Als ich am Morgen des 24. März von dem Absturz des Germanwings Fluges GWI9525 in den französischen Alpen hörte, war ich schockiert, aber um ehrlich zu sein nicht allzu schockiert. Nicht, dass ich erwartet hätte, dass das geschieht, aber seit dem letzten Jahr war dies der fünfte Vorfall dieser Art. Wenn diese Häufigkeit so weiter geht, dann wird die statistisch gesehene, sehr geringe Wahrscheinlichkeit auf Grund eines Flugzeugabsturzes das Zeitliche zu segnen neu berechnet werden müssen.
Bild
© istock
Unmittelbar folgend auf den Absturz wartete ich, wie viele andere auf der ganzen Welt, geduldig auf die Details. Was könnte es wohl verursacht haben, dass ein moderner, obgleich ein wenig in die Jahre gekommener Airbus A320 erster Generation plötzlich vom Himmel stürzt und in ein Gebirge einschlägt? Ich hatte ein paar Theorien, einschließlich die außer Gefecht setzenden Auswirkungen eines "EMP" (elektromagnetischer Impuls) durch die Explosion eines Weltraumtrümmers am Himmel. Der schockierende Anstieg an Feuerball-/Meteoritensichtungen innerhalb der letzten 10 Jahre lässt dies plausibel werden und könnte sehr wohl die Ursache des Absturzes von Flug AF447 in den südatlantischen Ozean im Jahr 2009 gewesen sein. Doch ich wartete und war darauf vorbereitet zu warten, weil Untersuchungen dieser Art eine ganze Weile brauchen können und sollten, bis sie abgeschlossen sind.

Bild
Das Germanwings-Flugzeug mit 150 Passagieren erreichte eine Flughöhe von 11582 Metern, verblieb jedoch nur wenige Minuten auf dieser Höhe, bevor es sehr schnell und in die französischen Alpen stürzte.
Wenn man Flugzeugabstürze untersucht, dann kommt die wichtigste Information - sogar noch wichtiger als die Audioaufnahmen aus dem Cockpit - aus dem Flugdatenschreiber. Der Flugdatenschreiber zeichnet die Befehle auf, die an alle elektronischen Systeme in einem Flugzeug gesendet werden, einschließlich des Autopilots und des Sicherheitssystems für den Zutritt zum Cockpit.

Welche Informationen auch immer durch die Unterhaltung zwischen dem Piloten und Kopiloten im Cockpit bereitgestellt werden, müssen durch harte Fakten vom Flugdatenschreiber bekräftigt oder bestätigt werden. Diese Daten zu analysieren dauert natürlich mehrere Tage oder Wochen und somit war es überraschend, dass innerhalb von 24 Stunden nach dem Absturz die New York Times einen nicht namentlich genannten "ranghohen französischen Militärbeamten" zitierte, der sagte, dass einer der Piloten von dem anderen aus dem Cockpit ausgesperrt wurde und dass das den Absturz verursachte. Die New York Times zitiert den Militärbeamten wie folgt:
"Der Mann draußen klopft leicht an die Tür und es gibt keine Antwort", sagte der Ermittler. "Und dann klopft er stärker an die Tür, und wieder keine Antwort. Es gibt nie eine Antwort. Man kann hören, wie er versucht die Tür aufzubrechen. [...] was sicher ist, ist, dass der andere Pilto ganz am Ende des Flugs allein ist und die Tür nicht öffnet."
Die überstürzte Veröffentlichung dieser Information scheint die offizielle Untersuchung, durchgeführt vom französischen "Bureau of Enquiry and Analysis for Civil Aviation Safety" (BEA), untergraben zu haben. Die BEA ist eine zivile, keine militärische Agentur der französischen Regierung und verantwortlich für die Untersuchung von Luftfahrt-Unfällen. Des Weiteren hat diese Veröffentlichung ein Narrativ begründet, das nun zur offiziellen Wahrheit darüber, was mit dem Flugzeug geschehen ist, geworden ist - dass es Kopilot Andreas Lubitz absichtlich hat abstürzen lassen.

