Die Eiszeit zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation scheint sich zunehmend ihrem Ende zu zu neigen. In einem Brief an Russlands Präsident Wladimir Putin äußerte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seinen Wunsch, die EU künftig stärker an die Eurasische Wirtschaftsunion zu binden. Der Kreml bestätigte den Eingang des Schreibens.


Bild
© Zinneke / Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 UnportedSucht die Annährung zu Russland: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Die Eurasische Wirtschaftsunion, bestehend aus Russland, Armenien, Kasachstan, Kirgistan und Weißrussland, wird offenbar zunehmend interessant für die EU-Vertreter in Brüssel. Schon im Oktober dieses Jahres, plädierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für bessere Beziehungen zu Russland und legte damit eine 180-Grad-Wende im Vergleich zum Vorjahr hin, als der Luxemburger mit Blick auf die vermeintliche "russische Gefahr" noch den Aufbau einer EU-Armee forderte.

Für Russland hingegen ist der Wunsch nach kooperativer Partnerschaft mit dem Westen alles andere als neu. Während der gesamten Präsidentschaft Putins bot dieser immer wieder freundschaftliche Beziehungen zwischen Ost und West an. Dem im Weg standen jedoch meist die USA, deren Politik der Spaltung zwischen Europa und Russland im Zuge der Ukraine-Krise ihren Höhepunkt erreichte.


Nun scheint dies aber sogar den EU-Eliten sauer aufzustoßen. Zu groß sind langfristig die Nachteile der von den Vereinigten Staaten aufgezwungenen Russland-Sanktionen für die eigene Wirtschaft, zu ungemütlich ist ein ständiges Klima des Konfliktes mit seinem direkten Nachbarn, zu laut wird auch der Protest der europäischen Bevölkerungen gegen den "neuen Kalten Krieg".

In besagtem Brief an Putin schlägt Juncker nun engere Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und der Eurasischen Union vor. Auch habe er bereits die EU-Kommission um die Erarbeitung von "Optionen" der Zusammenarbeit gebeten. Die Umsetzung dieser möglichen Kooperation bindet Juncker jedoch an die weitere Umsetzung des Minsk II-Abkommens, mit dem der Konflikt in der Ostukraine endgültig beigelegt werden soll. Auch Russland betont immer wieder, dass die Umsetzung dieses Abkommens in seinem Interesse liegt.


Laut der russischen Nachrichtenagentur Sputnik bestätigte der Kreml bereits den Eingang von Junckers Schreiben. Es gehöre jedoch nicht zu den diplomatischen Gepflogenheiten, Briefe dieser Art zu veröffentlichen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte gegenüber der Moskauer Presse:
„Normalerweise sehen wir davon ab, solche Dokumente publik zu machen. Die Idee eines Dialogs zwischen der EU und der EAEU ist nicht neu. Wir hatten diese Idee bereits früher unterbreitet, weil ein solcher Dialog für den Aufbau unserer Beziehungen in Handel und Wirtschaft nötig ist."
Schon zuvor sprach sich, neben Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, auch Frankreich für ein Ende der Russland-Sanktionen aus. Der französische Außenminister Laurent Fabius lobte die Rolle Russlands in Syrien und bezeichnete Russlands Kampf gegen den IS als „aufrichtig“.


Nachdem mit dem Anschlag auf eine russische Passagiermaschine über der ägyptischen Halbinsel Sinai und mit den Attentaten von Paris am vergangenen Freitag beide Staaten erneut die Gefahr des islamistischen Terrors spüren mussten, kooperieren Frankreich und Russland im Kampf gegen den selbsternannten "Islamischen Staat". Am kommenden Donnerstag will Frankreichs Präsident Francois Hollande Wladimir Putin besuchen.


Für die europäischen Staaten und Russland wäre eine Beendigung der Eiszeit gleichermaßen von Vorteil. Den USA wird eine Annäherung der Nachbarn nicht gefallen. Aber vielleicht ist es an der Zeit, sich die Politik auf dem europäischen Kontinent nicht mehr aus Washington diktieren zu lassen.