Ausgerechnet während des Klimagipfels in Kopenhagen erschüttert ein Skandal um manipulierte Daten und vernichtete E-Mails die Forschungsszene.

Computer Hacker
© ColourboxHacker haben einem Klimaforscher Dokumente entwendet
Es herrscht eine unheimliche Stille im Halbdunkel der Tiefgarage. Bob Woodward schaut suchend nach links und nach rechts. Im Halbdunkel taucht die Glut einer angezündeten Zigarette auf. „Deep Throat“, Woodwards Informant im Watergate-Skandal, steht vor ihm. So jedenfalls schildert der Film mit Robert Redford als kämpferischem Journalisten die Begegnung mit seiner Quelle. Heutzutage laufen diese Dinge profaner ab. Aber immer noch sind die Ähnlichkeiten mit dem Skandal aus den Sechzigern so groß, dass Beobachter die Affäre um an die Öffentlichkeit gelangte Daten aus einem Klimaforschungsinstitut „Climategate“, „Klimagate“, getauft haben.

Was ist passiert? Am 19. November tauchte auf dem relativ unbedeutenden Klima-Skeptiker-Blog „Air Vent“ ein Hinweis auf einen Link zu einem russischen Server auf. Auf dem Server waren Dateien zu finden, die Unbekannte vom Server der Climate Research Unit der University of East Anglia kopiert hatten. Über 3000 interne E-Mails und 72 Dateien fanden sich plötzlich öffentlich zugänglich im Internet wieder. Schnell war von einem Hackerangriff die Rede. Der eigentliche Skandal ist aber nicht der Datenklau, sondern der Inhalt der E-Mails, deren Authentizität der Direktor des Instituts, Phil Jones, inzwischen bestätigt hat. Er ist zwischenzeitlich von seinem Amt zurückgetreten.

Manipulation und Ausgrenzung

In den E-Mails unterhalten sich prominente Klimaforscher darüber, wie sie mit Kritikern umgehen, wie Datensätze so verändert werden, dass sie zur offiziellen Theorie passen, und wie kritische Journalisten boykottiert werden sollen. Ein Aufschrei ging daraufhin durch die angelsächsische Presse. Der Leitartikel in der „Washington Times“ stellte unter der Überschrift „Die Vertuschung der globalen Abkühlung“ fest: „Die Klimagate-Enthüllungen haben einen beispiellosen koordinierten Versuch von Akademikern aufgedeckt, Forschungsergebnisse für politische Zwecke zu verzerren.“Der Starblogger James Delingpole vom britischen „Daily Telegraph“ jubelte: „This is our Berlin Wall Moment!“

Er meinte damit die Mauer des Schweigens, die kritische Beobachter umgab. „Vor Climategate wurden wir Skeptiker als Freaks verspottet - fast so schlimm wie Holocaust-Leugner ... Plötzlich sind wir die Norm“, freut er sich. Siegessicher fügt Delingpole hinzu: „Niemand kann uns jetzt mehr stoppen.“

Wenn er sich da mal nicht täuscht. In Kontinentaleuropa und vor allem in einem der wichtigsten Länder zur Durchsetzung von CO2-Zielen, Deutschland, wird das Thema unter den Teppich gekehrt. Deutsche Wissenschaftler vom regierungsnahen Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung wie Stephan Rahmstorff, der in den E-Mails mehrfach auftaucht, nehmen Schlüsselrollen im Weltklimarat ein. Außer der „Welt“ widmet sich hierzulande kein überregionales Blatt ausführlicher dem Skandal. Lediglich von einem Hackerangriff und einigen unglücklichen Formulierungen, die aber nichts beweisen würden, ist hie und da die Rede. Die Brisanz des Falles leitet sich schon allein aus der enormen Bedeutung des britischen Instituts ab. Climate Research Unit (auch bekannt als Hadley CRU) ist eines von weltweit nur vier Instituten, die dem „Weltklimarat“ IPCC „offizielle“ Temperaturdaten liefern.

Phil Jones
© UnbekanntPhil Jones als Direktor zurückgetreten
Verheimlichen und verstecken

Zu trauriger Berühmtheit hat es eine E-Mail von keinem Geringeren als dem Direktor des Instituts, Phil Jones, gebracht. Dort schreibt er an einen Kollegen:
„I´ve just completed Mike´s Nature trick of adding in the real temps to each series for the last 20 years (ie from 1981 onwards) amd from 1961 for Keith´s to hide the decline.“
Auf Deutsch:
„Ich habe gerade Mikes Natur-Trick, die realen Temperaturen zu jeder (Daten-)Serie für die letzten 20 Jahre hinzuzufügen, fertiggestellt ... um den (Temperatur-)Rückgang zu verstecken“.
Die Ausflüchte der Global-Warming-Fraktion: Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Trick bezeichne nicht notwendigerweise etwas Böses, es sei mehr ein wissenschaftlicher Kunstgriff, der angewandt würde. Und was mit „hide the decline“ gemeint wäre, könne man sich so nicht erklären. Es gibt allerdings im Wesentlichen nur zwei Übersetzungen für „hide“: verheimlichen und verstecken. Das könnte als Überschrift nicht nur über der Watergate-, sondern auch über der Klimagate-Affäre stehen. Ein Gutteil der E-Mails beschäftigt sich nämlich damit, Daten verschwinden zu lassen.

