Mit großem Staunen konnte die deutsche Öffentlichkeit den kometenhaften Aufstieg und anschließenden tiefen Fall von Thomas »Big T« Middelhoff verfolgen. Die Begeisterung für das einstige »Wunderkind der deutschen Wirtschaft« schlug in Häme und Verachtung um - für die da oben. Dabei ist der Fall möglicherweise mehr als ein Symptom der deutschen Neidgesellschaft. Begünstigt unser System einen bestimmten Menschentypus?

Bild
In unserer Gesellschaft herrscht ein starkes Unbehagen hinsichtlich des Verhaltens von Managern und in Bezug auf die kurzsichtige Einseitigkeit der praktizierten Krisen- und Unternehmensstrategien. Konzernlenker wie Ron Sommer, Klaus Esser, Dirk Jens Nonnenmacher, Josef Ackermann, Gerhard Cromme, Thomas Middelhoff und andere legen ein Verhalten an den Tag, das sich zwar mit dem Deckmantel der Systemkonformität umgibt, dessen eigentliche Triebfeder aber hemmungslose Gier zu sein scheint.

Der Mangel an Empathie für die vom eigenen Handeln Betroffenen, trägt dabei oft psychopathische Züge. Nach außen können diese Menschen sympathisch, charmant und charismatisch wirken. Der Kern ihres Wesens ist aber, dass sie sich rücksichtslos den Platz an der Spitze der Nahrungskette erkämpfen und sichern.

Um in derart schwindelerregende Höhen der Selbstverliebtheit zu gelangen, braucht man Unterstützung. Da helfen neben dem äußerlich gewinnenden Wesen beispielsweise auch die während des Studiums geknüpften Seilschaften. Die eigentlichen Ursachen dieser maßlosen Selbstüberschätzung und eines Charakters mit psychopathischen Grundzügen reichen aber viel weiter zurück - bis in die früheste Kindheit.

Big Business, Staat oder Mafia

Ein weiterer Wesenszug besteht darin, dass die so gelagerten Persönlichkeiten keinerlei Schwierigkeiten mit schnellem Wandel haben. Im Gegenteil: Sie blühen dabei geradezu auf. In der Politik - ein Feld, das Psychopathen ebenso anzieht wie das höhere Management - prägte sich für die besonders geschmeidigen Exemplare beim Untergang der DDR der Begriff des »Wendehalses«. Einige Wendehälse haben es bekanntlich in der Bundesrepublik bis in die höchsten Ämter des Staates geschafft.

Auch Unternehmen in Umbruchsituationen bieten den notwendigen Stimulus für den psychopatischen Erlebnishunger. Zudem gewähren chaotische Zustände eine geradezu ideale Tarnung für Manipulation und missbräuchliches Verhalten.

Eine Kombination aus geringer Risikoaversion, praktisch nicht vorhandenen Schuldgefühlen und damit auch fehlender Reue - nach Professor Joseph Newman von der University of Wisconsin die zentralen Säulen der Psychopathie - kann je nach Umstand zu einer erfolgreichen Karriere im Business oder aber im kriminellen Milieu führen.

Der Psychopath als Manager

Es gibt ein tiefes und berechtigtes Misstrauen gegen diese Art der Elitenbildung mit ihren Verpflichtungsstrukturen, in denen sich die Mächtigen, ihre Familien und Günstlinge auf Kosten des außenstehenden Rests bereichern und ihren Einfluss unkontrolliert festigen. Die oft makellose Tarnung verdeckt die bisweilen psychopathischen Züge des Managertums. Mit Akribie hat Prof. Dr. Kevin Dutton von der Oxford University die Grundzüge des psychopatischen Momentums herausgearbeitet.


Kommentar: Kevin Duttons "Arbeit" verschleiert und beschönigt die Psychopathie:

Männer wie Thomas Middelhoff empfinden kein (Mit-)Leid, außer vielleicht mit sich selbst. Sobald sie sich auf die Aufgabe konzentrieren, etwa ein Unternehmen zu »retten« - was zugleich unmittelbar Belohnung ist - , können sie alles »Irrelevante« ausblenden. Middelhoff hat mit seinen kostspieligen Flügen im Hubschrauber oder Learjet einen solchen Tunnelblick entwickelt. Nebenbeibemerkt, bestätigt er auch das seit den 1960er-Jahren bekannte »Peter Prinzip« - benannt nach Lawrence J. Peter - , welches besagt, dass Menschen in Hierarchien dazu neigen, bis zu ihrer Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.

