Der Name des Attentäters in Ottawa wurde zwar noch nicht offiziell bestätigt, aber gegenüber den Medien erklärten zahlreiche Regierungsvertreter, bei dem Schützen handele es sich vermutlich um Michael Zehaf-Bibeau, der erst vor Kurzem zum Islam konvertierte, aber bereits als hochgefährlich eingeschätzt wurde.

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Michael Zehaf-Bibeau wurde im nördlich von Montreal gelegenen Quebec als Michael Joseph Hall geboren, erklärten zwei amerikanische Regierungsbeamte gegenüber der Nachrichtengagentur Reuters. Amerikanische Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden seien informiert worden, dass der Schütze vor Kurzem zum Islam übergetreten sei.

Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) identifizierte unter Berufung auf verschiedene Quellen den Mann ebenfalls als Zehaf-Bibeau. Auf einem Benutzerkonto des Mikrobloggingdienstes Twitter, der Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat zugerechnet wird, wurde ein Foto hochgeladen, auf dem der Attentäter von Ottawa wiedererkannt wurde. Und die kanadische Zeitung Globe and Mail berichtete, der Pass des Schützen sei von kanadischen Behörden aufgrund seiner Einstufung als »hoch risikoreicher Reisender« eingezogen worden.

Der Journalist Domenic Fazioli aus Montreal erklärte, der Name Zehaf-Bibeaus sei bereits dreimal in Gerichtsakten in Montreal aufgetaucht. Angeblich sei der Konvertit bereits fünfmal verhaftet worden, dreimal wegen Drogenbesitzes und zweimal wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen. Auch in Gerichtsunterlagen in Vancouver ist er aktenkundig. Dort wurde gegen ihn wegen des Verdachts auf Raub und Drohungen ermittelt.

»Ich kann nicht bestätigen, dass es sich hier um die Person handelt, die für die Ereignisse in Ottawa verantwortlich ist«, sagte der Polizeibeamte Brian Montagu, »Für die Bestätigung der Identität des Verdächtigen und entsprechende Informationen ist die Polizei in Ottawa oder die Bundespolizei RCMP zuständig ... Aufgrund der anhaltenden Ermittlung können wir nur mit wenigen Informationen an die Öffentlichkeit treten.«

Bisher ist unbekannt, ob es sich bei Zehaf-Bibeau, der den 24-jährigen Reservesoldaten Nathan Cirillo tötete und zwei weitere Personen verletzte, um einen Einzeltäter handelt. Der Polizeisprecher Ottawas, Chuck Benoit, hatte zuvor erklärt, man gehe davon aus, dass zwei oder drei weitere Schützen an den Angriffen beteiligt gewesen seien, aber auf einer Pressekonferenz lehnten Regierungsvertreter Kommentare zur möglichen Anzahl der Attentäter ab.

Erste Meldungen über die Schüsse erfolgten gegen 9:52 Ortszeit, als der Täter den Soldaten, der am National War Memorial Dienst tat, tötete und sich dann zum Hauptgebäude des Parlaments, dem sogenannten »Centre Block« begab, wo er dann von Kevin Vickers, einem 58-jährigen früheren RCMP-Offizier, der im Parlamentsgebäude als »Sergeant at-Arms« für die Sicherheit verantwortlich ist, erschossen wurde.

»Ich sah aus dem Fenster und erblickte einen Schützen, einen Mann mit einer Kopfbedeckung, der ganz in schwarz gekleidet war und sein Gesicht bis auf die Augen mit einem Schal verdeckte. Er feuerte zweimal auf eine Ehrenwache vor dem Kenotaph«, erklärte Tony Zobl, dessen Büro sich direkt am Ehrenmal befindet, der Nachrichtenagentur Canadian Press, »Die Ehrenwache fiel zu Boden und der Schütze reckte in einer Geste des Triumphs beide Arme mit dem Gewehr in die Luft.« Die Abriegelung der Innenstadt von Ottawa wurde am Abend gegen 20:30 Uhr Ortszeit wieder aufgehoben, aber das Parlament und seine nähere Umgebung sind für die Öffentlichkeit noch immer unzugänglich.

Zwei Tage vor diesem Anschlag auf das Parlament in Ottawa, in dem sich zu diesem Zeitpunkt auch der kanadische Regierungschef Stephen Harper aufhielt, hatte bereits der 25-jährige Martin Couture-Rouleau, der ebenfalls kürzlich zum Islam konvertiert war, einen Soldaten überfahren und einen weiteren mit seinem Fahrzeug schwer verletzt, bevor er dann von der Polizei erschossen wurde.

Couture-Rouleau soll angeblich die Terrormiliz Islamischer Staat unterstützt haben. Am Dienstag erklärte der Chef der Bundespolizei RCMP, Bob Paulson, auch der Pass von Rouleau sei eingezogen worden, da er zu der Gruppe von etwa 90 Personen gehörte, die im Rahmen einer landesweiten Sicherheitsüberprüfung genauer unter die Lupe genommen worden seien, da er versucht habe, nach Syrien auszureisen.

In einer Rede an die Nation sagte Premierminister Harper, der sich an einem unbekannten Ort aufhielt, am Mittwochabend, Kanada werde sich niemals durch Ereignisse wie die beiden jüngsten Attentate einschüchtern lassen. »Wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Kanada wird sich nicht einschüchtern lassen«, sagte er. Die Anschläge würden im Gegenteil »unsere Entschlossenheit stärken und unsere Anstrengungen − und die unserer Sicherheitsbehörden - verdoppeln, um alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, Bedrohungen zu erkennen und ihnen zu begegnen und dafür zu sorgen, dass Kanada weiter sicher bleibt.«

Am vergangenen Freitag war die Terror-Warnstufe zum ersten Mal seit dem 13. August 2010 von »niedrig« auf »mittel« angehoben worden, wie aus einem internen Dokument hervorgeht, dass Global News vorliegt. »Nachrichtendienstliche Informationen deuten darauf hin, dass Einzelpersonen oder eine Gruppe innerhalb Kanadas, die Absicht haben und über entsprechende Fähigkeiten verfügen, einen Terroranschlag durchzuführen. Das ITAC [Integrated Terrorism Assessment Centre, das dem kanadischen Sicherheits- und Geheimdienst CSIS untersteht und an dem zahlreiche Behörden wie der Grenzschutz, die RCMP, aber auch das Außenministerium und Finanzbehörden beteiligt sind,] ist zu der Einschätzung gelangt, dass es zu einem terroristischen Gewaltakt kommen könnte«, heißt es in dem Dokument.

Weiter warnt das Dokument, vor »Extremisten, die aus eigenem Antrieb handeln« und die von der Ideologie und dem Vorgehen der Terrormiliz Islamischer Staat beeinflusst sind, von ihnen gehe die wahrscheinlichste Gefährdung aus. Sie könnten in Kanada mittels »kleiner Zellen oder als Einzeltäter« zuschlagen und »einfache, kleine Anschläge durchführen«. Nach Einschätzung der Behörden unterstützen derzeit etwa 130 Kanadier im Ausland terroristische Aktivitäten. Mehr als 30 Personen sollen im Irak und Syrien kämpfen. Mindestens 80 Kanadier sind offenbar wieder nach Kanada eingereist, nachdem sie sich in Konfliktzonen aufgehalten hatten, heißt es in dem Dokument.