Arzt, Doktor, Medizin
Mit diesem Beitrag mache ich mir sicher keine Freunde. Vielleicht schiebe ich mal eine kleine Analogie aus dem Sport vorneweg, denn ich bin ja auch noch als Trainer „engagiert“ (siehe: Der-Fitnessberater.de). Also: wenn Menschen, die etwas besonders gut können (Experten also), den allgemeinen Maßstab für ihre spezielle Fähigkeit abliefern und Vorbildfunktion haben sollten, was erwartet man dann von solchen „Experten“?

Klar: Von einem Fahrlehrer, dass er gut Auto fahren kann. Von einem Sprachlehrer, dass er vielleicht die Sprache, die er lehrt, von Kindesbeinen an beherrscht. Und von einem Sportlehrer, dass er die Übung beherrscht, die er anderen „beibringen“ will...

Nicht umsonst werden deshalb auch „Koryphäen“ aus dem öffentlichen Leben in der Werbung vor die Kamera gezerrt, damit sie als Meinungsbildner in ihren Metier noch glaubwürdiger die Qualität des jeweiligen Produkts unterstreichen.

Jetzt zu den Ärzten. Diese sollten Experten und Vorbild in Sachen „Gesundheit“ sein. In der Werbung dürfen diese nur deswegen nicht auftreten, weil es ein gesetzliches Verbot dazu gibt. Aber das sollte Ärzte doch nicht daran hindern, selbst die gesündesten Zeitgenossen zu sein, oder etwa nicht?

Der Test

Wenn man sich „googelnd“ auf die Suche nach den Begriffen „Arzt“ und „Sucht“, „Suizid“ und „Übergewicht“ macht, dann wird man reich belohnt. Denn es gibt zig Tausende von Beiträgen, die die heroische Bekämpfung dieser Übel durch die werte Ärzteschaft belegen und thematisieren. Wenn man aber weniger an der evidenzbasierten Überlegenheit der Schulmedizin über diese Übel interessiert ist, sondern an der Frage, gibt es auch Fälle, wo überlegene Schulmediziner süchtig, suizidal und/oder adipös sind, dann schrumpft die Menge an Beiträgen blitzartig auf Körnchengröße zusammen. Dafür hat das Bisschen, was übrig geblieben ist, einiges an Explosivität zu bieten.

Übergewichtige Ärzte: „Mein dicker Doktor“

Eine Ausgabe des Focus vom Juni 2004 bringt einen „schönen“ kurzen Beitrag zu diesem für die Schulmedizin unerfreulichen Thema: „Dicke Diät-Ärzte“. Denn, so berichtet der Focus, es trafen sich auf einem amerikanischen Kongress rund 420 Ärzte der American Medical Association (AMA). Als „Nebenschauplatz“ wurden die Teilnehmer gewogen. Und das Ergebnis zeigte, dass nur ein Drittel der 420 Doktoren normalgewichtig war. Fast 20 Prozent = über 80 Ärzte waren sogar adipös, was sie auf jeden Fall zu behandlungsbedürftigen Patienten machen würde, wenn man die schulmedizinischen Kriterien zugrunde legt.

Aber es gab sofort die Absolution für die dicken Ärzte vom Veranstalter des AMA-Kongresses: Ärzte müssen dick sein, da sie zu viel für unser Wohl arbeiten müssen, sich aufopfern sozusagen, und da kommt die immer wieder den Patienten gepredigte körperliche Betätigung selbst zu kurz. Was davon zu halten ist, das kann man am Beispiel „Essen“ sehen:
„Immerhin hätten sie schon mit einigen Aktionen unter Ärzten für gesünderes Essen geworben. Während der Kongresspause war davon allerdings noch nichts zu sehen. Es gab ausschließlich Dickmacher wie Weißbrot, Würstchen, Eier und Frühstücksspeck. Obst und Gemüse dienten nur zur Dekoration.“
Hier kommt der Verdacht auf, dass die Ärzte uns aufopferungsvoll all das ungesunde Essen wegfressen, damit wir nur noch gesundes Obst und Gemüse essen und gesund werden. Und wenn ich mir ansehe, was in manchen Krankenhäusern an „Essen“ serviert wird, dann bekommt das Wort „Krankenhaus“ eine ganz neue Bedeutung...


Eine weniger blauäugige Interpretation solcher Beobachtungen geht davon aus, dass Ärzte aus verschiedenen Gründen noch ungesünder leben als ihre Patienten, sei es aus Unkenntnis, dem Irrglauben, dass schulmedizinisches Wissen vor Krankheiten schützt oder aus Bequemlichkeit wie bei einer Reihe von Leuten. Aber da stehen die Zahlen von zwei Dritteln der Ärzte mit Übergewicht beziehungsweise Fettleibigkeit in der Welt, die noch weit über dem Durchschnitt der „Normalbevölkerung“ liegt. Man könnte hier argumentieren, dass 420 Teilnehmer keine repräsentative Menge darstellt. Das wage ich aber zu bezweifeln. Denn in der schulmedizinischen Wissenschaft manche Arbeiten schon als „wissenschaftlich“, wenn diese mit nur 7 oder 14 Teilnehmern durchgeführt wurden.