Als die New York Times am Mittwoch in die Druckpressen wanderte, hielt der Chef der BEA eine Pressekonferenz ab, die zu Recht vorsichtige Stellungnahmen beinhaltete. Remi Jouty, Chef der BEA, sagte den Journalisten, dass, obwohl der Voicerekorder Geräusche und Stimmen wiedergab, es nicht die "geringste Erklärung" gebe warum das Flugzeug abgestürzt ist, und dass es Tage oder Wochen dauern würde um sie zu entziffern. "Es bedeutet Arbeit um die Stimmen, Geräusche, Alarme, die Zuordnung der verschiedenen Stimmen zu verstehen", sagte er.

Einen Tag nach den verfrühten Schlußfolgerungen des Militärbeamten in der New York Times und den vorsichtigen Kommentaren seitens des BEA Chefs, stimmte ungeachtet dessen der Staatsanwalt Brice Robin der Schlußfolgerung des militärischen Beamten zu und entschied sich ein Strafverfahren einzuleiten. Seine Erklärung: "die Absicht bestand darin, das Flugzeug zu zerstören". Für einen Staatsanwalt ist das eine verstörend voreilige Herangehensweise und sie gibt uns zu denken ob irgendjemand schnell ein Narrativ aufbauen wollte, das zur offiziellen Geschichte werden würde, anstatt auf die Ergebnisse einer gründlichen Untersuchung zu warten. Tatsächlich bedeutet der Schritt den Absturz zu einer Strafsache zu machen, dass die Untersuchung nicht mehr vorrangig vom BEA durchgeführt wird.

Ob eine umfassende Untersuchung von irgendjemandem überhaupt stattfinden kann oder nicht, ist mit den sich widersprechenden Geschichten über die über-wichtige, zweite "Blackbox" oder dem Flugdatenschreiber zweifelhaft geworden. In derselben Geschichte, in der zuerst die Kommentare des französischen Militärbeamten veröffentlicht wurden, die das Narrativ des "suizidalen Kopiloten" begründete, behauptete die New York Times, dass die zweite Black Box, die den Flugdatenschreiber enthält, gefunden worden sei, doch die Datenkarte mit den Informationen verschwunden sei. Noch aktueller: offizielle Quellen in Europa haben gesagt, der Flugdatenschreiber selbst "mag niemals gefunden werden können". Ich muss sagen, dass das für meinen Geschmack etwas zu bequem ist.
Trümmerteile Germanwings
Trümmerteile des Absturzes. Das Flugzeug ist praktisch in viele Einzelteile auseinander gebrochen.
Nach der ersten Veröffentlichung der wesentlichen Informationen des Voicerekorders über die "Stimmen" und das "Aussperren" aus dem Cockpit wurden weitere Details hinzugefügt und die Geschichte von der Mainstreampresse weiter ausgearbeitet. Einige Experten gingen so weit sich "vorzustellen" was die Piloten gedacht haben. Der Chefjournalist des englischen Telegraph Gordon Rayner zum Besipiel sinnierte:
Etwas veränderte sich als Flugkapitän Sonderheimer begann Lubitz über das Vorgehen zur Landung einzuweisen. Der 27-jährige Lubitz antwortete nun "kurz angebunden", aber verhängnisvoller Weise dachte sich Flugkapitän Sonderheimer nichts dabei.
Inmitten dieser Nabelschau ist den Augenzeugen nur wenig Medienaufmerksamkeit gegeben worden. Diese Augenzeugen hörten eine Explosion und sahen Rauch aus dem Flugzeug kommen kurz bevor es abstürzte. Ein Hubschrauberpilot der französischen Air Force aus Orange, der sich 30 Minuten von der Absturzstelle entfernt befand, sagte, die französische Air Force habe einige bekräftigende Zeugenaussagen zu diesem Zeitpunkt erhalten. Er bestätigte auch, dass flussaufwärts der Absturzstelle Trümmerteile gefunden wurden - was, wie er sagte, die Tatsache bestätige, dass ein Teil des Flugzeugrumpfs sich "vor dem Absturz vom Flugzeug gelöst" habe.

Doch die Gerüchteküche der Mainstreammedien war bereits im vollen Gange und innerhalb von vier Tagen wurde Kopilot Andreas Lubitz von einem enthusiastischen, kontaktfreudigen jungen Piloten ohne irgendein Zeichen von Depression und mit Träumen davon ein Langstrecken-Flugkapitän zu werden, ein tobender narzisstischer Depressiver mit Sehkraft-Problemen und einem gemeingefährlichen Todeswunsch, einschließlich "Beweisen" aus seinem Zuhause um dies zu untermauern.

