Bei den Ausschreitungen rund um die Proteste der Blockupy-Aktivisten in Frankfurt sind Dutzende Polizisten und zahlreiche Demonstranten verletzt worden. Die Polizei rechnet mit weiteren gewalttätigen Aktionen und setzt Wasserwerfer ein.
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Bei den Ausschreitungen am Protesttag der kapitalismuskritischen „Blockupy“-Bewegung in Frankfurt sind nach Polizeiangaben mindestens 88 Polizisten verletzt worden. Acht Beamte seien durch Steinwürfe verletzt worden, weitere 80 durch eine ätzende Flüssigkeit oder durch Reizgas, sagte eine Polizeisprecherin. Unterschätzt habe die Einsatzleitung die Lage nicht, es seien aber weitere Übergriffe von Gewalttätern zu erwarten. „Ich denke, wir müssen auch im Laufe des Tages mit weiteren gewalttätigen Aktionen rechnen.“ Ein Blockupy-Sprecher berichtete, beim Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken durch die Polizei seien auch viele Demonstranten verletzt worden.

Schon am frühen Morgen hatte der „Blockupy“-Protesttag gegen die europäische Krisenpolitik mit gewaltsamen Auseinandersetzungen begonnen. Mindestens sieben Polizeiautos wurden in Brand gesetzt. Die Demonstranten attackierten auch Feuerwehr und Straßenbahnen mit Steinen. Die Feuerwehr sei dadurch am Löschen gehindert worden, sagte die Polizeisprecherin. „Die Atmosphäre ist aggressiv.“

Die Polizei war massiv gegen die Protestierer vorgegangen, nachdem im Umkreis des abgesicherten EZB-Geländes mehrere Brände gelegt worden waren. Aus der Menge der Demonstranten wurden Steine und Böller gegen Wasserwerfer geworfen. Gegen neun Uhr setzte die Polizei nach eigenen Angaben rund 350 Demonstranten fest, die zuvor randaliert haben sollen. Auch erste Festnahmen hat es offenbar gegeben.

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© dpa/www.Mainhattan-Webcam.deEin Bild, das um die Welt gehen könnte: Schwarze Rauchschwaden am Mittwochvormittag über der Frankfurter Skyline - auch wenn nicht die ganze Stadt betroffen war. Bild einer Webcam südlich des Mains
Im Frankfurter Ostend, wo die EZB ihren Sitz hat, gab es kaum eine Straßenkreuzung, an der nicht Mülltonnen, Autoreifen oder Fahrzeuge brannten. Demonstranten versuchten, das weiträumig abgesperrte Gelände der EZB zu stürmen, wurden aber von der Polizei gestoppt.

Blockupy-Sprecher Hendrik Wester kritisierte das Vorgehen der Frankfurter Polizei. Diese habe Teile der Demonstration angegriffen. „Das ist nicht so, wie wir von Blockupy den Tag geplant haben. Aber man muss auch feststellen, dass offensichtlich das Bürgerkriegsszenario, was die Polizei da aufgemacht hat, (...) von vielen Leuten als Herausforderung und als Provokation begriffen worden ist.“ Das Bündnis hoffe aber, dass die Lage nicht weiter eskaliere.

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© Helmut FrickeFriedliche Polizisten?
Der Frankfurter Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) zeigte sich entsetzt von den Ausschreitungen. Besonders verabscheuungswürdig sei, dass Feuerwehrleute angegriffen worden seien, sagte er. Die Lageeinschätzung des Polizeipräsidiums habe sich leider bestätigt. „Ein derartiges Gewaltpotential haben wir lange nicht mehr gesehen.“ Das Blockupy-Bündnis sei aufgerufen, jetzt für Deeskalation zu sorgen. Auf die Frage, ob die geplanten Demonstrationszüge durch die Innenstadt angesichts der Eskalation kurzfristig verboten werden könnten, äußerte sich Frank zurückhaltend. „Wir wägen die Lage permanent ab.“


Kommentar: Es ist nie auszuschließen, dass sich unter den Protestanten auch Agenten-Provokateure befanden, die bewusst Gewaltausschreitungen verursachten.