Um sicherzugehen, dass ich mich mit diesen Zahlen nicht verrenne, habe ich weiter gesucht und wieder fast nichts gefunden. Unter „Vorbehalte gegen übergewichtige Ärzte“ von „SpringerMedizin.at“ wird von einer Studie aus Wales berichtet, bei der 39 Prozent der Doktoren und 29 Prozent der Doktorinnen übergewichtig waren. Diese Zahlen sind schon deutlich niedriger als die zuvor Genannten, sind aber für mich ein Beleg (oder sollte ich besser sagen „Beweis“), dass die Damen und Herren Schulmediziner evidenzbasiert gesundheitlich ebenso schlecht oder schlechter abschneiden wie die Leute, die sie behandeln?

Da fragt man sich, wie es angehen kann, einen Arzt zu konsultieren, der die gleichen Fehler in Sachen Gesundheit, gesunder Lebensführung etc. zu machen scheint wie seine Patienten? Oder kann jemand, der sich gesundheitlich so in Bedrängnis bringt, überhaupt Patienten behandeln, wenn er sich nicht einmal selbst behandeln kann? Die Frage die sich dann stellt ist doch: Wie weit kann ich solchen Ärzten glauben?

Fitforfun“ gibt dazu Auskunft. Der Artikelschreiber erwähnt dort eine Studie aus der John Hopkins Bloomberg School of Public Health. Diese Studie untersuchte den Einfluss des Body-Mass-Indexes des behandelnden Arztes auf seine Untersuchungspraxis von übergewichtigen Patienten. Das Ergebnis: Angeblich scheinen dicke Ärzte sich zu scheuen, ihre dicken Patienten auf Diät zu setzen.

Onmeda.de erwähnt ebenfalls diese Studie, kommt aber zu ganz anderen Ergebnissen. Denn die Spezialisten von Onmeda wollen gesehen haben, dass „dicke Patienten den Diät-Tipps von übergewichtigen Ärzten“ mehr vertrauen als denen von normalgewichtigen Medizinern. Oder mit anderen Worten: Je dicker ein Arzt ist, umso glaubwürdiger ist er bei seinen dicken Patienten. Dann aber kommt der große Schwenk in der Geschichte. Denn ein paar Zeilen weiter im Artikel haben die dicken Patienten dann doch plötzlich „ein ungutes Gefühl, wenn ihr Arzt zu dick ist“.

Es wäre auch zu schön gewesen, wenn Dicksein bei Dicken das Vertrauen uneingeschränkt fördern würde. Denn dann wäre das Ergebnis der Studie gewesen, dass man zum Beispiel als Krebspatient sich nur noch von krebskranken Ärzten behandeln lassen sollte. Und wenn man vom Art gesagt bekommt, dass man an Diabetes erkrankt ist, dann muss man sofort den Arzt zurückfragen, ob er auch Diabetes hat oder er einen Arzt kennt, der an der Krankheit ebenfalls leidet.

Das eben erwähnte „SpringerMedizin.at“ kann auch einen Beitrag zu dieser Frage machen. Die Webseite zitiert eine Studie aus Georgia, USA, bei der Patientinnen schlanken beziehungsweise normalgewichtigen Hausärzten ein größeres Vertrauen aussprachen als übergewichtigen. Begründet wird das verminderte Vertrauen übergewichtigen Ärzten gegenüber mit der Vorbildfunktion, die ein Arzt in gesundheitlichen Fragen haben sollte.


Kommen wir zum nächsten unangenehmen Thema:

Süchtige und medikamentenabhängige Ärzte

Was wir eben beim Übergewicht gesehen haben, scheint für das Suchtverhalten von Ärzten ebenfalls zuzutreffen. Die Zeit weiß zu berichten, dass Mediziner häufiger Drogen nehmen als andere Berufsgruppen. Sie sind durchschnittlich doppelt so häufig medikamentenabhängig wie die Normalbevölkerung. Grund dafür sind zu hohe Arbeitsbelastung, ein relativ unproblematischer Zugang zu Medikamenten und Drogen und eine „berufsbedingte“ Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, mit einer aufkeimenden Sucht umzugehen. Und weil es so schön ist, trinkt man zur Belohnung nach einem arbeitsreichen, stressgeplagten Tag oder man sieht es als gute Ablenkung an, wenn der Tag nicht so gut gelaufen ist (Trinken zur Belohnung, Trinken zur Ablenkung - Süddeutsche Zeitung).

