Die Schornsteinwespe wird gleich von drei schmarotzenden Wespen heimgesucht, die sich dennoch nicht in die Quere kommen
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© oliver niehuis, zfmk bonnGleich drei parasitische Goldwespenarten haben es auf die Nahrungsvorräte in den Nestern der Gemeinen Schornsteinwespe (links) abgesehen.
Würzburg - Einige Wespenarten haben eine perfide Kuckucks-Strategie entwickelt, um für das Gedeihen ihrer Nachkommen zu sorgen: Sie schleichen sich in fremde Wespennester ein, zerstören die dortige Brut und legen dann ihre eigenen Eier ab. Nach dem Schlüpfen leben ihre Larven von den vorhandenen Nahrungsvorräten. Man sollte eigentlich annehmen, dass die unfreiwilligen Gastgeber die Eindringlinge anhand ihrer Kohlenwasserstoff-Duftspur bemerken: Tatsächlich aber imitieren die Schmarotzerwespen den Körpergeruch ihrer Wirte und machen sich dadurch gleichsam unsichtbar.

Deutsche Biologen berichten nun im Fachblatt Proceedings of the Royal Society über faszinierende Details zu einem Spezialfall dieser parasitischen Beziehung: Die in Mitteleuropa heimische Gemeine Schornsteinwespe (Odynerus spinipes), sie lebt einzeln und baut ihre Nester im Erdboden, dient gleich drei Arten von Goldwespen als Wirt. Das ist ungewöhnlich, denn in den parasitischen Beziehungen der Goldwespen kommt sonst auf einen Wirt in der Regel genau ein Schmarotzer.

Drei erfolgreiche Parasiten

Wie das Dreier-System funktionieren kann, ohne dass die Schmarotzer einander in die Quere kommen, hat Thomas Schmitt vom Biozentrum der Universität Würzburg und seine Kollegen untersucht - und im Tarnkleid der geschädigten Wespen etwas Unerwartetes entdeckt: Eine der drei parasitischen Goldwespenarten (Chrysis viridula) geht ihren ganz eigenen Weg. Sie wartet, bis die Schornsteinwespe ihr Nest mit Eiern und Nahrungsvorräten bestückt und verschlossen hat. Die Brut entwickelt sich darin von allein, die Nestbesitzerin kehrt nie wieder zurück. Freie Bahn also für die parasitische Wespe. Sie gräbt das Nest auf und legt ihre Eier hinein. Bei dieser Strategie ist keine Tarnung nötig, und entsprechend unterscheidet sich das Kohlenwasserstoff-Kleid dieser Goldwespe deutlich von dem der Schornsteinwespe.

Anders sieht es bei den zwei anderen Goldwespen aus (Chrysis mediata, Pseudospinolia neglecta). Sie schleichen sich in das fremde Nest, noch bevor es verschlossen wird. Dabei werden sie und ihre Eier nicht entdeckt, weil sie über denselben Körpergeruch wie die Nestbesitzerin verfügen. Verblüffenderweise unterscheiden sich die beiden Schmarotzer dennoch erheblich in ihren Körpergerüchen. Die Wissenschafter überprüften daraufhin die Duftprofile der Schornsteinwespen. Sie fanden heraus, dass es auch hier zwei "Chemotypen" gibt: "Die Wirte produzieren entweder den einen oder den anderen Typ, und entsprechend haben sich die zwei Parasiten spezialisiert", erklärt Schmitt. Dieser Befund zeigte sich in allen drei Gebieten, in denen die Biologen geforscht haben: in der Nähe von Würzburg ebenso wie am Kaiserstuhl bei Freiburg und in der Pfalz.

Evolution der chemischen Tarnung

"Unsere Ergebnisse stützen die These, dass die Ähnlichkeit der Kohlenwasserstoffprofile zwischen den Goldwespen und ihren Wirten durch chemische Tarnung zu Stande kommt", sagt Doktorandin Mareike Wurdack. "Wir nehmen außerdem an, dass sich bei der Schornsteinwespe im Lauf der Evolution ein zweiter Chemotyp mit dem Ziel entwickelt hat, der Parasitierung zu entkommen", erklärt Schmitt. Pech nur für die Wespe, dass sich ein anderer Parasit fand, der sich auf ihre Ausweichstrategie eingestellt hat. Ob dieses evolutionsbiologische Szenario und die molekularen Mechanismen zur Entstehung der Chemotypen stimmen, will Schmitt in den kommenden drei Jahren erforschen.

(red)

Abstract Proceedings of the Royal Society: "Striking cuticular hydrocarbon dimorphism in the mason wasp Odynerus spinipes and its possible evolutionary cause (Hymenoptera: Chrysididae, Vespidae)."