DGB, Grüne und Linke rufen zum Gewaltverzicht auf

Harald Fiedler, Geschäftsführer der DGB-Region Frankfurt-Rhein-Main, sagte zu den Ausschreitungen: „Das ist doch verrückt. Wir wollen heute Argumente herüberbringen und Kritik an der falschen Sparpolitik in den südeuropäischen Krisenländern. Nun gibt es wieder Schlagzeilen über Gewalt und Straßenschlachten und die Argumente gehen unter.“ Der DGB wollte um 12 Uhr einen Demonstrationszug vom Frankfurter Gewerkschaftshaus in der Wilhelm-Leuschner-Straße bis zur Sonnemannstraße/Ecke Hanauer Landstraße veranstalten, also bis unmittelbar zur EZB-Sperrzone. Diese Route muss wegen der Ausschreitungen am Morgen offenbar abgeändert werden.

Die hessischen Grünen riefen die Demonstranten noch am Vormittag zu Ruhe und Gelassenheit auf. Seid bunt, seid laut, seid friedlich“, mahnte der Grünen-Landesvorsitzend Kai Klose. „Einzelne Gewalttäter dürfen mit Angriffen auf Polizisten und Feuerwehrleute, der Zerstörung von Autos und brennenden Barrikaden den friedlichen Protest der Mehrheit nicht in Misskredit bringen.“ Gewalt sei immer destruktiv, sie könne kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Klose appelliert an alle Demonstrantinnen und Demonstranten, sich von Teilnehmern der Proteste zu distanzieren, die Gewalt ausüben oder provozieren wollten. Auch die eingesetzten Polizistinnen und Polizisten rief er zur Besonnenheit auf: „Große Demonstrationen sind für alle Beteiligten Ausnahmesituationen. Bitte behaltet einen kühlen Kopf.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Landtag, Hermann Schaus, bedauert und verurteilt die Eskalation. „Es sieht so aus, als seien einige nur gekommen, um Randale zu machen. Das kann man nur verurteilen, und das schadet dem Anliegen der Blockupy-Bewegung sehr, ihre Kritik an der Politik der EZB durch friedliche Demonstrationen und friedliche Blockaden deutlich zu machen. Es sind viele internationale Gruppen hier, und ich habe den Eindruck, dass jene, von denen Gewalt ausgeht, alle nicht an der Vorbereitung der Proteste beteiligt waren und leider nicht den dabei erzielten Konsens teilen, dass friedlich demonstriert werden sollte.“
polizist farbbeutel
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Der Straßenbahnbetrieb in Frankfurt war am Mittwochmorgen eingestellt worden. Auch die U-Bahnlinie 5 fährt nicht mehr, wie die Verkehrsgesellschaft Frankfurt mitteilte. Wegen der Protestaktionen und Demonstrationszüge im Stadtgebiet war schon vorher geplant, dass der oberirdische Nahverkehr zur Mittagszeit eingestellt werden sollte. U-Bahn- und S-Bahn-Verkehr sollten laut Planung aber nicht beeinträchtigt sein.

Draghi: EZB im „Fokus der Frustrierten“

EZB-Präsident Mario Draghi eröffnete ungeachtet der Proteste den Neubau der Europäischen Zentralbank in kleinem Rahmen mit gut 100 geladenen Gästen. In seiner Rede ging Draghi auch auf die Demonstranten und die vielen unzufriedenen Menschen im Euroraum ein, die in den vergangenen Krisenjahren Einkommen und Wohlstand verloren hätten.

Als eine Institution der Europäischen Union, die eine zentrale Rolle in der Krise gespielt hat, sei die EZB in den Fokus der Frustrierten geraten, sagte Draghi. „Möglicherweise ist dieser Vorwurf nicht fair. Denn unser Handeln zielte genau darauf ab, die wirtschaftlichen Schocks abzufedern.“


Doch die EZB müsse auf alle Bürger in allen Euroländern genau hören, nicht nur auf einige Wenige. „Es gibt einige, die wie die Demonstranten heute vor unserer Tür glauben, Europa tue zu wenig.“ Diese Menschen wollten mehr finanzielle Solidarität unter den Nationen. „Aber die Eurozone ist noch keine politische Union, in der einige Länder permanent für andere bezahlen“, betonte Draghi.