Eine Bande von zehn- bis elfjähriger Buben hat zwei Mitschüler mehr als ein Jahr lang misshandelt. Die Polizei ermittelt jetzt in dem unglaublichen Fall.
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© Symbolbild: dpa
Mit einem auch für erfahrene Beamte nahezu unglaublichen Fall haben es die Polizei Senden und das Jugendamt in Neu-Ulm zu tun: Über einen Zeitraum von gut einem Jahr hat eine bis zu sechsköpfige Bande von zehn- bis elfjährigen Burschen zwei Mitschüler brutal geschlagen, massiv bedroht, erpresst und erniedrigt. Als Opfer haben sich die Täter körperlich unterlegene Buben ausgesucht. „Ein heute Elfjähriger war so eingeschüchtert, dass er um sein Leben fürchten musste“, berichtete Sendens stellvertretender Polizeichef Thomas Merk.

Der Polizist spricht von einem „höchst bedenklichen Fall“, den seine Kollegen jetzt bearbeiten müssen. Noch stehen die Fahnder am Anfang ihrer Ermittlungen, das ganze Ausmaß der Vorgänge ist noch nicht bekannt.

Buben von Gleichaltrigen bedroht und misshandelt

Ein Jahr lang wurden zwei Buben, die ebenso wie die Täter die Werner-Ziegler-Mittelschule in Senden besuchen, von den gleichaltrigen Tätern drangsaliert und misshandelt. Nach Polizeiangaben haben sich die körperlich überlegenen Täter bewusst schwächere Opfer ausgesucht und auf ihnen über Monate hinweg „herumgehackt“. Besonders schlimm: Bei einem der Leidtragenden handelt es sich um ein lernbehindertes Kind, das sich nicht wehren konnte.

Bekannt geworden ist der Fall erst Anfang der Woche, als die besorgte Mutter eines der Opfer Anzeige bei der Polizei erstattet hat, nachdem ihr Sohn im Sendener Stadtpark von anderen Kindern angegangen worden war. Erste Ermittlungen der Polizei in Senden ergaben, dass der Elfjährige seit etwa einem Jahr von der in wechselnder Besetzung auftretenden Gruppe von Mitschülern bedroht und geschlagen wurde.

Opfer von Zehnjährigen verprügelt

Der damals zehnjährige Rädelsführer der Bande hat nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei seinem deutlich unterlegenen Opfer mit der geballten Faust derart massiv ins Gesicht geschlagen, dass der eine blutende Wunde davongetragen hatte. In der Folge sei das Opfer derart eingeschüchtert gewesen, dass er sich aus Angst vor weiteren Schlägen offenbar nicht einmal wagte, sich seiner Mutter anzuvertrauen. In der Folge kam es hauptsächlich im Stadtpark immer wieder zu weiteren Übergriffen. In der Regel erpresste der Haupttäter den Jungen und forderte immer wieder Bargeld. Meist händigte ihm das Opfer einen Euro aus, da er nicht mehr dabei hatte.

Die Ermittlungen, die noch nicht vollständig abgeschlossen sind, führten die Polizei zu einer losen gleichaltrigen Gruppe um den elfjährigen Rädelsführer, die regelmäßig zwei Mitschüler drangsalierten. An den Taten sollen in Einzelfällen bis zu sechs Kinder beteiligt gewesen sein.

Der inzwischen elf Jahre alte Haupttäter ist kein Unbekannter: Nach Polizeiangaben ist er mehrfach auch schon der Schule unangenehm aufgefallen, weshalb gegen ihn schon ein Schulausschlussverfahren betrieben worden ist.

Obwohl die zehn- bis elfjährigen Täter noch Kinder und damit strafunmündig sind, hat die Polizei ein ganz normales Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Ergebnis wird allerdings am Ende dem Jugendamt vorgelegt, das schon über die brutalen Übergriffe informiert ist.

Polizei nimmt Eltern der Täter in die Pflicht

Dieser Fall müsse „tiefergreifend betrachtet und beleuchtet“ werden, sagte gestern der stellvertretende Sendener Polizeichef Thomas Merk, dem ein solch brutales Vorgehen von Kindern in seiner Laufbahn noch nicht untergekommen ist. Deshalb müssten die Vorgänge genauestens aufgeklärt und nach den Ursachen für das Verhalten der Kinder geforscht werden.

Nach seiner Auffassung müsse es umgehend Gespräche mit der Familie der Täter geben, damit eine mögliche kriminelle Karriere dieser Kinder sofort und nachhaltig gestoppt werden könne.

In erster Linie aber seien die Familien der Täter gefordert, die dem jetzt offenkundig gewordenen Fehlverhalten ihrer Kinder entgegenwirken müssten. „Der Staat und seine Institutionen können nicht gutmachen, was im Elterhaus versäumt wurde und wird,“ beschreibt Merk das Dilemma.

Die Familie des Haupttäters werde wohl in naher Zukunft Besuch von Vertretern des Jugendamtes bekommen. Möglicherweise werde den Eltern ein Sozialarbeiter als Betreuer zur Seite gestellt.

Polizeihauptkommissar Thomas Merk beschreibt das Ziel aller künftiger Bemühungen der Behörden: „Dem Burschen müssen sehr schnell die Grenzen aufgezeigt werden, bevor er weiter abdriftet und das Ganze nicht in einer kriminellen Karriere mündet.“

Ob dies angesichts des sozialen Umfeldes der Betroffenen allerdings gelingen kann, verfolge die Polizei in Senden mit großem Interesse. Merk: „Das ist eine sehr spannende Frage.“