato angefertigt sind“. Derartiges Kartenmaterial hätten ukrainische Landvermesser noch nie zu Gesicht bekommen. Das Material sei „angeblich“ von US-Vertretern beim Besuch von Vizepräsident Joe Biden übergeben worden.

Auch personelle Unterstützung ist offenbar angelaufen. Dem Sprecher zu Folge stünden dem Kiewer Geheimdienst SBU US-Vertreter zur Seite. Details dieser Kooperation wurden nicht mitgeteilt.

Zuvor war die Befehlsgewalt über den sogenannten Anti-Terror-Einsatz von der regulären Armee an die SBU übergeben worden. Wer diese Entscheidung getroffen hat, ist unbekannt. Innenminister Arsen Awakow soll jedoch weitgehend ausgebremst worden sein. Beim ersten Versuch einer militärischen Unterdrückung der Föderalisten im Osten des Landes war die Armee bereits am zweiten Tag stecken geblieben und konnte insgesamt lediglich ein Flugfeld unter Kontrolle bringen. Für einen Schock sorgte bei den Kiewer Machthabern aber vor allem der Seitenwechsel von Soldaten im Kampfgebiet. So ging alleine in Slawjansk eine Einheit mit sechs Panzern zu den Milizen über. Offenbar aus Furcht vor weiteren Befehlsverweigerungen in den Streitkräften würden Anweisungen nun ausschließlich durch SBU-Agenten in „versiegelten Umschlägen“ überbracht.

Auch die Einheiten zur Niederschlagung der Föderalisten sind inzwischen handverlesen. Neben dem SBU-Kommando Alfa, einer Anti-Terror-Einheit, wurden die Sondereinheiten Bars, Omega und Jaguar entsandt, die zum Militärgeheimdienst gehören. Truppen, die aus den Aufstandsgebieten stammen, sollen dagegen nicht eingesetzt werden. Das gelte besonders für mehrere Brigaden, die als „unzuverlässig“ gelten.

Dennoch können die Truppen der Kiewer Machthaben offenbar auch weiterhin nicht auf die Unterstützung der Polizei im Donezkbecken bauen. „Ich bin zwar nicht bevollmächtigt, das zu kommentieren, es ist aber Tatsache: Man hilft uns nicht, wenn sich unsere Einheiten in bestimmten Regionen befinden”, räumte der Vizechef des Kommandozentrums der Armee, Alexander Rosmasnin, gegenüber der Agentur UNN ein.

Moskau forderte Washington unterdessen zur Umsetzung der Genfer Vereinbarungen zur Deeskalation in der Ukraine auf. „Vorläufig wurde für die Lösung dieser unaufschiebbaren Aufgabe nichts getan. Wir hoffen, dass sich Washington seiner ganzen Verantwortung für die Ereignisse bewusst ist“, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. Deutlichere Worte fand dagegen der frühere Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Juri Balujewski. „Wir müssen auf solche Entwicklung in der Nähe zu unseren Grenzen reagieren. Die Hitzköpfe müssen abgekühlt werden. Die außer Rand und Band geratenen Politikaster, die einen Krieg gegen das eigene Volk begonnen haben, sollen gestoppt werden“, sagte er mit Blick auf das Großmanöver der Armee nahe der Grenze. Präsident Wladimir Putin hatte zuvor mit einem Eingreifen gedroht. Die Kiewer Machthaber wären eine Junta, sollten sie militärisch gegen das eigene Volk vorgehen.

Die genaue Lage im Kampfgebiet ist derweil undurchsichtig. Nach Medienberichten starben bei schweren Kämpfen bei Slawjansk im Norden des Donbass fünf pro-russische Kämpfer. Fernsehbilder zeigen Soldaten im Sturm auf rauchende Barrikaden - doch auffallend handelt es sich immer wieder um die gleichen Sequenzen. Die beteiligten Konfliktparteien stellen die Lage jeweils zu ihren Gunsten dar.

So verwies der pro-russische Bürgermeisters von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, auf 2.500 bis 3.000 Verteidiger, die sich bis zum Äußersten verteidigen würden. Verhandlungen mit den Kiewer Machthabern lehnt er ab. Auch der Pressesprecher der sogenannten Volksrepublik, Alexander Chrjakow, machte Gespräche von einem Ende des Militäreinsatzes abhängig. Auch in diesem Fall seien die pro-russischen Behörden ausschließlich befugt, über humanitäre Fragen und die Regelungen für das geplante Statusreferendum zu verhandeln.

Die den Kiewer Machthabern nahe stehende Gruppe Informationswiderstand behauptet dagegen, die Verteidiger würden allein beim Anblick der ukrainischen Soldaten das Weite suchen. „Aus dem Raum der Operationsdurchführung wird ein schwacher Widerstand von Extremisten gemeldet. Gleichzeitig verlassen die russischen Militärs Slawjansk in einem intensiven Tempo“, heißt es. Dem ukrainischen Sender espresso.tv zu Folge sollen sich die Kämpfe in die Innenstadt verlagert haben. Awakow bestritt sogar, dass Panzerverbände im Einsatz seien. Zugleich schloss er eine Aussetzung der Angriffe aufgrund des russischen Manövers aus. Doch glaubwürdig sind solche Siegesmeldungen nicht. Etwa in Mariupol am Asowschen Meer nahmen Kiew-loyale Spezialeinheiten am Donnerstag zwar das Rathaus ein. Am Abend war das Gebäude nach Angaben westlicher Medien jedoch bereits wieder in der Hand der Aufständischen.

Als Scharfmacherin betätigt sich derweil die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton. In einer Rede in der Universität von Connecticut verlangte sie weitere Sanktionen gegen Russland. Moskau müsse für eine Invasion in der Ukraine „einen hohen Preis bezahlen“, so Clinton, die als mögliche Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen von 2016 gilt.