vater und kinder spielen
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Darum wirkt anschauliches Lob für mich Wunder

Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen und einer Tochter. Als die Jungen ungefähr elf und neun waren, kamen die ersten frechen Antworten, und sie mussten immer das letzte Wort behalten. Mich verließ der Mut, denn ich dachte, ich könnte mir keinen Respekt verschaffen und sie nähmen mich nicht ernst. Weil ihr Vater im Ausland lebt, musste ich damit alleine zurechtkommen.


Immer wenn sie anständig mit mir sprachen, ohne Sarkasmus, mich nicht herumkommandierten, nachäfften oder ignorierten, begann ich, sie anschaulich zu loben. Und in Wirklichkeit waren sie ziemlich oft anständig, was mir vorher gar nicht aufgefallen war. "Reagiere nicht auf Respektlosigkeit" wurde zu meinem Mantra.

Statt ihnen ins Gewissen zu reden oder mit ihnen zu diskutieren, schaute ich sie nur an und wartete, bis sie aufhörten. Dann konnte ich sie anschaulich dafür loben, dass sie höflich waren. Manchmal dauerte es eine Weile, doch es funktionierte.

Wenn sie nicht bitte sagten, forderte ich sie nicht dazu auf. Ich sagte lediglich: "Nein, kannst du nicht, weil du nicht bitte gesagt hast. Frag in einer halben Stunde noch einmal." Und ich stellte die Stoppuhr auf eine halbe Stunde. Das schlug ein! Sagten sie bitte und danke, bekamen sie selbstverständlich ein anschauliches Lob und ein strahlendes Lächeln.

Ich will nicht angeben, kann aber sagen, dass meine Jungen ausgesprochen freundlich, höflich und respektvoll sind. Und nur weil ich sie zehnmal am Tag anschaulich lobte, wurden auch andere Dinge besser, ohne dass ich viel dazu tun musste. Die Kinder kommen besser miteinander
aus und wetteifern nicht mehr ständig.

Sie nehmen ihre Hausaufgaben ernster und bieten ihre Hilfe an, statt zu meckern, wenn ich darum bitte. Und sie machen sich morgens und abends zügig fertig, ohne dass ich mich darum kümmern muss. Verstehen Sie jetzt, warum anschauliches Lob für mich Wunder wirkt?


Mutter von Daniel (14), Nathan (12) und Shira (9).
Eltern, die noch nicht gelernt haben, anschaulich zu loben, loben meist mit Extremen wie "toll"," großartig", "super", "fantastisch" oder "ausgezeichnet". Solches Lob ist gut gemeint. Wir sagen "einmalig", "klasse" oder "du bist ja so begabt", weil wir unseren Kindern Selbstvertrauen vermitteln möchten.

Wir möchten, dass sie sich geliebt fühlen. Und als etwas Besonderes. Wir möchten unsere Kinder aber auch beeinflussen. Wir möchten sie dazu animieren, Neues auszuprobieren oder auch solche Aktivitäten bis zum Ende durchzuziehen, die nicht so viel Spaß machen.

Superlativ-Lob ist kein sehr effektiver Motivator.Kinder sind nämlich nicht dumm. Sie wissen meist selbst, dass das, was sie gemacht haben, gar nicht so großartig oder toll war. Wäre das so, würde ihnen das jeder sagen.

In Wirklichkeit sagen es aber nur Mama und Papa. Kinder merken, dass Eltern solche Dinge aus Liebe sagen - nicht, weil sie zutreffen. Außerdem hat Ihr Sohn solch übertriebenes Lob schon hundert oder tausend Mal gehört, sodass er es kaum noch zur Kenntnis nimmt. Er blendet es einfach aus. Und es liefert ihm auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, was er tun könnte, um noch mehr Anerkennung zu bekommen. Mit Superlativen erreichen wir unser Ziel daher nicht.

Unsere Kinder wollen uns gefallen, doch oft genug scheinen wir gar nicht zu bemerken, was sie tun. Selbst in der liebevollsten Familie ist es für Kinder leichter, negative Aufmerksamkeit zu erregen, indem sie herumtrödeln, ihre Geschwister ärgern, quengeln oder bocken, als positive Aufmerksamkeit durch richtiges Verhalten. Das hat einen einfachen Grund: Wenn gerade mal keine Katastrophen passieren, nutzen wir die Zeit, um Dinge zu erledigen.

Die meisten Eltern haben eine endlose Liste anstehender Aufgaben im Kopf. Wir müssen E-Mails beantworten, Rechnungen bezahlen, Waschmaschinen be- und entladen - wir müssen uns um eine Million Dinge kümmern. Und wir können unseren Pflichten und Aufgaben dann nachgehen, wenn sich unsere Kinder gut benehmen.

Gibt es aber Probleme, weil sie das nicht tun, richtet sich unser Augenmerk sofort auf das Problem, das es zu lösen gilt. Die Folge: Wir bemerken - und verstärken - negatives Verhalten.

Der Einstieg - Ihr Fahrplan zum Erfolg

Ich fordere Sie im Folgenden auf, das Extremlob einzustellen und sich stattdessen anzugewöhnen, anschaulich zu loben. Dadurch nehmen Sie Ihre Kinder ganz anders wahr und erkennen sie ganz anders an. Sie halten Ihre Kinder viel effektiver dazu an, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.

Anschauliches Lob ist der beste Motivator, weil Kinder nach unserem Beifall heischen. Mit anschaulichem Lob verzichten Sie auf Superlative, nehmen aber die kleinen Dinge zur Kenntnis, die Ihr Sohn richtig beziehungsweise nicht falsch macht, und honorieren sie. Sie als großartig oder fantastisch zu bezeichnen, trifft nicht zu, denn das sind sie nicht.

