In den USA suchen die Behörden nach Parallelen zwischen den beiden Kannibalen-Fällen in Miami und Baltimore. Die Spur führt zu einer Droge, von der es wahre Horrorgeschichten gibt.

Kannibale Baltimore
© DAPDDer Kannibale von Baltimore: Antony K.
Erst in Miami, jetzt in Baltimore. Innerhalb weniger Tage erschüttern zwei erschreckende Kannibalismus-Fälle die USA. Rudy E. attackierte in Miami auf einer Highway-Brücke einen 65-jährigen Obdachlosen. Der nackte Angreifer riss dem Mann mit den Zähnen das Fleisch vom Gesicht, aß Nase und Augen und benahm sich laut Zeugen wie ein "Zombie" und "tollwütiger Hund". Die 18-minütige Attacke hörte erst auf, als ein Polizist den 31-Jährigen mit einem halben Dutzend Schüssen erschoss.

Kurz darauf gestand der 21-jährige Antony K. aus Baltimore vor Gericht, Teile von Hirn und Herz eines 37-jährigen Mitbewohners aus Ghana gegessen zu haben. Der Fall wurde nur bekannt, weil Vater und Bruder des Studenten Überreste des Opfers im Waschkeller entdeckt hatten und die Polizei riefen.

Die US-Zeitung Baltimore Sun berichtet, K. habe noch versucht, die Tat zu vertuschen, indem er die Metallbüchsen, in denen die Hände und der Kopf des Mannes steckten, verschwinden lassen wollte. Getötet hat er sein Opfer vermutlich mit einem Baseballschläger, bevor er ihn mit einem Messer zerschnitt.

Die beiden Vorfälle überraschen auch deshalb, weil die Täter eigentlich als ruhige Charaktere galten. Antony K. studierte Elektrotechnik, lebte mit seiner Familie in einem ruhigen Vorort und war zuvor nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Rudy E. war zwar ein paar Mal wegen Haschisch-Besitzes festgenommen worden, der Autowäscher lebte aber nach seiner Scheidung laut Aussage seines Onkels wieder in geregelten Verhältnissen.

Organe verbrennen innerlich

Offenbar hatte Rudy E. einen Rückfall. Denn dass er bei seiner Kannibalen-Attacke unter Drogen stand, darüber besteht bei der Polizei in Miami kein Zweifel. Zunächst hieß es, Rudy E. habe möglicherweise unter einer "Kokain-Psychose" oder eine LSD-Überdosis gelitten. Inzwischen vermuten die Experten jedoch, dass er die Modedroge "Badesalz" eingenommen hatte - eine Substanz, die unter anderem Methylendioxypyrovaleron in kristalliner Form enthält.

US-Ärzte bezeichnen das ursprünglich aus China stammende "Badesalz" auch als das "neue Kokain", weil es geraucht, aber auch geschnupft wird und eine ähnliche Wirkung hat. Konsumenten entkleiden sich häufig und besitzen plötzlich übermenschliche Kräfte. Allerdings werden "Badesalz"-Konsumenten dabei häufig gewalttätig und glauben, ihre Organe würden innerlich verbrennen. Es gibt Horror-Berichte über Selbstverstümmelungen, Depressionen und Gewaltexzesse. "Wenn die Polizei hinzukommt, sind sie wandelnde Leichen", berichtet ein Drogen-Experte dem "Miami Herald".

Trotz des Risikos gilt die Droge in vielen US-Bundesstaaten noch als legal und wird in Tabak- und Eckläden mit dem seltsam anmutenden Hinweis "nicht zum Verzehr geeignet" verkauft. Ein Gramm kostet zwischen 20 und 50 Euro. Namen wie "Ivory Wave" oder "Angel Dust" täuschen vor, die Droge sei harmlos. Dabei kann es neben ernsthaften körperlichen Ausfällen vor allem zu psychischen Problemen wie Halluzinationen und Psychosen führen.

Körpertemerpatur von 42 Grad

Mittlerweile wird in den USA ein landesweites Verbot angestrebt. Denn in Zusammenhang mit "Badesalz" registriert die Polizei immer mehr Mord- und Todesfälle. In Seattle tötete das Mitglied der US-Armee David Stewart seine Ehefrau, seinen fünf Jahre alten Sohn und anschließend sich selbst. In New Jersey erschlug der 22 Jahre alter Student William Parisio auf einem"Badesalz"-Trip seine gleichaltrige Freundin.

Aus New Jersey wurde ebenfalls ein besonders schlimmer Fall von Selbstverstümmung bekannt: Ein Mann schnitt sich dabei mit einem riesigen Messer selbst den Bauch auf und warf Teile seiner Gedärme auf die anrückenden Polizisten. Der 43-Jährige, der als Drogensüchtiger bekannt war, überlebte schwer verletzt.

In New York kletterte ein Mann nach der Einnahme von "Badesalz" auf einen Flaggenmast, stürzte ab und starb. Ein anderer erschoss sich selbst mit einem Jagdgewehr. In einem Fall fiel ein Mann bestialisch über die Haustiere seiner Nachbarn her.

Der "New York Times" berichtete ein Arzt aus Florida über einen Fall, bei dem die Körpertemperatur eines eingelieferten Konsumenten auf über 42 Grad gestiegen war. "Man hätte auf seiner Stirn Eier braten können", sagte der Mediziner laut "New York Times". "Auf der Liste von Drogen, die ich niemals anfassen würde, steht das ganz oben", zitierte das Blatt Karen E. Simone, Direktorin eines Drogenzentrums in New England.

In Deutschland registrierte die Polizei erstmals 2008, dass "Badesalz" verkauft wurde. Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, warnen vor einem Konsum dieser "Legal High"-Produkte, die auch als harmlos deklarierte Kräutermischungen verkauft werden. Hauptsächlich wird die Substanz übers Internet vertrieben.

Ob auch der Kannibale von Baltimore Drogen genommen hat, wird jetzt untersucht.

kami
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