Diabetes breitet sich in Deutschland rasant aus: Doch im Unterschied zu Typ-2-Diabetes rätseln Mediziner über die Ursachen.
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© PADiabetes vom Typ-1 wird durch Insulin-Mangel verursacht und beginnt meist im Kinde- und Jugendalter

Typ-1-Diabetes ist eigentlich selten. Nur fünf Prozent aller Diabetiker leiden derzeit an dieser Form der Zuckerkrankheit. Doch was sie unangenehm macht, ist, dass immer mehr Kinder an ihr erkranken. Zudem bricht diese Stoffwechselstörung bereits immer früher im Kindesalter aus.

Anders als bei Typ-2-Diabetikern helfen bei ihnen eine gesunde Ernährung und viel Sport nicht besonders viel, um den Insulinhaushalt zu stabilisieren. Bei Typ-1-Diabetes sind die Beta-Zellen der Langerhansschen Inseln in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr in der Lage, genügend Insulin für den Zuckerabbau im Blut zu produzieren. Die jungen Menschen müssen ihr Leben lang Insulin spritzen.

Als typisches Symptom der Krankheit haben alle Diabetiker einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerwert in ihrem Blut - und infolge auch im Urin: Das liegt daran, dass der mit der Nahrung aufgenommene Zucker nicht mehr vom Blut ins Innere der Zellen gelangt.

Bei Typ-1-Diabetikern deshalb, weil sie zu wenig oder kein Insulin mehr produzieren - bei Typ-2-Diabetikern, weil ihre Zellen unempfindlich für das Hormon geworden sind. In den Zellen wird der Zucker normalerweise abgebaut und liefert dabei die Energie für wichtige Stoffwechselprozesse.

Da der Zucker aber bei Diabetikern ungenutzt im Blut bleibt, wird er schließlich mit dem Urin ausgeschieden. Schon die Ärzte der Antike beschrieben, dass die Patienten einen „honigsüßen Durchfluss“ haben, so die Übersetzung von „Diabetes mellitus“.
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© Infografik Welt OnlineAn der Ausbreitung von Diabetes bei Kindern in Industrienationen sind nicht nur Übergewicht, falsche Ernährung und zu wenig Bewegung schuld. Insbesondere Typ-1-Diabetes - eine Autoimmunerkrankung - kommt immer öfter vor

Diabetes mellitus ist keine reine „Zuckerkrankheit“, sondern geht auch einher mit Störungen des Protein- und Fettstoffwechsels. Diabetiker sind gefährdet, was Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall angeht. Der Großteil von ihnen sind Kranke vom Typ2, auch Alterszucker genannt.

Als Auslöser gelten fettreiche Kost, Übergewicht und Bewegungsmangel. Als verantwortlich für Typ1 gilt ein Mix aus Erbanlagen, äußeren Einflüssen (etwa einer bestimmten Virusinfektion) sowie eine Fehlsteuerung des Immunsystems.


Kommentar: Fettreiche Kost ist mit Einnahme von Kohlenhydraten ungesund, aber als alleinige Nährstoffquelle mit Proteinen, die natürlichste Ernährung, wenn es gesättigte und tierische Fette sind.


Diabetes ist eine Volkskrankheit. Litten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs 600.000 Menschen in Deutschland an der Krankheit, geht die Deutsche Diabetes Gesellschaft jetzt von etwa acht Millionen aus.
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© Infografik Welt OnlineDiabetes in aller Welt im Jahr 2010.

Weltweit schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO die Zahl der Diabetes-Patienten derzeit auf 350 Millionen. 80 Prozent davon lebten in Entwicklungs- und in Schwellenländern.

Der Diabetologe Michael Hummel, Stellvertretender Vorsitzender der Forschergruppe Diabetes e.V. am Helmholtz-Zentrum in München, sagt, dass sich die Anzahl der Typ-1-Diabetiker in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren nahezu verdoppelt hat.

Bestimmte Gene begünstigten eine frühe Erkrankung, sagt er. Eine fehlgeleitete Stimulation des Immunsystems in der Kindheit führe dann zur Erkrankung.

„Es gibt immer mehr Übergewicht bei Kindern, deshalb nimmt Diabetes Typ2 auch bei Kindern zu“, sagt Hummel. „Aber bis ein Mensch einen Typ-2-Diabetes - eine durch falsche Ernährung begünstigte erhöhte Insulinresistenz ist der Auslöser hierfür - entwickelt, ist er meist aus dem Kindesalter heraus.

Was man klar sagen muss: Wenn man von Kindern und Diabetes redet, steht der Typ1 im Vordergrund. Das ist im Kindesalter die häufigste Erkrankung, die aber auch deutlich zunimmt.“ Pro 100.000 Kindern erkranken in Deutschland 15 Kinder pro Jahr neu - vor 15 Jahren waren es gerade mal sieben Kinder. Diese Steigerung zeichnet sich auch in den anderen europäischen Staaten und in den USA ab.