Plötzlich fallen Ihnen viele kleine Schritte in die richtige Richtung auf, und Sie sprechen sie an - all die winzigen angemessenen Verhaltensmuster, die so leicht übersehen oder für selbstverständlich genommen werden. Und genau darauf müssen wir achten, wenn wir sie verstärken wollen.

Hört Ihr Sohn Sie konkret erwähnen, was er richtig gemacht hat, wird er es wieder tun wollen, um erneut Ihre Anerkennung zu bekommen. Kinder verinnerlichen anschauliches Lob ziemlich schnell und erfinden sich entsprechend neu.

Ich fordere Sie dazu auf, den ganzen Tag immer wieder anschaulich zu loben. Wenn wir Zeit mit unseren Kindern verbringen, sprechen wir gewöhnlich viel mit ihnen. Gewöhnen Sie sich grundsätzlich an, jeden Satz, den Sie an Ihren Sohn richten, ob Sie ihm etwas erzählen oder eine Frage beantworten, mit einem kleinen anschaulichen Lob zu beginnen.

Wer sich dazu durchringt, legt morgens oft hoch motiviert los. Irgendwann im Laufe des Tages merkt er aber, dass er schon seit zehn Minuten nicht mehr anschaulich gelobt hat - oder vielleicht sogar seit einer Stunde. Dann sollten Sie sich gezielt fragen: "Was kann ich loben?" Schauen Sie sich um, nehmen Sie bewusst wahr, was Ihr Sohn gerade richtig macht und was falsch.

Selbst wenn Sie nicht sicher sind, was Sie loben sollen, springen Sie ruhig ins kalte Wasser und beginnen Sie Ihren Satz mit "Mir fällt auf, dass ...". Dann sind Sie in Zugzwang und müssen sich etwas einfallen lassen, um den Satz zu beenden. Sie könnten sagen:
  • Mir fällt auf, ... dass du schön gerade sitzt.
  • Mir fällt auf, ... dass du beim Essen nicht auf den Tisch gekleckert hast.
  • Mir fällt auf, ... dass du unter dem Tisch nicht nach deinem Bruder getreten hast.
Das sind zufällig alles Beispiele für die Essenszeit. Ich habe sie ausgewählt, weil gerade Mahlzeiten mit Jungen für Eltern ausgesprochen anstrengend sein können. Doch Sie werden zu jeder Tageszeit Verhaltensweisen wahrnehmen, die Anlass zu anschaulichem Lob sein können.

Unlängst hat mir auf einem Seminar ein Vater erzählt, wie gut anschauliches Lob bei seinem Sohn wirkte.

"Ich hatte schlicht angenommen, Jungen wollen einfach nicht aufräumen oder Zähne putzen oder Hausaufgaben machen oder Dankeskarten schreiben oder den Müll rausbringen oder ordentlich schreiben. Als ich das erste Mal von anschaulichem Lob hörte, hätte ich es fast nicht ausprobiert, weil es so klang, als würde es ohnehin nur bei braven Mädchen funktionieren - nicht bei lebhaften Jungen wie meinem Sohn. Ich stellte daher mit großem Erstaunen fest, dass mein Sohn schon nach wenigen anschaulichen Lobesbezeigungen für das Aufräumen seines Zimmers inzwischen freiwillig sein Spielzeug wegräumt."

Sie werden es kaum glauben, aber unsere Jungen wollen sich schon nach wenigen Wochen, manchmal sogar nach Tagen, besser benehmen, wenn wir anfangen, jeden winzigen Schritt in die richtige Richtung wahrzunehmen und zu honorieren. Jungen wollen uns genauso gefallen wie Mädchen. Wir müssen ihnen lediglich genau sagen, was uns gefällt. Und das erreichen wir durch anschauliches Lob.

Anschauliches Lob für Jungen

Anschauliches Lob ist ein ausgezeichnetes Erziehungsmittel. Indem Sie Ihrem Sohn klar beschreiben, was er richtig gemacht hat, erteilen Sie ihm ausgesprochen nützliche Informationen dazu, wie er sich das nächste Mal Ihre wohlwollende Aufmerksamkeit sichern kann.

Es ist ungeheuer wichtig, jeden Tag, im Kleinen und häufig, die vielen einzelnen korrekten Verhaltensweisen anschaulich zu loben, die Sie täglich beobachten. Warten Sie nicht, bis Ihr Sohn etwas Herausragendes vollbringt. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, Ihr Kind zehnmal täglich anschaulich zu loben. (Übrigens - auch Ihre etwas eingerosteten Beziehungen zu Erwachsenen lassen sich durch anschauliches Lob wieder schmieren!)

Mit ein bisschen Übung sind Sie bald in der Lage, Ihren Sohn weit öfter als zehnmal am Tag anschaulich zu loben. Und je öfter Sie das tun, desto schneller veranlassen Sie ihn zu positiverem, reiferem Verhalten. Anschauliches Lob hilft gegen schlechte Gewohnheiten.

Denken Sie jetzt bitte an eine wirklich lästige Marotte Ihres Sohnes, die sich häufig äußert. Ich zeige Ihnen dann, wie Sie es schaffen, zu bemerken und zu kommentieren, wann immer er sie nicht an den Tag legt. Anschaulich zu loben, wenn kein Fehlverhalten stattfindet, sorgt dafür, dass das immer seltener der Fall ist.

Der Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch Glückliche und entspannte Jungs: Wege zu einer stressfreien Erziehung von Noël Janis-Norton.