Bei zwei schweren Explosionen im Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara sind nach Angaben des Innenministeriums 86 Menschen getötet worden. 186 weitere wurden verletzt. Die Zahl der Opfer könne womöglich noch höher liegen.

Explosion Ankara Oktober 2015
© dpa / AA / Muammer Tan
Die türkische Regierung geht von einem Terrorakt aus. Es gibt erste Gerüchte über zwei Selbstmordanschläge. Die Explosionen ereigneten sich gegen 10 Uhr Ortszeit (etwa 9 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit) innerhalb weniger Minuten.

Dieses Youtube-Video zeigt den Moment einer der beiden Explosionen:


Erdogan-Gegner wollten für Frieden mit Kurden demonstrieren

Genau zu diesem Zeitpunkt sollte eine Friedenskundgebung von Erdogan-Gegnern beginnen. Dabei wollten Gewerkschaften und linke Organisationen gegen den Konflikt zwischen Regierungstruppen und Kurden im Südosten der Türkei protestieren. Zu den Veranstaltern zählte auch die Kurdenpartei HDP.

Die Attacken erinnern an das Massaker von Suruc Ende Juli: Auch damals traf ein Anschlag eine Friedensdemonstration von Erdogan-Gegnern - auch damals waren die Opfer Kurden und linke Türken. 34 Menschen starben. Der Regierung war anschießend vorgeworfen worden, die Aufklärung des Verbrechens eher zu behindern.

"Diejenigen, die den Frieden wollen, werden ermordet"

Der Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, sprach von einem "barbarischen Angriff". Demirtas sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA, es habe sich um ein "großes Massaker" gehandelt. Auf Twitter teilte er mit: "Diejenigen, die Frieden wollen, werden ermordet."

Auf Bildern war zu sehen, wie Opfer mit Friedensfahnen bedeckt wurden. Verletzte wurden darin weggetragen.

Der Anschlag fand drei Wochen vor der Parlamentswahl und in einem ohnehin aufgeheizten Klima statt. Nach dem Scheitern eines zweijährigen Waffenstillstandes zwischen der Regierung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Juli eskaliert im Südosten der Türkei die Gewalt. Dagegen wollten die Kundgebungsteilnehmer demonstrieren.

Anadolu berichtete, Präsident Recep Tayyip Erdogan sei mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und anderen Kabinettsmitgliedern zu einem Krisentreffen zusammengekommen. Davutoglu kündigte an, den Wahlkampf für drei Tage auszusetzen.

Erdogan auf der Jagd nach der verlorenen absoluten Mehrheit

Bei der Parlamentswahl am 7. Juni war es der HDP als erster pro-kurdischer Partei jemals gelungen, ins Parlament in Ankara einzuziehen. Dadurch verfehlte die AKP die absolute Mehrheit. Nachdem Koalitionsgespräche scheiterten, rief Erdogan für den 1. November Neuwahlen aus.

Die Opposition warf Erdogan vor, mit diesen Wahlen eine ausreichende AKP-Mehrheit für ein Verfassungsreferendum erzielen zu wollen. Erdogan will die Verfassung ändern, um ein Präsidialsystem mit sich selber an der Spitze einführen zu können.

PKK ruft zum Stopp aller Angriffe in der Türkei auf

Medienberichten zufolge wollte die PKK vor der Wahl eine erneute einseitige Waffenruhe ausrufen. Die Regierung kündigte daraufhin an, die Militäreinsätze gegen die PKK würden fortgesetzt.

Doch die PKK hält daran fest: Nur Stunden nach dem Anschlag rief sie ihre Kämpfer zum Stopp aller Angriffe in der Türkei auf. Die Kämpfer sollten alles vermeiden, was eine "faire und gerechte Wahl" am 1. November verhindern würde.

Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier bezeichnete den Anschlag als Angriff auf die Demokratie in der Türkei. "Dieser brutale Terroranschlag auf friedliche Demonstranten ist zugleich auch ein Angriff auf den demokratischen Prozess in der Türkei, den ich auf das Schärfste verurteile. Den Tätern geht es offensichtlich darum, im Vorfeld der Wahlen ein Klima der Angst und Einschüchterung zu verbreiten und Hass und Zwietracht zu schüren. Das darf nicht gelingen", so Steinmeier.

Hier sind die Momente nach der Explosion zu sehen:
Explosion Ankara Oktober 2015
© ReutersLeute tragen einen verletzten Mann nach einer Explosion bei einem Friedensmarsch in Ankara
Bombenanschlag auf HDP-Friedensdemo
© CansuBombenanschlag auf HDP-Friedensdemo
Bombenanschlag auf HDP-Friedensdemo
© Cansu
Explosion Ankara Oktober 2015
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t-online.de, dpa, Reuters