Kommentar: Westliche Länder, d.h. Industrienationen teilen auch ein Anstieg bei Depressionen. Wenn Ernährungsstil und Lebensweise verglichen werden, könnte eventuell eine Gemeinsamkeit bestehen: wenig Fett, Gluten, Transfette, Milch und auch die Strahlenbelastung.


Wissenschaftler können allerdings noch nicht sagen, warum immer mehr Kinder an der Stoffwechselkrankheit leiden. Sie stellen nur fest, dass Kinder nicht nur häufiger erkranken, sondern auch schon in jüngerem Alter. Bereits vor dem fünften Lebensjahr bricht die Krankheit bei manchen aus. Normalerweise erkranken Kinder erst mit acht oder zwölf Jahren. Einen Unterschied zwischen Mädchen und Jungen können die Forscher nicht feststellen.

„Es zeigt sich, dass frühe Faktoren wie frühkindliche Ernährung oder möglicherweise virale Infektionen den Krankheitsverlauf beeinflussen und beschleunigen könnten. So lässt sich beobachten, dass Kinder mit einer Stilldauer von mindestens vier Monaten ein geringeres Typ-1-Diabetes-Risiko haben als Kinder, die früh bestimmte Nahrungsmittel, zum Beispiel bestimmte Getreideprodukte, zugefüttert bekommen.

Auch Umweltfaktoren könnten die Krankheit begünstigen. „Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, es besteht also eine Fehlregulation des Immunsystems.“

Die Frage, die Eltern sich stellen, ist natürlich, wie sie einer Diabeteserkrankung bei ihrem Kind vorbeugen können. „Bei Typ-2-Diabetes ist das ganz klar, da geht es um Bewegung und Ernährung. Da könnte man natürlich sehr viel machen, aber das ist einfacher gesagt als getan. Es ist eine Herausforderung an die gesamte Gesellschaft, es geht los bei Kindergarten, Schule und Elternaufklärung“, sagt der Diabetologe.

„Aber auch bei Typ1 spielen Ernährungsfaktoren eine Rolle. So sollen Mütter ihr Kind möglichst mindestens vier Monate stillen. Das haben große Studien bewiesen. Bei Typ1 kennt man die Umweltfaktoren allerdings noch nicht so gut.“

Egal ob Typ1 oder doch Typ2: Kinder, die an Diabetes erkranken, haben eine um zehn bis 15 Jahre verringerte Lebenserwartung. „Der Hauptgrund dafür sind makrovaskuläre Komplikationen: Herzinfarkt und Schlaganfall. Denn der hohe Blutzucker schädigt die Blutgefäße.


Kommentar: Um den Blutzucker stabil zu halten, empfiehlt deshalb Dr. Bernstein in seinem Buch The Diabetes Solution, auf so gut wie alle Kohlenhydrate zu verzichten. Denn diese machen den Blutzuckerspiegel instabil und die schweren Folgeerkrankungen können die Folge sein.


Betroffen sind auch die Augen, die Nieren und die Nerven in den Beinen.“ Da Kinder leicht in den Unterzucker rutschen können, also zu wenig Zucker in ihrem Blut ist, steigt die Gefahr, dass sie nicht mehr adäquat reagieren können. „Eltern und Kinder müssen sehr aufpassen, dass das nicht passiert. Das ist ein hoher Aufwand und oft eine sehr hohe Belastung.“
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© Infografik Welt OnlineDiabetes in aller Welt im Jahr 2030.

Den Typ-1-Diabetes kann man bislang nicht heilen, aber Wissenschaftler versuchen mittlerweile, mit Immunsuppressiva den Krankheitsverlauf zu verzögern. Bei Neuerkrankungen wird damit versucht, die für die Insulinproduktion notwendigen Betazellen zu schützen, erklärte Hummel. „Es sind Medikamente, die sehr gezielt in den Immunhaushalt eingreifen. Sie werden derzeit in Studien mit Patienten getestet.“

Ein anderer Ansatz ist eine Immunmodulation im Sinne einer spezifischen „Impfung“ mit Autoantigenen. Dieser Ansatz beruht auf der These, dass Diabetes1 eine Autoimmunerkrankung ist, bei der eine fehlgeleitete Immunreaktion körpereigene Zellen zerstört, in diesem Fall die Betazellen.

Die Impfung soll das Immunsystem davon abhalten, die Beta-Zellen anzugreifen. „Es wäre ja schon ein Erfolg, wenn eine Betazellreserve erhalten werden könnte“, sagt Hummel. Dann würde der Körper noch etwas Insulin selbst produzieren. Die Schwankungen der Blutzuckerwerte wären nicht so groß und insbesondere gefährliche Unterzuckerungen seltener.

Erste Ergebnisse zeigten „einen gewissen positiven Effekt“. „Aber es ist kein Durchbruch im Sinne einer Heilung da.“ Es sei nötig, mehr über die Ursachen zu erfahren: „Ziel der Forschung ist derzeit die Identifizierung von auslösenden Umweltfaktoren, sodass diese dann im nächsten Schritt im Sinne einer Krankheitsprävention verändert werden können.“

dpa/oc