Vermutlich ist man in keinem anderen Land der Erde derart bemüht, Geschlechterrollen möglichst final zu erledigen, wie in Schweden. Jetzt hält ein neues Kunstwort Einzug in die schwedische Sprache, das kleine Wörtchen »hen«. Es soll die Ansprache eine Person ermöglichen, ohne dabei ihr Geschlecht zu nennen. Denn in Schweden gilt es inzwischen als eine ausgesprochene Diskriminierung, wenn man als Mann oder Frau angesprochen wird.
Schwedische Flagge
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Während für Frauen das Wort »sie« (schwedisch »hon«) und für Männer das Wort »er« (schwedisch »han«) existiert, soll nun »hen« für alles andere und was auch immer stehen. Es entspricht nicht unserem »es«, dafür gibt es auch in Schweden bereits das Pendant »det«. Man ist also politisch bemüht, angebliche Diskriminierung beiseite zu schaffen, die allein dadurch entsteht, dass ich jemanden als Frau oder Mann erkenne und natürlich auch so anspreche. Schwedische Sprachwissenschaftlerinnen hatten diesen Vorschlag bereits in den 60er-Jahren erstmals öffentlich gemacht. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt setzt es sich durch.

Man könnte es wie üblich als eine abstruse Idee der Gender-Mainstreaming-Aktivisten abtun, die ja fleißig daran arbeiten, dass wir uns alle möglichst nicht mehr in Geschlechterrollen gepresst fühlen, sondern uns selbst aussuchen, ob wir uns denn heute als Mann oder als Frau fühlen und wie wir entsprechend angesprochen werden wollen. Doch die Schweden reden nicht nur, sie schaffen Fakten. Immerhin hat sich auch der schwedische Sprachrat bereits damit befasst und das Wort »Hen« ist demnach seit 2009 in einem ersten Wörterbuch vertreten, wenn auch erst im enzyklopädischen Teil und nicht im Wortbuchteil des sprachlichen Nachschlagewerkes.

Durch die Sprache eine Politik der »Gleichberechtigung« zu betreiben, das hat in Schweden lange Tradition. Bereits in den 60er-Jahren hatte man sich bemüht, die höfliche Anrede mit einem »Sie« durch ein freundschaftliches »Du« zu ersetzen, auch im täglichen Umgang unter Fremden und in der Wirtschaft. Das Vorhaben hat sich in Schweden nahezu flächendeckend durchgesetzt.

Doch damit nicht genug, nun nimmt man sich in Schweden die Kinder in den zahlreichen Kindertagesstätten vor. Nyamko Sabuni, derzeit Ministerin für Integration und Gleichstellung, ist nun auch politisch bemüht, Kinder von den Zwängen der Geschlechterrollen zu befreien, und ist dabei, nun auch in den staatlichen Einrichtungen deren geschlechtsneutrale Erziehung noch weiter voranzutreiben.

Dazu passt, dass es in Schweden bereits seit Jahren Bestrebungen gibt, geschlechtsneutrale Vornamen in der Gesellschaft zu konstituieren. In Deutschland ist dies (noch) nicht möglich. Hier muss am Vornamen des Kindes erkennbar sein, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt, sonst dürfen die Eltern ihr Kind nicht mit dem Namen offiziell amtlich eintragen lassen. In Schweden hingegen existieren heute bereits 170 Vornamen, die nicht eindeutig männlich oder weiblich zuzuordnen sind. Ihren Anfang nahm diese Bewegung mit einem Kinderbuch aus den 60er-Jahren, in dem das agierende Kind den Namen »Kivi« bekam und nicht erkennbar war, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.

Erste Kindergärten haben sich nun den von feministischer Seite initiierten Bestrebungen angeschlossen und erziehen geschlechtsneutral. So existiert in Stockholm der Kindergarten mit dem vielsagenden Namen »Egalia« für Kinder zwischen einem und sechs Jahren. Die Erzieherinnen sind angewiesen, die Kinder nicht mehr länger als Mädchen oder Jungen, sondern als »Freunde« anzusprechen. Jenny Johnsson, Erzieherin in Egalia, ist stolz auf das Konzept und erklärte in einem Interview: »Die Gesellschaft erwartet, dass Mädchen mädchenhaft, nett und hübsch sind und Jungen männlich, robust und offen.«

Das Konzept wird detailverliebt umgesetzt bis hin zu verwendeten Farben oder der Anordnung der Spielsachen. Nichts soll an irgendwelche Rollenklischees erinnern, die Kinder sollen sich ganz frei ihre Rolle selbst suchen. Hinzu kommt in Egalia, dass man sich dem Kampf gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transsexuellen verschrieben hat. Dementsprechend sind zum Beispiel die Kinderbücher ausgerichtet. In unzähligen kommen Homosexuelle, Regenbogenfamilien, Alleinerziehende und Adoptivkinder vor, um den Kindern die Vielfalt menschlichen Zusammenlebens nahezubringen. Im Gegenzug fehlen allerdings Märchenklassiker wie Schneewittchen oder auch Aschenputtel im Bücherregal, weil Prinzessinnen zu stereotyp sind, das passt nicht ins Konzept.

Doch auch im freien Spielen werden die Kinder angeleitet, sich von bisherigen Strukturen wie der Familie von Vater, Mutter und Kind zu lösen. Die Direktorin erzählt im Interview: »Ein konkretes Beispiel ist vielleicht, wenn sie ›Familie‹ spielen und die Rolle der Mutter schon besetzt ist und sie streiten. Dann schlagen wir zwei Mütter vor oder drei Mütter und so weiter.« Selbst in Schweden geht das Konzept manchen zu weit. Kritiker sprechen von regelrechter Gehirnwäsche der Kinder - die Direktorin verweist auf ungebremste Anmeldezahlen. Bislang habe nur ein einziges Mal ein Elternpaar sein Kind wieder aus der Einrichtung genommen.

Doch nicht nur in diesem Kindergarten ist man darum bemüht, die Gleichberechtigung von Frau und Mann von Kindesbeinen an konsequent umzusetzen, im »Egalia«-Kindergarten geschieht dies nur in besonders radikaler Form. Die Geschlechterrollen aufzubrechen, ist jedoch grundsätzlich ein wichtiger Punkt im Lehrplan aller Vorschulen. In zahlreichen Institutionen sind als Folge dieser Politik sogenannte Gender-Pädagogen beschäftigt, ständig auf der Suche nach stereotypem Benehmen. Ihre Aufgabe besteht in Schulung der Mitarbeiter, damit diese nicht in veraltete Verhaltensmuster verfallen und damit sie Hilfe bekommen beim Aufdecken von Sprach- und Verhaltensstereotypen.

Immerhin, die biologischen Unterschiede von Mann und Frau werden dort nicht geleugnet, aber welche Konsequenzen es haben wird, dass sich Mädchen und Jungen eventuell ihrer eigenen Identität nicht mehr sicher sind, das werden wir erst in den kommenden Generationen wissen. Ein böses Erwachen dürfte nicht ausgeschlossen sein.