Hunderttausende sind in Barcelona für ein autonomes Katalonien auf die Straße gegangen. Das Referendum in Schottland gab ihnen Aufwind.
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© AP Photo/Emilio MorenattiDemonstranten schwenken in Barcelona die Flagge Kataloniens.
In Barcelona haben am 300. Nationalfeiertag von Katalonien Hunderttausende für die volle Souveränität der Region demonstriert. Es war eine der größten Kundgebungen in der Geschichte der Stadt. Nach offiziellen Schätzungen sollen zwischen einer halben Million und 1,8 Millionen Menschen an dem Protest teilgenommen haben. Die Masse blockierte zwei zentrale Verkehrsadern der Stadt auf einer Länge von elf Kilometern. Dabei wurde ein V für Victoria(Sieg) gebildet. Viele Teilnehmer waren in den Nationalfarben Gelb und Rot gekleidet und riefen Unabhängigkeitsslogans. Die Demonstranten forderten, dass das von der katalanischen Regionalregierung angekündigte Referendum stattfinden darf.

Die autonome Gemeinschaft Katalonien will am 9. November eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vom Königreich Spanien durchführen, die spanische Regierung bezeichnet das Vorhaben als verfassungswidrig. Kataloniens Regierungschef Artur Mas sagte, seine Regierung halte weiter an den Plänen für eine Volksabstimmung fest. Nach Meinung von Beobachtern dürfte das spanische Verfassungsgericht den Versuch jedoch unterbinden.

"Am 9. November werden wir wählen. Am 9. November werden wir gewinnen", stand auf dem Führungsbanner des Demonstrationszuges. "Unsere Kultur, unsere Sprache und unsere Traditionen müssen respektiert werden", forderte ein Student. "Aber wir haben erkannt, dass das in diesem Staat unmöglich ist."

Umfragen aus Schottland beflügeln Europas Separatisten

Die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien sind nicht neu, haben durch das bevorstehende Referendum in Schottland jedoch neuen Schwung erhalten. Sowohl Katalanen als auch Basken, Korsen, Flamen und andere Volksgruppen mit separatistischen Tendenzen in Europa haben die jüngsten Umfragen in Schottland aufmerksam verfolgt. Diese deuteten zuletzt auf eine knappe Mehrheit für eine Unabhängigkeit bei der Volksabstimmung am 18. September hin.

Anders als bei der Abstimmung in Schottland würde das geplante Referendum in Katalonien keine Abspaltung nach sich ziehen. Die Bewohner der Region sollen nur gefragt werden, ob sie für eine Unabhängigkeit sind. Bei einer breiten Zustimmung hätte Regierungschef Mas das politische Mandat, eine solche auszuhandeln. Gemäß der spanischen Verfassung ist ein Referendum nur möglich, wenn alle Spanier dazu befragt werden.

"Das katalanische Thema ist eines der größten, denen die spanische Regierung gegenübersteht", sagte Mas. "Es ist ein Fehler, zu versuchen, das durch rechtliche Mittel zu lösen. Politische Probleme werden durch Politik gelöst, nicht durch rechtliche Drohungen." Mas hatte mehrfach gesagt, kein illegales Votum abhalten zu wollen. Sollte er es dennoch tun, droht ihm eine Haftstrafe.

Als wahrscheinlicher werten Beobachter die Möglichkeit, dass Mas Regionalwahlen in Katalonien als inoffizielles Referendum abhalten könnte. Dabei könnten Parteien dazu verpflichtet werden, sich für oder gegen eine Unabhängigkeit zu bekennen. Umfragen zufolge ist rund die Hälfte der Katalanen für eine Unabhängigkeit der wohlhabenden Region, viele davon wollen allerdings Teil der EU bleiben.

Katalonien liegt im Nordosten Spaniens und verfügt über ein eigenes Parlament und eine Regierung. Die autonome Region, die mit Katalanisch auch eine eigene Sprache hat, erwirtschaftet etwa ein Fünftel des spanischen Bruttoinlandsprodukts. Besonders laut wurden die Rufe nach staatlicher Souveränität, als der spanische Staat im Zuge der Finanzkrise ab 2008 viele Milliarden Euro in den taumelnden Finanzsektor des Landes pumpte. Zwar hatte sich Katalonien im Jahr 2006 schon zur "Nation" erklärt, doch das spanische Verfassungsgericht erkannte der Region diesen Status wieder ab.