Massengräber mit Leichen, die deutliche Anzeichen eines gewaltsamen Todes aufweisen, und trauernde Angehörige der bereits identifizierten Opfer: Mit dieser grauenerregenden Szene sah sich ein Aufnahmeteam von Russia Today in der Ortschaft Nyschnia Krynka, etwa 35 Kilometer von der Stadt Donezk in der gleichnamigen Region im Osten der Ukraine konfrontiert.
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Insgesamt vier Leichen waren dort zuvor in zwei Granatkratern hinter einem ausgebrannten Kohlebergwerk entdeckt worden. Maria Finoshina von RT berichtete direkt von dem Fundort: »Die ganze Anlage, die Sie hier sehen können, wurde bereits vor längerer Zeit aufgegeben. Es handelt sich um ein abgelegenes Gebiet und offenbar wollten diejenigen, die für diese Taten verantwortlich sind, verhindern, dass die Leichen gefunden wurden.«

Zu den Opfern gehört auch der 21-jährige Nikita Kolomijzew, der im Dorf wohnte, und dessen tieftrauernde Mutter an den Fundort der Massengräber kam, um ihren Sohn zu identifizieren. »Ich konnte es nicht länger aushalten, dass er getötet und wie ein Hund irgendwo verscharrt wurde - ich musste hierherkommen und ihn identifizieren«, sagte Galina, Nikitas Mutter gegenüber RT.

Wie Galina weiter berichtete, war sie in die Zentralukraine geflohen, um ihren anderen, jüngeren 16-jährigen Sohn aus der Gefahrenzone zu bringen, aber nun plage sie das Gefühl, beim Schutz ihres älteren Sohnes versagt zu haben. »Die ukrainische Armee verschleppte [Nikita] ... mein Mann ging zu ihnen und sagte, sie sollten ihn anstelle seines Sohnes gefangen nehmen. Aber sie entgegneten nur, sie hätten ihn mitgenommen, um ihn bei einem weiteren Gefangenenaustausch als Pfand zu benutzen.«

Galina wartete darauf, dass er ausgetauscht und dann nach Hause zurückkehren würde, aber sie sah ihn niemals lebend wieder. »Es fand gar kein Austausch statt. Sie haben ihn einfach außerhalb des Dorfes erschossen und ihn dann wie einen Hund verscharrt«, sagte sie unter Tränen schluchzend.

Der leitende Gerichtsmediziner Konstantin Gerasimenko erklärte: »Alle vier Opfer - alle männlich - weisen vielfache Gewehrschusswunden an Kopf und Rumpf auf. Ihre Hände waren mit Klebeband hinter ihrem Rücken gefesselt. Einige von ihnen trugen lediglich Unterwäsche.«

Das RT-Team suchte noch einen weiteren Leichenfundort auf, der von den OSZE-Beobachtern entdeckt worden war und der sich nur drei Kilometer vom ersten Fundort entfernt befand. Auf den ersten Blick wirkt das Grab wie ein Erdhügel, auf dem eine Tafel mit fünf in russischer Sprache geschriebene Namen angebracht war. Zunächst konnten die Beobachter die Fundstelle nicht direkt untersuchen, da die Umgebung vermint war.

Erst jetzt konnte mit der Exhumierung der Leichen begonnen werden. Einer der an der Exhumierung beteiligten Personen erklärte gegenüber RT, sie hätten fünf Leichen gefunden, bei denen bereits die Verwesung eingesetzt habe.

Wie sich zeigte, waren auf der Tafel nur vier Namen verzeichnet, der Platz für einen fünften Namen war freigeblieben und an seiner Stelle befand sich lediglich eine Zahl. Neben den Namen waren auch das Geburts- und das Todesdatum der Opfer aufgeführt, wobei der Todestag in allen Fällen derselbe war: der 27. August 2014. Aber die Tafel trug noch eine weitere Inschrift. Sie lautete: »Sie starben für Putins Lügen«.

RT versuchte Augenzeugen zu finden, die etwas Licht auf die Ereignisse werfen könnten. »Ich weiß von nichts«, sagte ein Einwohner, »Die ukrainischen Soldaten kamen hierher und forderten uns auf, das Dorf zu verlassen und so flohen wir ... wir sind erst vor Kurzen zurückgekehrt«.

Ein anderer Dorfbewohner namens Ewgenij erklärte: »Ein Fahrzeug mit Tarnfarben mit Leuten von der selbsternannten Volksrepublik Donezk (VRD) fuhr in den Ort - sie wurden alle aus kurzer Entfernung niedergeschossen.«

Die Gräber wurden am 23. September durch Soldaten der VRD entdeckt, nachdem sie von Dorfbewohnern darüber informiert worden waren, dass die ukrainischen Regierungssoldaten die Massengräber angelegt hätten. Zwei Tage vor der Entdeckung der Leichen waren Soldaten der ukrainischen Nationalgarde in dem Gebiet stationiert, berichteten die Dorfbewohner weiter.

Am Freitag bestätigten die Sonderbeobachter der OSZE, dass Angehörige der Selbstverteidigungskräfte drei anonyme Gräber gefunden hätten, in denen sich angeblich mehrere Leichen befänden. Zwei dieser Gräber befanden sich auf dem Gelände des Bergwerks Kommunar in der Nähe der Ortschaft Nyschnia Krynka und ein Weiteres im Dorf selbst.

Auf die Entdeckung angesprochen, bekräftigte der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Ilkha Kanerva gegenüber RT, die dortige »Beobachtermission muss sich unbedingt mit dieser Angelegenheit befassen.«

Der Vorsitzende des Präsidialen Menschenrechtsrats Russlands, Michail Fedotow, forderte am Mittwoch die Behörden auf, alles zu unternehmen, um eine »unabhängige internationale Untersuchung« zu gewährleisten und »internationalen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten« Zugang zu den Fundstellen in der umkämpften Donezk im Osten der Ukraine zu gewähren.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte am Freitag, Moskau werde sich für eine offene und unabhängige Untersuchung der Umstände des Todes der in Massengräbern im Osten der Ukraine gefundenen Menschen einsetzen. »Bereits im jüngsten OSZE-Bericht, der in Wien vorgelegt wurde, werden erste Anzeichen dafür bestätigt, dass es sich bei den Opfern um Zivilisten handelt und dass diese aus kurzer Entfernung erschossen wurden. Zuvor kann es auch zu Missbräuchen gekommen sein. Diese Angelegenheit bereitet uns große Sorgen. Wir werden niemandem die Schuld zuschieben, bevor wir nicht die Ergebnisse der Ermittlungen kennen«, sagte er weiter.