Studien bestätigen: Wer sich Amalgam in das Gebiss einsetzen lässt, hat oft auch zu viel Quecksilber im Blut. Doch viele Ärzte halten das gesundheitliche Risiko für gering.
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Quecksilber ist das giftigste nicht-radioaktive Element, das die Menschheit kennt: Schon zwei Gramm sind tödlich. Im Prinzip ein Gefahrengut - und doch haben es viele im Mund: Amalgamfüllungen bestehen zu etwa 50 Prozent aus dem Schwermetall. Akut toxisch ist es zwar nur in gelöster Form und nicht, wenn es wie im Mund mit anderen Metallen gebunden und ausgehärtet ist. Unbedenklich sind amalgamhaltige Plomben dennoch nicht.

Wer sie im Gebiss hat, hat im Durchschnitt einen viermal so hohen Quecksilber-Wert im Blut wie amalgamfreie Menschen. Das wurde im Zuge verschiedener Studien - zuletzt unter anderem vom German Amalgam Trial unter Leitung des Zentrums für naturheilkundliche Forschung der TU München - nachgewiesen. Was die gesundheitlichen Folgen angeht, gehen die Meinungen auseinander: Sehen die einen ein deutliches Vergiftungsrisiko, schätzen andere das als gering ein.

Dieser Zwiespalt zeichnet sich auch innerhalb der Zahnärzteschaft ab. So hat mancher seit Jahrzehnten keine Amalgamfüllung gelegt, während andere keinen Grund sehen, davon abzulassen. „Natürlich können wie bei jedem Fremdkörper, der dauerhaft im menschlichen Organismus verbleibt, unerwünschte Nebenwirkungen auftreten“, erklärt Reiner Zaijtschek vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte.

Prinzipiell sei die Belastung durch amalgamhaltige Plomben jedoch gering. „Und da ist auch keine Studie, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ihnen und chronischen Gesundheitsschäden erwiesen hat.“

Das Legen und Herausnehmen der Füllung ist am gefährlichsten

Äußerst wichtig sei aber ein verantwortungsvoller Umgang mit Amalgam. Es gelte, die Patienten über Risiken zu informieren, Gegenanzeigen wie eine Quecksilberallergie abzufragen und bei der Verarbeitung bestimmte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen: darunter besonders sorgfältiges Absaugen und der Einsatz spezieller Bohrer. „Die Vorsichtsmaßnahmen sind angezeigt, weil Quecksilber in Dampfform besonders gefährlich ist - und das entsteht beim Legen und Herausbohren der Füllungen“, sagt Zajitschek.

Darüber, dass die größte Vergiftungsgefahr beim Rein und Raus des Amalgams gegeben ist, besteht Einigkeit. Ganz anders sieht es im Hinblick auf mögliche Risiken des Schwermetall-Dauerkontaktes durch die Plomben aus. „Sobald die Füllung ausgehärtet ist, ist kein freies Quecksilber mehr vorhanden“, betont Dietmar Oesterreich von der Bundeszahnärztekammer in Berlin.

Zwar würden aus den Plomben durch mechanische Beanspruchung teils Spuren von metallischem Quecksilber freigesetzt. Doch dies habe in der Regel keine klinische Bedeutung, „da sowohl die Aufnahmerate als auch die freigesetzten Mengen so gering sind, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung nahezu vollständig ausgeschlossen werden kann“.

Wie das Gift ins Blut gelangt

Amalgamkritiker sehen das anders: „Die Füllungen geben fortlaufend kleine Dosen Quecksilber ab. Ein Teil davon lagert sich im Körper ab, erklärt Claudia Hesse von der Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin in Berlin. Freigesetzt werde das Schwermetall nicht allein in Form des Abriebs. So könnten sich auch durch Säuren Quecksilberionen aus den Plomben lösen und über den Speichel in den Verdauungstrakt gelangen, wo sie aufgenommen und über den Blutkreislauf im Körper verteilt werden.

„Am gefährlichsten ist der Quecksilberdampf, der vor allem beim Verzehr heißer Speisen und Getränke frei wird“, erläutert Hesse. Er werde über Nasen- und Mundhöhle eingeatmet, gelange ins Blut und könne nicht nur alle Gewebe, sondern auch die Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn vor Giften schützt, durchdringen.

Dass das Schwermetall sich dort sowie in anderen Organen anreichert, belegen mehrere Autopsiestudien: So fand etwa die Italian Association for Metals and Biocompatibility Research bei Toten mit mehr als zwölf Amalgamplomben einen zehnfach erhöhten Quecksilbergehalt in Organen und Gehirn im Vergleich zu denen, die weniger als drei Plomben hatten.

„Die gesundheitlichen Schäden, die durch eine chronische Quecksilberbelastung entstehen, können gravierend sein“, sagt Peter Jennrich von der Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie. Häufig komme es zu Symptomen wie innere Unruhe und Abgeschlagenheit sowie Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden.

„Darüber hinaus kann eine Vergiftung mit dem Schwermetall auch Co-Faktor für beinahe alle chronischen Erkrankungen sein“, ergänzt er. Zum Beispiel Diabetes, Multiple Sklerose und Autoimmunstörungen wie Rheuma - zu diesem Ergebnis kam unter anderem eine Meta-Studie des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg.

Symptome einer chronischen Vergiftung sind sehr unspezifisch

Die Schwere der Vergiftung und damit ihrer Folgen hängt unter anderem ab von der Menge Amalgam im Körper, der Frage, ob der Betroffene neben Quecksilber noch anderen Toxinen ausgesetzt ist - etwa durch bleihaltiges Trinkwasser - und seinem Gesundheitszustand. „Ist jemand in guter körperlicher Verfassung, sind Entgiftungsfähigkeit und Belastungstoleranz in der Regel höher.“

Ohnehin variiere beides von Mensch zu Mensch: So bleibe mancher trotz hoher Schwermetallbelastung beschwerdefrei, während andere sehr schnell reagierten. Dies und der Umstand, dass die Symptome einer chronischen Vergiftung sehr unspezifisch sind, mache eine eindeutige Diagnose schwer. Und führe indirekt dazu, dass die Negativauswirkungen der „Quecksilber-Dauerexposition“ nach wie vor umstritten seien.

Ob eine Vergiftung vorliegt und wie stark sie ist, ist durch eine Standarduntersuchung oft nicht herauszufinden. „Weder eine reguläre Blutanalyse noch eine Urinprobe zeigen alles“, erklärt Jennrich. Da die Schadstoffe sich in Gewebe und Organen anreichern, bringe nur ein spezieller Provokationstest Klarheit. Dieser erfolgt, indem ein Chelatbildner verabreicht wird - eine organische Verbindung, die in der Lage ist, versteckte Metallionen zu binden und abzuführen. Dadurch wird das tatsächliche Ausmaß der Belastung im Urin messbar.

Vom Ergebnis hängt die Therapie ab. Dazu gehören das Entfernen der Amalgamplomben sowie eine Schwermetallausleitung. Letztere kommt auch bei akuten Vergiftungen - etwa nach Chemieunfällen - zum Einsatz und erfolgt am effektivsten mit Chelatbildnern.

dpa, AK