Während der Fußball-WM kümmern sich nur die wenigstens Deutschen um Politik. Der Fußball steht im Vordergrund - und genau dies macht sich die Bundesregierung möglicherweise zu Nutzen. Noch vor der Sommerpause soll das Fracking-Gesetz beschlossen werden.
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© Siegfried Baier / pixelio.deÄhnlich leer könnte der Plenarsaal des Bundestags zur Weltmeisterschaft aussehen. Doch in den letzten Sitzungswochen werden vermutlich wichtige und umstrittene Gesetze beschlossen.
19.06.2014 - Die Bundesregierung ist fest entschlossen dem Bundestag noch vor der parlamentarischen Sommerpause ein Gesetz zum Einsatz der stark umstrittenen Fracking-Methode vorzulegen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) könnte so eine unliebsame öffentliche Debatte zur massiv kritisierten Förderung von Schiefergas vermeiden. Denn vor den Sommerferien finden nur noch zwei Sitzungswochen statt, Anfang Juli tritt der Bundestag das letzte zusammen - während der Achtel- und Viertelfinals der Weltmeisterschaft in Brasilien.k


Anfang Juni wurde ein Brief Gabriels an die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (Linke), bekannt. Demnach plant die Bundesregierung, Fracking in ganz Deutschland mit Ausnahme von Wasserschutzgebieten zuzulassen. Lediglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung müsse vorher erfolgen. Dabei gibt es starke Vorbehalte in der Bevölkerung, die Kritik von Umweltverbänden ist massiv. Erst vergangene Woche hatte ein amerikanischer Experte und Professor vor den Fracking-Folgen für Umwelt und Klima gewarnt.

Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass eine Regierungskoalition während großer Fußballturniere umstrittene und unliebsame Gesetze durch das Parlament schleust, damit die deutsche Öffentlichkeit davon wenig mitbekommt. Als Deutschland vor zwei Jahren im Halbfinale der Europameisterschaft gegen Italien spielte, beschlossen nur einige wenige Abgeordnete in 57 Sekunden das neue Meldegesetz. Es sah vor, dass Kommunen in Zukunft auch ohne ausdrückliches Einverständnis die Daten eines jeden Bürgers weiterverkaufen dürfen.

Merkel nutzt Fußball für ihr Image

Während 2006 die Deutschen die Weltmeisterschaft im eigenen Land bejubelten, beschloss der Bundesrat die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent. Als 2010 die Weltmeisterschaft in Südafrika in vollem Gange war, vereinbarten dann Union und FDP die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Kritiker behaupten, es habe gute Tradition, umstrittene Entscheidungen und Gesetzte während großer Sportereignisse zu beschließen.


Kommentar: Das ist mehr als offensichtlich...


Fehlende Cleverness kann man den beteiligten Politikern dabei nicht vorwerfen. Denn während normalerweise nur acht bis zehn Prozent der Bevölkerung sich als „fußballbegeistert“ bezeichnen, schnellt dieser Wert zu Zeiten einer Fußball-Weltmeisterschaft auf 50 Prozent, rechnet Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, für die Nachrichtenagentur Bloomberg vor. Auch andere Vorhaben wie das Gesetz zum Mindestlohn könnte die Regierung nun geräuschlos durchs Parlament bringen.

Dabei versteht es Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr gut die Fußballbegeisterung und die deutsche Nationalmannschaft für ihr politisches Ziel zu nutzen. Die Nähe zur Mannschaft und die Besuche in der Kabine sollen sie in der öffentlichen Wahrnehmung positiv darstellen. Der gemeinsame Auftritt mit den deutschen Fußballern in Brasilien soll das Image der Kanzlerin als „Kümmerin“ stärken, so Forsa-Chef Güllner.


Am 4. Juli kommt der Bundestag das letzte Mal vor der Sommerpause zusammen um Gesetze zu beschließen. Es ist der Tag, an dem ganz Deutschland das Spiel der deutschen Mannschaft im WM-Viertelfinale sehen wird.