Online Porno
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Süchtig nach dem Klick zur Lust: Immer mehr Menschen werden offenbar von Online-Pornografie abhängig, zeigt eine neue Studie. Suchtforscher Gert-Jan Meerkerk im heute.de-Interview über Anzeichen, Ursachen und Folgen.

heute.de: Ist die Sucht nach Internet-Pornografie für viele Menschen ein Problem?

Gert-Jan Meerkerk: Für eine kleine Gruppe von Leuten sieht es ganz danach aus. Wir haben 2.000 Menschen befragt und auch mit Therapeuten gesprochen und dabei kam heraus, dass unter den Männern acht Prozent sagen, es sei "ein bisschen" ein Problem für sie, zwei Prozent sagen sogar, es sei ein Problem. Bei den Frauen waren es nur vereinzelte Fälle. Von der Menge der Leute her, scheint es sich im gleichen Rahmen zu bewegen wie Spielsucht mit einer steigenden Tendenz. Was man sich auch gut vorstellen kann, denn bis Sucht ein großes Problem ist, ist es ein Prozess. Und bis man dann das Problem erkannt und Hilfe geholt hat, kann es fast zehn Jahre dauern. Das Internet gibt es ja für viele Leute noch gar nicht so lange.

heute.de: Wann spricht man denn von Sucht bei Internet-Pornos?

Meerkerk: Der Begriff "Sucht" ist sehr schwierig und wird auch gerade allgemein neu diskutiert. In Bezug auf Pornografie gibt es ihn eigentlich noch gar nicht. Ich denke aber, es gibt ein paar Dimensionen, die man eigentlich immer wieder findet wie Kontrollverlust. Das heißt also, man ist nicht mehr in der Lage, sein Benehmen zu regulieren und macht damit weiter, obwohl man denkt, dass es eigentlich nicht gut ist. Irgendwann ist das ganze Leben davon geprägt. Wenn man das jetzt übersetzt auf Online-Pornografie, dann heißt das, dass man sich damit beschäftigt, obwohl man das eigentlich nicht machen will und obwohl man sieht, dass es negative Folgen hat und man kann nicht damit aufhören. Es dominiert das Leben.

heute.de: Wie häufig schaut ein solch Süchtiger Pornos?

Meerkerk: Die Porno-Süchtigen sind noch nicht einmal unbedingt die, die sich täglich damit beschäftigen. Wir haben für unsere Studie einige Leute interviewt und da gab es beispielsweise einen Fall, da schaute der Befragte vielleicht einmal in der Woche einen Porno. Der wollte das aber nicht machen, weil es einen negativen Einfluss auf sein Benehmen hatte. Er fand seine Frau nicht mehr so attraktiv und er war auf einmal sehr fokussiert auf Stiefel. Er schaute sich die ganze Zeit nach Stiefeln um auf der Straße. Meist ist die Porno-Sucht ja nicht das einzige Problem, sondern nur eins von mehreren.

heute.de: Wie zum Beispiel?

Meerkerk: Wie zum Beispiel Einsamkeit oder soziale Probleme. Ein Porno-Süchtiger ist niemand, der vollkommen glücklich ist und in dessen Leben alles in Ordnung ist. Meistens wird die Pornografie benutzt als Flucht in eine schönere Welt, um dort Befriedigung zu finden und eine angenehme Zeit zu haben. Das sieht man ja auch bei anderen Formen von Suchtverhalten.

heute.de: Bei Alkohol- oder Medikamentensucht sind die gesundheitlichen Folgen klar. Was sind die negativen Folgen für Porno-Süchtige?

Meerkerk: Bei der Internet-Pornografie geht es mehr um die sozialen Folgen. Wenn man seine Zeit dauernd im Internet verbringt beim Pornoschauen dann hat man weniger Zeit, in die Kneipe zu gehen, jemanden zu treffen, man verliert auf Dauer seine Freunde. Das ist wie bei der Internetsucht auch.

heute.de: Die Auswahl im Internet ist riesig bei der Pornografie. Was interessiert denn die Leute am meisten?

Meerkerk: Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass die Leute sich mehr anstrengen würden, um einen schönen Porno zu finden, aber das ist nicht so. Das hat eher was von Fast Food: Man nimmt einfach das, was es am einfachsten zu haben gibt und was ohne viel Mühe zu finden ist - und das ist vor allem auf Youporn der Fall. Die meisten googeln einfach "Porn" oder "Sex". Schnell gefunden, schnell konsumiert und das war's dann wieder. Es wird nicht richtig zelebriert.

heute.de: Welchen Einfluss hat diese Form von Pornografie-Konsum?

Meerkerk: Es ist relativ schwierig, etwas darüber zu sagen, weil es noch nicht richtig untersucht ist. Aber man kann sich vorstellen, dass Pädosexuelle möglicherweise damit ihre Bedürfnisse befriedigen und dass es dabei bleibt. Aber man kann sich auch vorstellen, dass die Bedürfnisse Pädosexueller dadurch stärker gefördert und entwickelt werden und dass es gerade dazu führt, dass sie auf der Straße etwas tun, was nicht erlaubt ist.

Das Interview führte Meike Srowig.