Washington hat nicht die Absicht, zuzulassen, dass sich die Krise in der Ukraine abschwächt oder gar gelöst würde. Nachdem es mit seinem Plan gescheitert ist, das Land unter seine Kontrolle zu bringen und Russland aus seinem Schwarzmeer-Marinestützpunkt in Sewastopol auf der Krim zu verdrängen, rechnet sich Washington aufgrund der Krise nun neue Chancen aus.
Bild
© picture-alliance
Die erste Chance aus Washingtoner Sicht wäre ein Neubeginn des Kalten Krieges, indem man die russische Regierung dazu bringt, die russischsprachigen Regionen der heutigen Ukraine zu besetzen, in denen sich viele Demonstranten der antirussischen Handlangerregierung, die durch den amerikanischen Putsch in Kiew an die Macht gebracht wurde, widersetzen. Diese Regionen der Ukraine gehörten noch vor wenigen Jahrzehnten zu Russland. Sie wurden der Ukraine nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetführung zugeschlagen, als sowohl die Ukraine als auch Russland Teil des gleichen Landes, nämlich der Sowjetunion, waren.

In der Zwischenzeit haben die Demonstranten unabhängige örtliche Regierungen in den Städten gebildet. Die Polizei- und Militäreinheiten, die von Kiew mit dem Auftrag in die Ostukraine entsendet worden waren, die Demonstranten, die man nach amerikanischem Vorbild als »Terroristen« bezeichnet, zu bekämpfen, haben sich größtenteils den Demonstranten angeschlossen.

Da das inkompetente Weiße Haus unter Obama und sein Außenministerium die Übernahme der Ukraine durch Washington verpfuscht haben, versucht Washington nun mit allen Mitteln, Russland die Schuld für die Krise zu geben. Laut Washington und seinen korrupten Medien würden die Proteste dort von der russischen Regierung gesteuert und spiegelten in keiner Weise die wirkliche Haltung der Bevölkerung wider. Sollte Russland nun militärisch eingreifen, um die russischen Bürger in den früheren russischen Gebieten zu schützen, würde dieses Vorgehen von Washington als Bestätigung seiner Propaganda von einer russischen Invasion (wie auch im Falle Georgiens) dargestellt werden. Russland würde dann weiter dämonisiert.


Die russische Regierung steckt in einer Zwickmühle. Moskau will nicht die finanzielle Verantwortung für diese Gebiete übernehmen, kann aber andererseits auch nicht tatenlos dabei zusehen, wie mit Gewalt gegen Russen vorgegangen wird. Russland hat versucht, die Ukraine intakt zu halten, und darauf gehofft, dass die kommenden Wahlen in der Ukraine realistischere politische Führer als die Handlanger, die Washington installierte, an die Macht bringen würden.


Aber Washington will keine Wahlen, die möglicherweise seine Handlangerregierung stürzen könnten, so dass das Land dann zu einer Zusammenarbeit mit Russland zur Lösung der Krise zurückfinden könnte. Es besteht die reale Möglichkeit, dass Washington seinen Handlangern in Kiew nahelegt, zu verkünden, die Krise, die der Ukraine von Russland aufgezwungen werde, verhindere die geplanten Wahlen. Und es ist damit zu rechnen, dass die NATO-Marionettenstaaten sich hinter diese Behauptung stellen würden.

Man muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die russische Regierung entgegen ihren Hoffnungen damit konfrontiert sein wird, dass die Krise weiter anhält und auch die Washingtoner Marionettenregierung in der Ukraine im Amt bleibt.

Am 1. Mai erklärte der frühere Botschafter Washingtons in Russland und jetzige NATO-Vizegeneralsekretär, Alexander Vershbow - auch wenn er nur der zweite Mann ist, hat er als Amerikaner natürlich das Sagen - , Russland werde nicht länger als Partner, sondern als Gegner gesehen. Gegenüber Journalisten sagte er, die NATO habe es aufgegeben, »Moskau stärker zu integrieren«, und werde stattdessen nun eine größere Zahl von Kampftruppen in Osteuropa stationieren. Vershbow bezeichnete diese aggressive Politik als »Verlegung defensiver Aktivposten in die Region«.

Wir haben es mit anderen Worten mit einer Wiederholung der Lüge zu tun, dass die russische Regierung alle ihre Probleme und Schwierigkeiten in der Ukraine beiseiteschieben und umgehend Polen, die baltischen Staaten, Rumänien, Moldawien und nicht zuletzt auch die zentralasiatischen Staaten Georgien, Armenien und Aserbaidschan angreifen werde. Der Heuchler Vershbow will die Streitkräfte dieser amerikanischen Marionettenstaaten modernisieren und »ergreift die Chance, vor Ort durch die Aufnahme von Ländern, die der NATO beitreten wollen, in das Militärbündnis neue Fakten zu schaffen«.

