SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: „Das sind Mafia-Verhältnisse“

Den Verdacht, dass viele Ärzte ein Extra-Honorar kassieren, wenn sie Patienten an bestimmte Kliniken überweisen, gibt es schon länger. Doch jetzt belegt erstmals eine Schock-Studie:

Jede 4. Klinik (24 %) hält so genannte „Fangprämien" für Patienten für üblich ebenso wie fast die Hälfte (46 %) der nichtärztlichen Leistungserbringer (z.B. Sanitätshäuser, Apotheken, Hörgeräte-Akustiker, Orthopädie-Schumacher) angeben, dass Vorteile wie Geld, Kostenübernahme von Tagungen oder Sachleistungen (Geräte) gängige Praxis seien.

Das heißt im Klartext: Viele Ärzte überweisen ihre Patienten gegen Geld an bestimmte Einrichtungen - unabhängig davon, ob die Klinik für die jeweilige Behandlung geeignet ist oder nicht.

Die Fallstudie belegt: Das ist eine Grauzone im Gesundheitswesen, die kaum zu kontrollieren ist und in der das illegale „Schmiergeld" zur gängigen Praxis geworden ist!

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (49) zu BILD.de:
„Das Problem ist seit zwei Jahren bekannt und die Lage ist deutlich schlimmer geworden. Das sind Mafia-Verhältnisse, die einen Riesen-Schaden verursachen, vor allem für Patienten, die so in Behandlungen kommen, die für sie nicht optimal sind. Hier wird nicht der beste Arzt gesucht, sondern dahin überwiesen, wo das meiste Schmiergeld gezahlt wird - Minister Bahr muss sofort handeln!"
Erstellt hat die Studie, die BILD.de vorliegt, Prof. Dr. Kai Bussmann (56, Uni Halle-Wittenberg) im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes. Zusammen mit TMS Emnid Bielefeld wurden über 1.100 niedergelassene Fachärzte, stationäre Einrichtungen und nichtärztliche Leistungserbringer befragt, und so eine repräsentative Untersuchung vorgelegt.

Knapp ein Fünftel (19 %) der befragten Ärzte gab an, das Verbot, sich an der Zuweisung von Patienten zu bereichern oder dafür Vorteile zu gewähren, nicht mal zu kennen!

Die Mehrheit wusste zwar, dass die „Fangprämien" laut Berufsordnung illegal sind, doch 40 % der Befragten gaben an, es nur als Handlungsempfehlung zu verstehen. Denn: Im schlimmsten Fall droht eine Rüge der Ärztekammer, aber kein gerichtliches Nachspiel.

Und: Die Höhe der Extra-Honorare ist unklar. Ein Mediziner zu BILD.de: „Niedergelassene Ärzte kassieren am meisten, sind aber auch häufig Geber. Urologen kriegen so bis zu 20 Mal mehr Honorar als üblich."

Ein Großteil der Befragten hält das Risiko, entdeckt zu werden, für sehr gering: 52 % der Ärzte und 53 % der nichtärztlichen Leistungserbringer waren sich mangelnder Kontrolle und der Tatsache, dass kaum Sanktionen drohen beim Vorgehen mit solchen „Fangprämien", bewusst.

Auch CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn (32) ist empört, machte gegenüber BILD.de klar: „Fangprämien sind illegal! Dabei geht es nicht um das Wohl der Patienten, sondern ums Portemonnaie der Ärzte. Jeder einzelne Fall ist völlig inakzeptabel."

Die aktuelle Schock-Studie belegt auch, dass eine Kontrolle über die Extra-Honorare und darüber, ob die Klinik, zu der überwiesen wird, geeignet ist für die Behandlung oder die OP, kaum möglich ist. Als das Problem 2009 aufkam, wurden bei den Landesärztekammern „Clearing-Stellen" eingerichtet. Nur: Die sind machtlos, wenn ihnen nicht freiwillig Fälle gemeldet werden.

Nur 3 % der befragten Ärzte suchten dort Rat. Immerhin 36 % der nichtärztlichen Leistungserbringer informierten ihren Berufsverband über einzelne Fälle von „erwarteten Zuwendungen".

Karl Lauterbach:
“Minister Bahr und die FDP haben das verschlafen. Die SPD hat jetzt im Gesundheitsausschuss den Antrag eingebracht, dass in solchen Fällen von Fangprämien niedergelassene Ärzte strafrechtlich für den Tatbestand der Bestechlichkeit belangt werden können. Nur dann wird sich endlich etwas ändern!"