Gemeinsam haben der britische und der amerikanische Geheimdienst daran gearbeitet, Journalisten und andere Außenstehende mit Fehlinformationen zu beliefern, um sie zu diskreditieren. Das geht aus Unterlagen hervor, die der ehemalige NSA-Subunternehmer und Whistleblower Edward Snowden dieses Jahr veröffentlicht hat. Weiter heißt es dort, dass man mit »schmutzigen Tricks« gegen andere Länder, gegen Hacker, Terrorgruppen und andere vorgegangen sei.
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Wie NBC News und The Intercept berichten, zählen zu diesen schmutzigen Tricks Computerviren, die Bespitzelung von Journalisten und Diplomaten, das Lahmlegen von Rechnern und Telefonen und der Versuch, Zielpersonen in Sexfallen zu locken. In dem Bericht heißt es weiter:
»In den Unterlagen, die Edward Snowden aus der National Security Agency mitgenommen hat und die NBC News exklusiv vorliegen, wird beschrieben, welche Techniken die geheime britische Spionageeinheit Joint Threat Research &Intelligence Group (JTRIG) entwickelt hat. Die Maßnahmen sind Teil der Bestrebungen, in die Offensive zu gehen und Widersacher zu attackieren, die vom Iran bis zu den Internet-Aktivisten von Anonymous reichen.«
Die Dokumente stammen aus Präsentationen, die 2010 und 2012 für Spionagekonferenzen entwickelt wurden, die die NSA sponserte. Die Unterlagen zeigen, dass die wahren Ziele der Agentur darin bestanden, feindliche Ziele zu »zerstören, auflaufen zu lassen, zu erniedrigen und zu stören«, und zwar durch Diskreditierung, durch Verbreitung von Falschinformationen und durch Störung der Kommunikation.

Beide Präsentationen liefern Einzelheiten über Kampagnen, die sich grob in zwei Gruppen aufteilen lassen: Cyberattacken und Propagandaaktivitäten. Bei letzteren kommen Konzepte der Massenansprache zum Tragen und auch Täuschungsmethoden. Über soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook und YouTube werden Geschichten »gepusht«.

Für JTRIG gehören auch Operationen »unter falscher Flagge« dazu. Britische Agenten führen dabei Operationen im Internet aus, die wie Taten der Gegner Großbritanniens aussehen.

Derartige Aktivitäten publik zu machen, sei wichtig, um die Integrität der Internetwelt zu erhalten, sagte der Journalist Glen Greenwald. Greenwald arbeitet für die britische Zeitung The Guardian und vor allem ihn hat Snowden beliefert.

»Ich möchte mich auf den umfassenden Punkt konzentrieren, der durch all diese Dokumente aufgedeckt wurde: Diese Dienste versuchen, die Online-Debatten zu kontrollieren, zu infiltrieren, zu manipulieren und zu verzerren. Dadurch gefährden sie die Integrität des Internets selbst«, schrieb Greenwald auf The Intercept, einer Website, die er gründete, um dort einen Großteil der Snowden-Unterlagen zu veröffentlichen.

Weitere Aktivitäten des britischen Geheimdienstes und der NSA sind beispielsweise DDoS-Attacken. Bei einem »Distributed Denial of Service« wird eine Website oder ein Chatroom mit Daten überflutet, sodass andere darauf nicht mehr zugreifen können. Bürgerrechtler in Großbritannien sagten, die Regierung habe zwar das Recht, sich zu schützen, dennoch hinterfragten sie das Vorgehen.

Dass London glaube, sich in Computer hacken zu dürfen, sei bemerkenswert, sagte Eric King, Anwalt für IT-Recht an der London School of Economics und Chief of Research bei der britischen Menschenrechtsorganisation Privacy International, gegenüber NBC News. Kein britischer Geheimdienst verfüge über »eindeutige rechtliche Autorität« für derartige Schritte.

Der britische Geheimdienst »hat keine eindeutige Autorität, ein Virus zu verschicken oder Cyberangriffe durchzuführen«, so King. »Hacking ist eine der invasivsten Überwachungsmethoden.« Britische Cyberspione hätten »ohne rechtliche Absicherung« und ohne öffentliche Debatten Operationen durchgeführt, dabei habe London häufig andere Länder wie beispielsweise Russland dafür kritisiert, Cyberkrieg zu führen.

Bei der Präsentation von 2010 ging es um eine mögliche Operation, bei der eine Taktik namens »Credential Harvesting« zum Einsatz kommt. Bei diesem Vorgehen würden Journalisten zu Übermittlern bestimmter (Fehl-) Informationen auserkoren. Wie NBC News berichtete:
»Wie Geheimdienstquellen erklärten, dachten die Spione darüber nach, mithilfe elektronischer Schnüffelmethoden nicht-britische Journalisten ausfindig zu machen, die dann dahingehend manipuliert werden sollten, dass sie dem Ziel einer verdeckten Maßnahme Informationen zukommen lassen. Die Aufgabe des Journalisten bestand offenbar darin, beispielsweise über ein Interview Zugang zu der Zielperson zu bekommen.«
Ob den Journalisten überhaupt klar sei, wofür sie genutzt werden, nämlich um bestimmten Personen bestimmte Arten von Informationen zukommen zu lassen, wird in dem Dokument nicht erwähnt. Auch dies wurde von Menschenrechtlern kritisiert.

Was an Einzelheiten zum »Credential Harvesting« bekannt geworden sei, sollte den Journalisten als Weckruf dienen, sagte Joel Simon, Leiter des Committee to Protect Journalists: Geheimdienste würden ihre Aktivitäten überwachen - sowohl ihre Berichterstattung als auch ihre Kommunikation. Wenn sie auch nur einen einzigen Journalisten für geheimdienstliche Zwecke verwendeten, würden die Regierungen Journalisten schon einem Risiko aussetzen.

»Grundsätzlich alle Journalisten wären dann anfällig für den Vorwurf, dass sie in Wahrheit nur Handlanger eines Geheimdienstes seien«, sagte Simon gegenüber NBC News.

Andere Quellen sagten NBC News, das Journalistenprogramm sei niemals in die Tat umgesetzt worden. Angesichts des Ausmaßes an (vorsätzlichen?) Lügen und Fehlinformationen, die die NSA und die britischen Geheimdienste umgeben, kann sich dessen wohl niemand wirklich sicher sein.