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© REUTERS/ YouTubeStandbild aus Afghanistan-Video
Das Skandalvideo aus Afghanistan bringt die US-Armee in Not. Das Pentagon hält den Film, in dem Marines offenbar auf tote Taliban urinieren, für authentisch. Verteidigungsminister Panetta verspricht nun, den Vorfall zu untersuchen - und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Washington - US-Verteidigungsminister Leon Panetta übt sich in Demut. "Ich habe mir die Aufnahme angeschaut und finde das Verhalten, was dort zu sehen ist, äußerst abstoßend", sagte er. Gemeint ist das Skandalvideo, auf dem offenbar US-Soldaten zu sehen sind, die auf getötete Taliban urinieren und dabei Witze reißen. Das Pentagon geht davon aus, dass es sich bei dem Clip nicht um eine Fälschung handelt. "Diejenigen, die sich daran beteiligt haben, werden sich dafür in vollem Ausmaß verantworten müssen."

Das Pentagon hat die Ermittlungen übernommen. Aus dem US-Verteidigungsministerium hieß es, der Fall werde der Strafverfolgungsbehörde der Navy und der US-Marines (NCIS) übergeben, die auch für die betroffene Infanterieeinheit zuständig ist.

Die Nato-Schutztruppe Isaf, die den Einsatz in Afghanistan leitet, teilte mit, die Personen auf dem Video hätten das Land bereits verlassen. "Die Taten scheinen von einer kleinen Gruppe US-Individuen verübt worden zu sein. Diese befinden sich offenbar nicht mehr in Afghanistan."

Aus dieser Aussage lässt sich schließen, dass die Personen auf dem Video bereits identifiziert sind - offiziell ist dies jedoch nicht bestätigt. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Informanten, bei der betroffenen Einheit handle es sich vermutlich um das dritte Bataillon, zweite Marineinfanteriedivision, stationiert in Camp Lejeune im US-Bundesstaat North Carolina.

Der 39 Sekunden lange Clip kursierte am Mittwochmorgen erstmals im Internet, unter anderem auf der Videoplattform YouTube. Darauf sind vier mutmaßliche Marineinfanteristen in Kampfanzügen zu sehen, die lachend über den Körpern von drei Männern ihre Notdurft verrichten. Eine Video-Unterschrift beschreibt die Männer als Mitglieder eines Scharfschützen-Teams aus Camp Lejeune, die Toten als Taliban. Das Originalvideo ist bei YouTube derzeit nicht mehr abrufbar.

Einer der Soldaten spottet laut CNN auf dem Band in Richtung eines der getöteten Männer: "Hab noch einen schönen Tag, Kumpel." Ein weiterer Uniformierter fragt, ob die Szene auf Film gebannt sei. "Yeah", tönt es darauf aus dem Off, die Antwort stammt offenbar vom Kameramann.

Karzai nennt Vorfall "unmenschlich"

Vor Panetta hatte sich schon dessen Sprecher John Kirby zu dem umstrittenen Video geäußert, das er "verstörend" nannte. "Egal, wer hier zu sehen ist und unter welchen Umständen auch immer diese Bilder entstanden sind: Das ist ein ungeheuerliches Verhalten und inakzeptabel für jedes Mitglied der US-Streitkräfte", so Kirby. Ihm habe sich bei dem Anblick "der Magen umgedreht".

Afghanistans Präsident Hamid Karzai forderte die USA auf, die Täter so schwer wie möglich zu bestrafen. "Die afghanische Regierung ist zutiefst verstört über ein Video, das zeigt, wie amerikanische Soldaten die Leichen von drei Afghanen entehren", hieß es in einer Mitteilung aus dem Präsidentenpalast. "Diese Tat amerikanischer Soldaten ist zutiefst unmenschlich."

Die Taliban reagierten erstaunlich moderat auf das Schock-Video und betonten mehrmals, dass dieses die laufenden Verhandlungen zwischen den Aufständischen von Taliban-Chef Mullah Omar und den USA nicht gefährden würden. "Die Amerikaner haben in unserem Land schon sehr viel schlimmere Verbrechen als das auf dem Video begangen", sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed zu Spiegel Online per Telefon von einem unbekannten Ort.

Nach einem mehr als zehnjährigen Krieg versuchen die USA und die afghanische Regierung, mit den Taliban Frieden zu schließen. So wollen die Taliban im Golfstaat Katar ein Verbindungsbüro eröffnen. Ein Unterhändler von US-Präsident Barack Obama soll am Wochenende in die Region reisen und unter anderem mit Präsident Karzai und Vertretern der Türkei, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate sprechen.

Die US-Streitkräfte sind bereits wegen einer Reihe von Vorfällen bei der afghanischen Bevölkerung in Misskredit geraten. So kam es in den vergangenen Jahren zu Bombenangriffen auf Hochzeitsgesellschaften, bei denen zahlreiche Zivilisten getötet wurden. Zudem gibt es Ermittlungen gegen Soldaten, die in der Provinz Kandahar unbewaffnete Afghanen umgebracht haben sollen.

Darüber hinaus wurden auch in Afghanistan die Bilder aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghuraib mit Entsetzen wahrgenommen: Auf den Fotos waren Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten zu sehen.

ffr/Reuters/dpa/AP