Die ÄrzteZeitung spricht von 7000 bundesweit süchtigen Ärzten, Stand September 2008. Bei der Widersprüchlichkeit der angegebenen Zahlen, wie eingangs bei der Schätzung der Anzahl von übergewichtigen Ärzten gesehen, würde es mich nicht wundern, wenn diese Zahl eher die Spitze des berühmten Eisberges darstellt.

Es ist selbstverständlich, dass die Gründe für eine latent höhere Suchtbereitschaft der Ärzte von offizieller Seite heruntergespielt wird. Das Ärzteblatt beschreibt und lobt die Möglichkeiten, die es für alkoholsüchtige Ärzte gibt, sich von ihrem Übel zu befreien. Es werden klitzekleine Zahlen genannt, wie „jedes Jahr sechs Ärzte“ in Hamburg, die sich in ein Entzugsprogramm begeben. Dafür sind die Heilungsraten mit 75 Prozent geradezu bombastisch. Und dann gibt es noch weitere 15 Prozent, die ein oder ein paar Mal rückfällig werden und es dann doch noch schaffen.

Wenn ich mich recht erinnern kann, dann sind die Rückfallquoten bei Alkoholikern mit 70 bis 90 Prozent die Realität bei den normal Sterblichen, ganz evidenzbasiert. Warum also sind die Rückfallquoten bei den Ärzten so gering? Würden die richtigen Zahlen mit den richtigen Rückfallquoten an der Vorbildfunktion der Ärzte rütteln und aus den Fugen heben? Und wenn die Rückfallquoten wirklich so gering sind, warum werden die Betroffenen dann überhaupt süchtig? Denn auch nach erfolgreicher Rehabilitation und Entzug sind die Auslöser und Ursachen für das Süchtig-werden nicht verschwunden.

Und als ob das noch nicht genug ist, kommt eine weitere „Schreckenszahl“ dazu:

Selbstmordrate unter Ärzten

Der Thieme Verlag (Suizidalität bei Medizinerinnen und Medizinern) hat sich dieses heiklen Themas angenommen. Hier erfahren wir, dass Mediziner ein 4- bis 7-fach höheres Selbstmordrisiko haben als ihre Patienten. Depressionen, Burnout, Überbelastung, daraus resultierende Medikamentenabhängigkeit und Alkoholabhängigkeit und so weiter werden als Ursache genannt. Da man als Arzt aber therapieren und nicht selbst therapiert werden will, versuchen die meisten eine Selbsttherapie, die so gut wie nie funktioniert. Ein sich „Outen“ bei anderen Ärzten birgt immer die Gefahr, dass das eigene Problem publik wird und die entsprechenden Behörden informiert werden. Die Konsequenz wäre dann der Entzug der Approbation, was den Problemberg nur noch vergrößern würde. Am Ende steht dann nur noch die Verzweiflung, weil auch die Selbsttherapie versagt und die Situation als ausweglos erscheint.

Der „praktischArzt“ spricht von 100 bis 200 Ärzten pro Jahr, die Selbstmord begehen. Und die Dunkelziffer soll bedeutend höher liegen. Hier erfahren wir auch, dass „mehr als 10 Prozent aller Ärzte mindestens einmal in ihrem Leben Alkohol- oder Medikamentenabhängig werden“. Im vorherigen Kapitel gab es die Zahl von 7000 süchtigen Ärzten in Deutschland. Bei 10 Prozent ergäbe das eine Ärztedichte von 70.000 Medizinern in Deutschland. Hat Deutschland wirklich so wenig Ärzte?

Fazit

Das Fazit ist erschreckend! Mehr dicke Ärzte als der Bevölkerungsdurchschnitt, mehr abhängige Ärzte als der Bevölkerungsdurchschnitt und eine höhere Selbstmordrate - wie kann es sein, dass Vorbilder so wenig vorbildlich abschneiden und dennoch besser wissen wollen, was gesundheitlich für uns Patienten gut ist?

Da scheint es nicht weiter verwunderlich zu sein, dass man es sich in der Schulmedizin leicht zu machen scheint und mit abenteuerlichen Studien die abenteuerlichsten Beweise für die eigene Selbstherrlichkeit in Sachen Therapie von Erkrankungen aus dem Hut zaubert.

Oder wird umgekehrt ein Schuh draus? Das, was an schulmedizinischen Studien und Therapievorschriften produziert wird, ist in der Tat ein Grund depressiv zu werden. Denn wer mit untauglichen Mitteln Tag für Tag Unmögliches leisten muss, der wird scheitern. Da kann man schon mal verzweifeln, besonders wenn man das eigene Scheitern nicht zugeben darf.

Natürlich gibt es noch weitere Gründe, warum dies so sein könnte. Ich möchte meine Heilpraktiker-Kollegen auch nicht von diesen Dingen ausnehmen - allerdings sind da (leider) keine Zahlen zu finden. Vielleicht kann mein Beitrag dazu dienen, das Thema nicht weiter unter den Teppich zu kehren, sondern sich damit auseinanderzusetzen. Schließlich sind wir alle nur „Menschen“...