Die AfD zieht in Erfurt und Potsdam mit zweistelligen Ergebnissen in die Landtage ein. Das Signal der Wähler ist eindeutig: Sie trauen den etablierten Politikern immer weniger zu. Wer das Erstarken der Protestpartei nur als Problem der Union sieht, hat die Dimension nicht verstanden.
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Egal, welche Koalitionen am Ende in Thüringen und Brandenburg regieren: Der Gewinner der Landtagswahlen ist die AfD. Wie in Dresden vor zwei Wochen entert die Partei des Wirtschaftsprofessors Bernd Lucke die Landtage von Erfurt und Potsdam. Und die Ostdeutschen statteten sie mit einer Kraft aus, die die politische Landschaft erschüttert. Denn indem die AfD aus dem Stand zweistellige Ergebnisse einfahren konnte, stellten die Wähler den etablierten Parteien die Quittung für die bisherige Politik aus.

Erfolgreich mit der Kümmerer-Masche

Die geht offenbar am Nerv vieler Bürger vorbei. Für das Kreuzchen auf dem Wahlzettel reicht offensichtlich die Tatsache, dass die AfD die innere Sicherheit, die Grenzkriminalität oder den Unterrichtsausfall zum Thema macht und dafür vermeintlich einfache Antworten bietet. Dass deren Umsetzung letztlich schwieriger ist als im Wahlkampf angekündigt, interessiert erst einmal nicht. Wie es bei der Europawahl auch nicht interessierte, welche Konsequenzen die Parole „Raus aus dem Euro“ wirklich haben würde.

Der AfD gelingt es, sich als Kümmerer zu präsentieren. Diese Rolle hat im Osten der Republik nach der Wende verstärkt die Linke übernommen, in Teilen auch die NPD. Nun präsentiert sich die neue Kraft als bürgernah. Und die übrigen Parteien müssen darüber alarmiert sein, denn sie selbst werden so wahrgenommen, dass zehn Prozent und mehr für die AfD drin sind.

Die AfD steht nicht rechts von der Union

Dieses Problem geht tatsächlich alle an. Nach ersten Analysen der Wählerwanderungen haben beispielsweise in Thüringen Linke und SPD 28.000 Stimmen an die AfD verloren. Das sind Stimmen, an der der angestrebte Regierungswechsel scheitern kann. Die Zahlen zeigen außerdem, dass die AfD keinesfalls ein Problem allein der CDU ist. Sie wird in der politischen Sitzordnung stets rechts von der Union eingeordnet. Doch da gehört sie nicht hin.

Ihre Wählerschaft kommt aus allen politischen Richtungen. Die 17.000 Stimmen, die die CDU in Thüringen an die AfD verlor, sind für die Union jedoch deshalb besonders bitter, weil diese zunehmend handlungsunfähig wird. Ihr bleibt in den Fünf-Parteien-Parlamenten als Koalitionspartner zunehmend nur die SPD. Auf ein Wiedererstarken der FDP kann sie nach deren dramatischen Verlusten dieses Wahltages immer weniger hoffen. Und auch für Bündnisse mit den Grünen reicht es nicht.

Die SPD zerreißt auch Rot-Rot-Grün

Die Union muss darum ihr Verhalten gegenüber der Protestpartei ändern. Die von der Parteizentrale ausgegebene Strategie des Ignorierens hat drei Mal zu zweistelligen Ergebnissen bei der AfD geführt. Erfolg sieht anders aus. Aber auch die SPD muss sich über künftige Koalitionen Gedanken machen.

Die massiven Verluste in Thüringen lassen darauf schließen, dass ein Teil ihrer Anhängerschaft dem Gedanken wenig abgewinnen kann, als Juniorpartner der Linken in eine Koalition zu gehen. Die Frage, ob die SPD Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählt und damit einen Präzedenzfall schafft, hat die Sozialdemokraten zerrissen. Wie auch immer sie sich in Thüringen entscheiden: Der Bundes-SPD steht diese Zerreißprobe auch noch bevor, wenn Rot-Rot-Grün einmal konkret wird.