Eigentlich sollen sie für Ruhe sorgen. Doch eine neue Studie beunruhigt eher: Ihr zufolge können Schlafmittel das Sterberisiko deutlich ansteigen lassen.
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© ColourboxSogar in geringen Dosen ließen Schlaftabletten das Sterberisiko ansteigen

Die Schäfchen sind zum hundertsten Mal gezählt, doch der Schlaf will nicht kommen. Viele greifen da in ihrer Verzweiflung zu Schlaftabletten. Dass diese nicht ungefährlich sind und abhängig machen können, ist bekannt. Doch nun warnen Wissenschaftler: Die Arzneien ließen sogar das Sterberisiko ansteigen. Zudem würden sie auch die Gefahr erhöhen, an Krebs zu erkranken, schreiben Forscher um Daniel Kripke vom Scripps Clinic Viterbi Familiy Sleep Center in Kalifornien. Ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler im British Medical Journal veröffentlicht.

Schlaftabletten gehören den Autoren zufolge zu den gängigsten Medikamenten. Allein in den USA hätten zwischen sechs und zehn Prozent der Erwachsenen im Jahr 2010 Schlaftabletten eingenommen, schreiben die Forscher. "Die Zahlen dürften in Deutschland ähnlich sein", sagt der Schlafmediziner Ingo Fietze von der Berliner Charité, der auch den stern.de-Ratgeber Schlaf betreut.

Krebsgefahr steigt

In die Untersuchung schloss das Team um Kripke 10.529 Patienten ein, die Schlafmittel über einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren verschrieben bekommen hatten. Diese Gruppe verglichen die Forscher mit 23.676 anderen Personen, die diese Mittel nicht einnahmen. Die Gruppen stimmten dabei in Geschlecht, Alter, Lebensstil und eventuell vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen weitgehend überein. Im Mittel waren die Studienteilnehmer 54 Jahre alt.

Die Ergebnisse: Den Autoren zufolge zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Schlaftabletten und einem erhöhten Sterberisiko. Sogar bei Patienten, die weniger als 18 Dosen in einem Jahr eingenommen hatten, war das Risiko zu sterben um 3,5 Prozent erhöht - verglichen mit den Personen, die nicht zu den Tabletten griffen. Mit der Dosis stieg das Risiko. Wer zwischen 18 und 132 Mal im Jahr zu Schlaftabletten griff, hatte ein vierfach erhöhtes Risiko. Bei denjenigen, die mehr als 132 Dosen einnahmen, war es fünffach höher als bei der Kontrollgruppe.

Auch die Gefahr, an Krebs zu erkranken, steigt der Studie zufolge mit der Einnahme von Schlafmitteln an. Bei denjenigen, die besonders häufig Pillen schluckten, erhöhte sich das Risiko einer Krebsdiagnose demnach um 35 Prozent.

Vorhanden waren diese Zusammenhänge bei Personen jeden Alters. Am stärksten hätten sie sich allerdings bei denjenigen gezeigt, die zwischen 18 und 55 Jahre alt waren, schreiben die Autoren. Untersucht wurden in der Studie neuere Schlafmittel mit dem Wirkstoff Zolpidem und schon länger auf dem Markt vorhandene Arzneien wie Benzodiazepine.

Allerdings weisen die Autoren auch darauf hin, dass ihre Untersuchung lediglich einen Zusammenhang aufzeige. Über Ursache und Wirkung ließe sich damit noch nicht unbedingt etwas aussagen. Doch ihre Ergebnisse sehen die Forscher in einer Linie mit älteren Untersuchungen: 24 zuvor publizierte Studien hätten bereits eine Verbindung zwischen Schlafmitteln und der Sterblichkeit gefunden.

Über Alternativen nachdenken

Erklären lässt sich diese auf vielfältige, meist indirekte Weise. So könnten diese Arzneien das Reaktionsvermögen beeinträchtigen, schreiben die Autoren. Autounfälle oder Stürze sind eine mögliche Folge. Auch Depressionen könnten durch die Mittel ausgelöst werden, sodass sich die Suizidgefahr erhöhe. Manche dieser Tabletten würden auch zu Erbrechen oder dem Aufsteigen von Magensäure führen. Was wiederum Infektionen auslösen könnte.

Schlafmediziner Fietze weist darauf hin, dass auch zu wenig Schlaf die Lebenserwartung senkt - und Schlafmittel bei Weitem nicht immer helfen. "Selbst mit Schlafmitteln bekommen sie nur bei etwa 20 Prozent der Patienten eine erholsame und ausreichend lange Nachtruhe hin", sagt er. Und wer jahrelang schlecht schlafe, laufe etwa Gefahr, Bluthochdruck, Diabetes oder gar Krebs zu entwickeln. Für Fietze macht die Studie daher vor allem eines deutlich. "Es gilt weiterhin: Vorsicht vor Schlaftabletten. Wer sie aber braucht, sollte sie sich unbedingt von einem Spezialisten verschreiben lassen, damit er auch die richtigen Tabletten in der korrekten Dosierung und vor allem Dauer einnimmt."

Schlechte Schläfer sollten zudem erst einmal über Alternativen nachdenken - etwa Entspannungsübungen. Auch eine Verhaltenstherapie kann sinnvoll sein.

Für Trish Groves, Chefredakteurin des Fachblattes, in dem die Studie veröffentlicht ist, steht fest: "Obwohl die Autoren nicht beweisen konnten, dass Schlafmittel einen vorzeitigen Tod verursachen, haben ihre Analysen viele andere mögliche Gründe ausgeschlossen. Deshalb werfen diese Ergebnisse wichtige Bedenken und Fragen über die Sicherheit von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten auf."

mit DPA