Angst vor dem Bürger

Was wenige wissen: Auch in England gibt es wie in den USA einen „Freedom of Information Act“. Dieser ermöglicht es Bürgern, Einsicht in Akten von Behörden oder für den Staat arbeitenden Institutionen zu nehmen. Vor diesem Gesetz hatten die Forscher - allen voran der Direktor des Instituts - offenbar eine Heidenangst. Er schreibt zum Beispiel am 21. Februar 2005:
„Ich werde von einer Reihe von Leuten bedrängt, die CRU-Stationsdaten zu veröffentlichen. Keiner von euch dreien darf irgendjemandem erzählen, dass es in England einen Freedom of Information Act gibt!“
Wer ihn da unter anderem bedrängt hat, geht aus einer E-Mail vom 2. Februar desselben Jahres hervor:
„Die zwei MMs sind seit Jahren hinter den CRU-Stationsdaten her. Wenn Sie jemals davon hören sollten, dass es jetzt in England einen Freedom of Information Act gibt, denke ich, dass ich die Daten lieber löschen würde, als sie irgendjemandem zu senden.“
Wie die „Washington Times“ schreibt, ist es in England ein krimineller Akt, E-Mails zu löschen, um dem Informationsfreiheitsgesetz zu entgehen.

Hockeyschläger Diagramm
© IPCCDas berühmte "Hockeyschläger Diagramm".Manipulierte Daten wurden verwendet um es so aussehen zu lassen, als ob sich die Temperatur in den letzten Jahren erhöhte.
Agent MM

Als MMs werden in der Wissenschaftsgemeinde der klimaskeptische Ökonomie-Professor Ross McKitrick sowie Steve McIntyre bezeichnet. Letzterer hält einen Bachelor in Mathematik und studierte in Oxford Politik, Wirtschaft und Philosophie. Obwohl sie keine Klimaforscher sind, gelang es ihnen, die berühmte Hockey-Stick-Kurve von Michael Mann als Fälschung zu entlarven. Zu Jones´ Leidwesen hatte es sich bis 2009 zu den beiden herumgesprochen, dass es einen Freedom of Information Act gibt. Steve McIntyre stellte im Juli 2009 einen Antrag, die Daten der CRU freizugeben. Am 18. November erhielt er einen Brief mit Datum vom 13. November, dass der Antrag abgelehnt sei. Pikant: Am 17. November gelangten die Daten mit der verräterischen Bezeichnung FOIA.zip ins Internet. FOIA steht also offensichtlich für Freedom of Information Act. Es liegt nahe, dass die Daten vom Institut selber zusammengestellt wurden, falls der Antrag genehmigt würde. Das ist auch deshalb plausibel, weil Hacker vermutlich Wochen gebraucht hätten, die Daten zusammenzustellen. Die letzten E-Mails datieren vom 12. November 2009, also einen Tag bevor der Brief der Behörde abgestempelt wurde!

Unbekannter Informant

Verräterische Details offenbaren auch die E-Mails und Anmerkungen der Programmierer, die mit den Daten arbeiten sollten. Sie hatten keine politische Agenda, sondern kämpften einfach mit dem Problem, die Daten anpassen zu müssen. Die über tausend E-Mails, die im Web unter „Hadley CRU“ oder „FOIA.zip“ zu finden sind, enthalten noch zahlreiche Hinweise auf Vertuschungen und Manipulationen. Die Aufarbeitung des Skandals kann Monate dauern. Laut Klimaskeptikern wurde die Story über Hacker lanciert, um das Nutzen der Daten als unethisch darzustellen. Der Hamburger Klimaforscher Hans von Storch, kein Skeptiker, meinte hierzu:
„Wenn die Daten aus einer internen Quelle stammen, dann könnte es sich um den Akt eines Informanten (Whistleblower) handeln, der vom Gesetz geschützt wird. Ich denke, es ist nicht unethisch, sie zu lesen.“
Er hält aber sehr wohl das Verhalten seiner Kollegen für problematisch und fordert, Phil Jones, Michael Mann und Stefan Rahmstorff von der Mitarbeit im Weltklimarat auszuschließen.
Die Rolle der Aufklärer übernehmen in diesem Skandal keine Journalisten, sondern die MMs. Der geheime Informant hat aber durchaus Ähnlichkeit mit „Deep Throat“, der sich als Insider des FBI entpuppte. Es sieht alles danach aus, als ob die Informationen auch diesmal von einem Insider kamen, der Zugang zum internen Server hatte.