Dazu gehört natürlich auch, dass die eigene Unfähigkeit nicht erkannt wird. Vielmehr ist dann häufig eine Selbstüberschätzung zu beobachten, die das ganze Räderwerk der Beiräte, Aufsichtsräte, Berater und Anwälte, vor allem aber auch der vielen namenlosen Zuarbeiter verkennt. Wenn sich die Netzwerke der Skrupellosen und Machteliten zusammenfinden, geht das für den Rest der Bevölkerung selten gut aus. Korruption und Machtmissbrauch sind an der Tagesordnung.

Macht und Attraktivität

Mit den genannten Persönlichkeitsmerkmalen - stratosphärisches Selbstwertgefühl bzw. ausgeprägter Narzissmus, Erlebnishunger, Furcht- und Skrupellosigkeit sowie einer machiavellistischen Weltsicht - kommt man in der Politik und der Welt der (Groß-)Konzerne bestens zurecht. Die Branche, das Unternehmen und die Verantwortung für die Mitarbeiter und deren Familien interessieren nicht.


Kommentar: Psychopathen kennen Furcht nicht wirklich. Psychopathen scheinen sich nur vor noch gerisseneren Psychopathen zu fürchten die höher an der Nahrungspyramide stehen.


Selbst wenn das Unternehmen zugrunde geht, werden die eigenen, knallharten Verträge noch eingeklagt. Im Gegensatz zu Eigentümerunternehmen, in denen tendenziell langfristig, oft über Generationen gedacht, geplant und gearbeitet wird, ziehen managergeführte Unternehmen derart antisoziale Persönlichkeiten regelrecht an.


Ihre Emotions- und Skrupellosigkeit erleichtert zudem deren Aufstieg an die Spitze der jeweiligen Organisation. Dabei soll ihnen die stark ausgeprägte Fähigkeit zu rationalem Denken und Handeln keineswegs abgesprochen werden. Im Gegenteil, dies sind wesentliche Fähigkeiten, die es ihnen erlauben, in einer scheinbar rationalen Umgebung ihren Narzissmus rücksichtslos auszuleben.

Was lieben solche Menschen eigentlich an sich selbst? Ihre Fähigkeit, ein Ziel nicht nur ins Auge zu fassen, sondern es auch zu erreichen? Diese Selbstverliebtheit (»Selbstsicherheit«) strahlt aus und macht diese Menschen paradoxerweise auch für mögliche Partner »attraktiv« - obwohl ein echter Psychopath doch im Wesentlichen nur sich selbst liebt. Das private, aber auch berufliche Umfeld des Psychopathen wird benutzt, und erhält dafür eine Art Anschluss an die Potenz des strahlenden Strategen.


Bestimmender Einfluss

Neben der Gier ist auch die Rechthaberei charakteristisch für diesen Menschenschlag. Ob solche Manager aus freien Stücken gierig und rechthaberisch sind, ,beschäftigt inzwischen schon Neurobiologen und Hirnforscher.

Interessant ist also die Frage, ob die Häufung dieses Verhaltens unter Managern ihre Ursachen in den Gehirnen selbst haben könnten. Zweifellos gibt es in den Führungsetagen der Geschäftswelt einen größeren Anteil an Psychopathen als im Bevölkerungsdurchschnitt.

Die eigentliche Tragik besteht allerdings darin, dass diese Personen damit einen weit überproportionalen Einfluss auf die Entwicklung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ausüben. Das konnte man nicht zuletzt in der Finanzkrise überdeutlich sehen. Selbst wenn sie scheitern oder das System insgesamt zu Fall bringen, werden genau diese risikobereiten, erlebnishungrigen Narzissten wieder die Ersten sein, die sich aus den Trümmern erheben.