Eins der Hauptbestandteile der Daten zur Begründung der Geschichte des "Selbstmord-Piloten" kommt von der angeblichen Blackbox-Aufnahme, in der, wie uns gesagt wird, Lubitz' Atem gehört werden kann. Diese Behauptung wurde von Gerard Arnoux, einem 18-jährigen Flugkapitän der Air France und Sprecher des nationalen Kontroll-Gremiums für Flugsicherheit direkt bestritten, und erschien zwei Tage nach dem Absturz im "Le Grande Journal". Arnoux sagte, dass es drei Fehler in der offiziellen Geschichte gebe:

1) Es nicht möglich, den Atem eines Piloten auf der Blackbox zu hören. Arnoux sagt aus, dass das Cockpit der ersten Generation der A320er sehr laut ist; und zwar so sehr, dass die Piloten während des Flugs Headsets benutzen müssen um miteinander zu sprechen. Die Vorstellung, dass die Blackbox mit so vielen Nebengeräuschen Lubitz' Atem aufzeichnen konnte, ist nicht möglich, so Arnoux.

2) Die offizielle Geschichte besagt, dass die Ermittler das "Piepen" des Knopfs hörten, den Lubitz benutzte um das Flugzeug herunterzubringen. Arnoux behauptet kategorisch, dass dieser Knopf kein Geräusch von sich gibt.

3) Arnoux wundert sich auch, warum die Ermittler nicht erwähnen, den lauten schrillen Piepton gehört zu haben, der von der Konsole der Cockpit-Tür kommt, wenn der Notfallzugangs-Code eingegeben wird um die Cockpit-Tür zu öffnen. Arnoux gesteht ein, dass der Notfall-Öffnungs-Code von jemandem im Cockpit außer Kraft gesetzt worden sein könnte, indem der Schließschalter manuell nach unten gedrückt wurde. Das hätte aber das Piepsignal durch das Eingeben des Codes von außen nicht verhindert. Dies wäre die eindeutigste Bestätigung gewesen, dass einer der Piloten ausgesperrt worden war. Und doch wurde nichts davon erwähnt. Stattdessen werden wir gebeten die Aussagen jener Eingeweihten der Blackbox zu akzeptieren, dass jemand "an die Tür hämmerte" und rief "Öffne die verdammte Tür". Und dazu noch mit all diesen Umgebungsgeräuschen im Cockpit. Sie müssen ein sehr gutes Gehör haben.


Es ist interessant die Antworten auf Arnoux' Kommentare von einem anderen Mitglied des Gremiums zu hören. Er sagt: "Warum also würde der Staatsanwalt falsche Informationen verbreiten? Verbergen sie etwas?" Die Antwort der anderen lautet, dass er einfach "falsch informiert" gewesen sein muss...

Hinsichtlich darauf wie diese "Untersuchung" gehandhabt wurde, zeigen sich Ähnlichkeiten zu dem Fall des Flugs 990 der Egypt Airline. Dieser Absturz war höchstwahrscheinlich das Resultat eines ungewöhnlichen Wetterereignisses, das sich als zuviel für die mechanischen Beschränkungen des Flugzeugs herausstellte, doch aus der Sicht von Boeing ist ein "Selbstmord-Pilot" eine finanziell viel verlockendere Erklärung. Also nahmen sie diese Erklärung auch her und veranlassten eine strafrechtliche Ermittlung, sehr zum Ärger der ägyptischen Behörden.

In meinem Herzen bin ich bei all den Familien der Opfer dieses Absturzes, und ganz besonders fühle ich mit der Familie von Andreas Lubitz mit. Nicht nur, dass sie einen Sohn und Bruder verloren haben; darüber hinaus werden ihre Erinnerungen an ihn für immer durch den Rufmord befleckt sein, der in den Mainstreammedien gerade im Gange ist, die immer einer dramatischen Geschichte im Hollywood-Stil den Vorzug geben, anstatt einer nüchternen und ehrlichen Untersuchung.