Damit hat Vershbow der russischen Regierung zu verstehen gegeben, dass sie ruhig weiter auf den guten Willen des Westens und seine Fähigkeit zur Vernunft vertrauen soll, während die USA gleichzeitig ausreichende Streitkräfte zusammenziehen werden, um Russland daran zu hindern, seinen unterdrückten Landsleuten in der Ukraine zu Hilfe zu kommen. Die Dämonisierung Russlands durch den Westen zeigt Wirkung. »Sie hat euch zögern lassen, in der kurzen Zeit zu handeln, als ihr uns noch hättet zuvorkommen und die früheren russischen Gebiete besetzen können. Mit der abwartenden Haltung habt ihr uns nun genug Zeit gegeben, die NATO-Truppenpräsenz an euren Grenzen vom Baltikum bis nach Zentralasien zu verstärken. Das wird euch ablenken und euch von der Ukraine fernhalten. Die Unterdrückung, die wir gegenüber euren Russen in der Ukraine werden angedeihen lassen, wird auf euch zurückfallen, und die Nichtregierungsorganisationen, die wir in der russischen Föderation finanzieren, werden annationale Gefühle appellieren und eure Regierung stürzen, weil sie russischen Landsleuten nicht zu Hilfe gekommen ist und es ihr nicht gelang, die russischen strategischen Interessen zu schützen« - so die unmissverständliche Botschaft Vershbows.

Washington leckt sich schon die Lippen und sieht eine riesige Chance, Russland als Marionettenstaat einzusacken. Aber wird Putin stillhalten und weiter auf den guten Willen des Westens und darauf hoffen, mit ihm schon eine Lösung der Krise vereinbaren zu können, während Washington gleichzeitig versucht, seinen Sturz zu befördern?


Der Zeitpunkt rückt immer näher, an dem Russland entweder eingreifen muss, um die Krise zu beenden, oder aber eine anhaltende Krise und Bindung seiner Kräfte unmittelbar an seiner Grenze akzeptiert. Kiew hat Luftangriffe gegen die Demonstranten ins Slawjansk angeordnet. Am 2. Mai erklärte der Sprecher der russischen Regierung Dmitri Peskow, der Einsatz von Gewalt durch Kiew habe die Hoffnung zunichte gemacht, die Genfer Vereinbarung über eine Deeskalierung der Krise noch retten zu können.

Dennoch, so der russische Regierungssprecher weiter, habe man die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die europäischen Regierungen und Washington auf ein Ende des Militäreinsatzes hinwirken und die Regierung in Kiew dazu drängen würden, mit den Demonstranten auf eine Art und Weise umzugehen, die den Zusammenhalt der Ukraine bewahrt und wieder freundschaftliche Beziehungen zu Moskau herstellt.

Aber dies ist eine trügerische Hoffnung. Sie geht davon aus, dass die Wolfowitz-Doktrin nicht ernstgemeint ist, aber das ist falsch. Die Wolfowitz-Doktrin bildet die Grundlage der amerikanischen Politik gegenüber Russland (und China). Nach dieser Doktrin ist jede Macht, die stark genug ist, sich dem Einfluss Washingtons entgegenzustellen, als »feindlich« zu betrachten.

Diese Doktrin besagt:
»Es ist unser vorrangiges Ziel, das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen, entweder auf dem Territorium der früheren Sowjetunion oder anderswo, der eine Bedrohung der Art darstellt, wie es zuvor die frühere Sowjetunion getan hat, zu verhindern. Diese übergeordnete Überlegung liegt allen neuen regionalen Verteidigungsstrategien zugrunde und macht es notwendig, uns verstärkt darum zu bemühen, eine feindliche Macht daran zu hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen unter einer gefestigten Kontrolle ausreichen würden, eine Weltmacht hervorzubringen.«
Die Wolfowitz-Doktrin rechtfertigt Washingtons weltweite Vorherrschaft. Sie steht im Einklang mit der neokonservativen Darstellung der USA als des »unverzichtbaren« Landes, dem aufgrund seiner »Ausnahmestellung« die weltweite Vorherrschaft zustehe.

Russland und China stehen diesem amerikanischen Streben nach Weltherrschaft im Wege. Wenn die Wolfowitz-Doktrin nicht abgeschafft wird, ist ein allgemeiner Atomkrieg sehr wahrscheinlich.