Bochum/Berlin. Das Lärmempfinden ist subjektiv. Ein Geräusch, das der eine Mensch als positiv empfindet, kann für den anderen störend sein: Dann schnellt der Puls in die Höhe, Stresshormone werden ausgeschüttet. Dauerhafte Lärmbelastung kann krank machen - zum Teil ohne, dass der Betroffene es direkt merkt.
Lärm
© imagoLärm kann krank machen.

Eine stark befahrene Straße nervt, der Rasenmäher nebenan auch und ein startendes Flugzeug erreicht mit bis zu 120 Dezibel die Schmerzgrenze der Ohren. Wir sind täglich unterschiedlichsten Lärmquellen ausgesetzt. "Alle Geräusche, die uns umgeben, sind zunächst bloß physikalisch messbarer Schall, der auf unsere Ohren trifft", sagt der Psychologie-Professor Rainer Guski von der Arbeitsgruppe für Umwelt- und Kognitionspsychologie an der Uni Bochum. Störender Lärm werde aus den Schallwellen dann, wenn dieser Schall von den Betroffenen negativ bewertet werde.

"Bohre ich zum Beispiel ein Loch in eine Wand, bewerte ich das Geräusch der Bohrmaschine positiv, weil es mir sagt: Aha, es funktioniert", sagt Guski. Der Nachbar sehe das im Zweifel aber ganz anders. "Und je nachdem, wie das Verhältnis der Nachbarn untereinander ist, stört das Bohren sehr oder gar nicht. Das Lärmempfinden ist also subjektiv, lästig, störend. Der Körper reagiere auf jeden Schall je nach Lautstärke unterschiedlich stark. und wer erst einmal verärgert sei, reagiere auf jede Wiederholung, auf jedes vorbeifahrende Auto, auf jede Bohrmaschine heftiger, erläutert Guski:

Stresshormone werden ausgeschüttet

"Der Puls schnellt in die Höhe, Stresshormone werden ausgeschüttet und der Kreislauf wird angekurbelt. Und wer in seinem Alltag ständig Lärm ausgesetzt ist, kann auf Dauer krank werden - besonders dann, wenn er nachts im Schlaf gestört wird." "Geräusche sind dann Lärm, wenn sie uns beeinträchtigen", sagt auch der Berliner Lärmexperte Michael Jäcker-Cüppers. Der Diplom-Ingenieur ist Lehrbeauftragter an der TU Berlin für den Bereich "Städtebaulicher Lärmschutz" und berät das Bundesumweltministerium. Die Beeinträchtigung geschehe auf zwei Ebenen: Zum einen kann ein Geräusch subjektiv als belästigend empfunden werden. Zum anderen beeinflusst Lärm zum Teil unbewusst die Gesundheit.

Höheres Risiko für Herzinfarkt möglich

"Ein Geräusch kann uns zum Beispiel mehrmals in der Nacht wecken, ohne dass wir es bewusst mitbekommen", sagt Jäcker-Cüppers. Je länger die Betroffenen einem dauerhaften Lärmpegel ausgesetzt seien, desto stärker werde das Herz-Kreislaufsystem belastet. "Es klingt immer erst mal sehr beunruhigend, wenn es heißt: Lärm bedroht die Gesundheit", sagt Guski. Es lägen zwar unterschiedliche Studien vor, aus denen hervorgehe, dass schon bei einem dauerhaften Lärmpegel von mehr als 60 Dezibel das Risiko für einen Herzinfarkt steigen könne. Aber die Aussage "Lärm macht krank" müsse differenziert betrachtet werden. "Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf Lärmbelastung ", beruhigt Guski.

An Lärm kann man sich nicht gewöhnen

Es gäbe nicht immer einen Zusammenhang zwischen der messbaren Schwere der Lärmbelastung und der empfundenen Belastung durch den Lärm. Viel Belastung bedeute also nicht unbedingt, dass die Betroffenen auch krank würden. Allerdings sinke die Lebens- und Wohnqualität mit zunehmendem Lärm und das verschlimmere sich, je länger man den störenden Geräuschen ausgesetzt ist. Denn an Lärm könne man sich nicht gewöhnen, sagt der Psychologe: "Was geschieht, ist, dass die Menschen ihr Verhalten dem Lärm anpassen. Das heißt, sie schlafen immer bei geschlossenem Fenster, nutzen ihren Balkon oder ihren Garten nicht und gehen im Zweifel kaum noch vor die Tür."

Schlafzimmer auf die ruhige Hausseite legen

Für die Menschen in Deutschland ist Lärm eine der am stärksten empfundenen Umweltbeeinträchtigungen. Das geht aus einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage an etwa 2.000 Erwachsenen zum „Umweltbewusstsein in Deutschland 2010“ hervor. Etwa 55 der Befragten fühlen sich demzufolge von Straßenlärm belästigt, knapp 40 Prozent gaben an, von Nachbarschaftslärm belästigt zu werden. Gegen Straßenlärm könne sich der Einzelne sich vor allem mit sogenannten passiven Lärmschutzmaßnahmen schützen, rät Ingenieur Jäcker-Cüppers - also Fenster schließen, Fenster gut isolieren und das Schlafzimmer möglichst auf die ruhige Hausseite verlegen. Gerade in Städten, wo die Menschen aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens besonders unter dem Straßenlärm leiden, müssten auch die Verursacher auch etwas gegen den Lärm unternehmen.

Leise Haushaltsgeräte benutzen

"Man kann auf leise Verkehrsmittel wie das Fahrrad umsteigen, zu Fuß gehen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen", rät Jäcker-Cüppers. Wer nicht auf das Auto verzichten könne, leiste mit langsamem, gleichmäßigem und niedertourigem Fahren einen Beitrag zu einer leiseren Umwelt. "Im Gegensatz zu Straßenlärm ist der Nachbarschaftslärm stärker verhaltensbedingt und deswegen kann der Einzelne aktiv etwas zu seiner Vermeidung tun", meint Jäcker-Cüppers - mit leisen Geräten zum Beispiel. Bei Waschmaschinen oder Spülmaschinen ist angegeben, wie laut die Geräte sind.

Oft gibt es auch eine Silent-Version. "Bei der Gartenarbeit kann zum Beispiel man statt zu Laubbläsern zur Harke greifen, um das Laub zu entfernen", empfiehlt der Experte. Außerdem solle man auf Schutz- und Nachtzeiten achten und nicht gerade dann zu Staubsauger und Bohrmaschine greifen.

(dapd)