20 Prozent mehr junge Frauen als noch 2012 mussten im vergangenen Jahr wegen Magersucht oder Bulimie stationär behandelt werden. Erschreckend: Ein Viertel der Betroffenen sind unter 15 Jahre alt.
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© dpaAuch Laura Pape war als Teenager stark magersüchtig. In "Lebenshungrig" erzählt sie, wie sie sich innerhalb von fünf Monaten von 68 auf 47 Kilogramm runterhungerte. Ihren Weg zurück ins Leben fand sie erst nach einem sechsmonatigen Klinikaufenthalt
Die Zahl der jungen Mädchen, die im vergangenen Jahr wegen gesundheitsgefährdender Essstörungen ins Krankenhaus mussten, ist laut Experten in alarmierender Weise angestiegen. Betroffen sind in mehr als 95 Prozent der Fälle junge Frauen und Mädchen: Mehr als jeder vierte stationäre Aufenthalt (26 Prozent) wegen Magersucht oder Bulimie, auch Ess-Brechsucht genannt, betraf 2013 die unter 15-Jährigen.

Das zeigt eine nun in Hamburg veröffentlichte Erhebung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Während die Zahl der ambulant behandelten Essstörungen seit 2006 leicht rückläufig gewesen sei, mussten 2013 rund 20 Prozent mehr Versicherte mit diesen Beschwerden ins Krankenhaus, hieß es. Hochgerechnet auf alle gesetzlich Versicherten, waren das mehr als 8000 Personen mit Klinikaufenthalt und rund 140.000 in ambulanter ärztlicher Behandlung.

Als Ursache macht die Krankenkasse eine nach Perfektion strebende Körperkultur der Gesellschaft mit Magerwahn und Model-Castingshows verantwortlich. Eine wichtige Möglichkeit, um eine sich entwickelnde Magersucht oder Bulimie festzustellen und zu behandeln, sei die Vorsorgeuntersuchung für Jugendliche (J-Untersuchung). Ziel dieser Untersuchung ist neben einer körperlichen Anamnese das Erkennen von Pubertäts- und Sexualstörungen sowie Sozialisations- und Verhaltensstörungen.

Wenn geplantes Hungern zum Alltag wird

Diäten gehören angesichts des weitverbreiteten Schlankheitsideals heutzutage für viele zum Leben dazu. Geht die Fastenkur allerdings immer weiter, obwohl das ursprünglich gewünschte Gewicht erreicht ist, nimmt das Streben nach dem vermeintlichen Idealgewicht krankhafte Züge an. Während Gesunde ihre normalen Essgewohnheiten wieder aufnehmen, hungern Magersüchtige weiter.

Sie tun das auch dann noch, wenn die Gesundheit Schaden nimmt: Magen- und Darmbeschwerden, Herz-Kreislauf-Störungen, Osteoporose oder organische Schäden können die Folge sein. Auch die Seele leidet unter dem Schlankheitswahn: Es drohen Schlafstörungen, Panikattacken und Depressionen.

Als Risikogruppe gelten Fachleuten zufolge vor allem Mädchen und Frauen zwischen 15 und 24 Jahren. Junge Männer sind erheblich seltener betroffen. Essstörungen wie Magersucht oder Ess-Brechsucht gehören mittlerweile zu den häufigsten chronischen Gesundheitsproblemen im Kindes- und Jugendalter. Magersucht zählt bei Mädchen und jungen Frauen sogar zu den häufigsten Todesursachen in diesem Alter.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden 2012 in deutschen Krankenhäusern rund 11.500 Fälle behandelt. Einer Studie des Instituts zufolge sind Kinder aus wirtschaftlich schwächeren Familien sowie Migranten in Deutschland besonders gefährdet.

Autorin fordert Aufklärung über Essstörungen

Laura Pape, ehemals selbst magersüchtig, sieht die Verantwortlichen von "Germany's Next Topmodel" in der Pflicht, über die Gefahren von Essstörungen aufzuklären. "Ich sage nicht, dass Heidi Klum Mädchen in die Magersucht treibt", sagt die 20-jährige Autorin. Allerdings könne die Sendung die Sucht verstärken, falls man schon psychisch vorbelastet sei.

"Da sieht man Mädchen, die den ganzen Tag auf ihre Ernährung achten, immer wieder Sport treiben und alle perfekt sind." Vor dem Finale der ProSieben-Castingshow hatte Laura Pape eine an Heidi Klum adressierte Online-Petition gegen den Magerwahn gestartet. Mehr als 16.000 Menschen haben sie inzwischen unterschrieben.

Mit 17 Jahren erkrankte Pape als Schülerin an Magersucht und hungerte sich innerhalb von fünf Monaten von 68 auf 47 Kilogramm runter. Ihren Weg zurück ins Leben nach einem sechsmonatigen Klinikaufenthalt beschreibt sie in ihrem Buch "Lebenshungrig". Beim Abnehmen habe sie selbst nicht Models als Vorbild gehabt, sagt Pape. Fatal seien aber Diäten gewesen. "Für mich war das Schwerste, vom ständigen Kalorienzählen loszukommen."

dpa/KNA/fj