Der General-Direktor von Ärzte ohne Grenzen (MSF), Christopher Stokes, hat gegenüber Journalisten betont, dass er nach dem aktuellen Stand davon ausgeht, dass der Angriff auf das Krankenhaus in Kundus absichtlich erfolgte. Dafür sprächen das Ausmaß und die Präzision der Angriffe. Wenn dies zutrifft, handelt es sich nach Völkerrechtsdefinition um ein explizites Kriegsverbrechen der USA.
zerstörtes Krankenhaus in Kundus
© MSFUS-Angriff: Die Schäden im Krankenhaus in Kundus
„Das Krankenhaus wurde wiederholt an der Eingangsseite sowie am Hinterausgang bombardiert und weitestgehend zerstört, obwohl wir die genauen Koordinaten an alle Konfliktparteien gegeben hatten. Das Ausmaß und die Präzision der Zerstörung des Krankenhauses deuten nicht auf einen Fehler hin.“
So Christopher Stokes, der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen, gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Zudem führte er aus, dass der Angriff trotz verzweifelte Anrufe von MSF an die verantwortlichen NATO- und US-Militärstabsstellen über eine Stunde anhielt. Stokes forderte angesichts dieser Ungereimtheiten, „eine umfassende und unabhängige Untersuchung, denn alle bisherigen Hinweise deuten auf ein gravierenden Bruch des internationalen Völkerrechts und damit auf ein Kriegsverbrechen.“


Kommentar: Wieviele solcher gravierenden Kriegsverbrechen seitens der US-Regierung braucht es noch, bis die Welt die Augen öffnet?


Satellitenbild Krankenhaus Kundus
Weit und breit kein anderes Ziel – Satellitenaufnahme des Krankenhauses vor dem US-Angriff
Der einstündige Angriff durch das auch „Kanonenboot“ genannte US-Kampfflugzeug Lockheed AC-130 auf das MSF-Krankenhaus in Kundus hatte am 3. Oktober über 22 Personen getötet, davon 12 Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen und zehn Patienten.

Nach dem Angriff hatte sich US-Präsident Barack Obama persönlich für den “versehentlichen Angriff” entschuldigt. Auffällig war wie der offizielle US-Diskurs zu den Verantwortlichkeiten für den Angriff innerhalb weniger Tage vier verschiedene Versionen wiedergab.


Kommentar: Auch das - die sogenannten "Versionen der Wahrheit, die es objektiv natürlich nicht gibt - ist seitens der US-Regierung sehr typisch. Sie müssen die Menschen schon für sehr zurückgeblieben halten, dieses Verhalten nicht zu durchschauen.


Zunächst hieß es „wir wissen nicht genau, was vorgefallen ist“, über das Eingeständnis, dass US-Spezialeinheiten die Luftunterstützung für Kundus anforderten bis zur Behauptung, dass die afghanische Regierung die alleinige Verantwortung für die Zerstörung des Krankenhauses tragen würde.

Schlussendlich hatte John Campbell, Oberbefehlshaber der US-NATO-Mission in Afghanistan dargelegt, dass der Luftschlag von afghanischer Regierungsseite angefragt worden war, dass aber in der Endkonsequenz die Luftunterstützung von „US-Kräften“ eingefordert und koordiniert worden war.

Die Vorsitzende von MSF, Joanne Liu, hat die Einberufung einer „Humanitären Untersuchungskommission“ gefordert. Ein solches Instrument ist Teil der Genfer-Konvention und dient der Untersuchung von militärischen Angriffen auf zivile Ziele. MSF hat bereits Briefe an alle 76 Staaten geschickt, die seit 1991 das entsprechende Protokoll für die Einsetzung einer solchen Kommission ratifiziert haben.

Allerdings haben weder Afghanistan noch die USA dieses Zusatzprotokoll zu den Genfer-Konventionen bisher unterzeichnet.


Kommentar: Nicht überraschend. Diese Tatsache an sich zeigt die Grundeinstellung gegenüber Menschenrechten bereits sehr deutlich.


Angesichts dieser Umstände haben sich die Ärzte ohne Grenze dazu entschieden eine Petition ins Leben zu rufen, die eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls zum Ziel hat.

Zudem wurde kürzlich bekannt, dass US-amerikanische Analysten für “Spezialoperation” wenige Tage vor dem Angriff das Krankenhaus in Kundus eingehend untersucht haben, da sie glaubten, dass ein pakistanischer Agent von dort aus militärische Aktivitäten der Taliban koordinierte.


Kommentar: Wie zweckdienlich, dass das kürzlich bekannt wurde. Lässt sich nur sagen: Wer's glaubt...

MSF verneint diese Vorwürfe vehement. Geschäftsführer Stokes betonte gegenüber Pressevertretern, dass sich nach Informationen seiner Organisation zum Zeitpunkt des US-Bombardements keine bewaffneten Taliban auf dem Grundstück des Krankenhauses befanden.:
„Was wir von unseren Mitarbeitern und Wachpersonal wissen, gab es eine sehr strenge und gute Kontrolle über das was sich auf dem Grundstück des Krankenhauses abspielte. Und in den Stunden vor dem Luftangriff auf unsere Krankenhaus gab es auch keine Berichte über Kämpfe in Nähe.“