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© dpa / Hendrik Schmidt
„Vorsicht: Diesel ist krebserregend!“ - die Warnung von WHO-Forschern könnte Autofahrer und Passanten erschrecken. Die Automobilbranche widerspricht. Deutsche Krebsforscher sagen: Rauchen ist gefährlicher.

Nach Überzeugung von Forschern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) können Dieselabgase von Autos und Maschinen bei Menschen Krebs auslösen. Deshalb wurden diese Schadstoffe jetzt offiziell als krebserregend klassifiziert. „Der wissenschaftliche Beweis ist überzeugend“, sagte der Leiter einer entsprechenden Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon, Christopher Portier.

Deutsche Autobauer kritisierten am Donnerstag, die Untersuchung basiere auf Emissionswerten alter Dieselmotoren ohne Filtersysteme. Auch Heidelberger Krebsforscher warnten vor Panikmache.

Die IARC-Forschungsgruppe sei „übereinstimmend“ zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Diesel-Abgase bei Menschen Lungenkrebs erzeugen“, betonte Portier laut einer Mitteilung der Agentur, die zur WHO gehört. Internationale Wissenschaftler stellten die Studie in Lyon vor.

Zwar räumen die Forscher ein, dass die Gefahr einer Krebserkrankung durch das Einatmen von Abgasen eher gering sei. Jedoch müsse bei Menschen, die oft und intensiv Dieselabgase inhalieren, von einer direkten Verbindung zu Lungenkrebs ausgegangen werden. „Heute hat die Internationale Agentur für Krebsforschung Dieselabgase als krebserregend für Menschen klassifiziert“, heißt es in der Erklärung vom 12. Juni.

Die IARC-Wissenschaftler fordern: „Weltweit muss der Kontakt (von Menschen) mit dieser Mixtur von Chemikalien reduziert werden.“ Immer noch seien „große Bevölkerungsteile im täglichen Leben Dieselabgasen ausgesetzt, sei es durch ihren Beruf oder die Umgebungsluft“. IARC-Chef Kurt Straif schätzt nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung aber auch, dass die Gefahren selbst bei Berufskraftfahrern eher mit jenen des Passivrauchens vergleichbar sind.

„Rauchen ist immer noch deutlich schlimmer als Dieselabgase - das hat die neue Studie gezeigt“, sagte die Medizinerin Eva Frei vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Sie verwies darauf, dass die Untersuchungen, die der IARC-Studie zugrunde lagen, in Minen in Amerika vorgenommen worden seien, die in der Vergangenheit mit dieselbetriebenen Fahrzeugen gearbeitet haben. „Eine Mine ist nur bedingt belüftet, nicht so wie eine Straße draußen mit Himmel darüber.“

Zudem sei die Technologie in Europa und Nordamerika so weit, dass Rußfilter effektiv und die Umweltstandards sehr hoch sind. „Leute, die geraucht haben, haben ein massiv höheres Risiko als Leute, die unter Dieselabgasexposition gearbeitet haben.“ Dennoch sei die Lyoner Studie „sicher fundiert und es war nötig, dass Diesel noch einmal bewertet wurde“. In Europa bestehe kaum „extremer Handlungsbedarf - bei Fahrzeugen auf der Straße ist da schon so viel geschehen“.

Nach Angaben der Autoindustrie und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) sind die Schadstoffemissionen bei Dieselmotoren in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, während die Motoren leistungsfähiger wurden. Neben dem günstigeren Tankstellen-Preis im Vergleich zu Benzin ist dies für viele Autokäufer ein wichtiges Argument.

Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) hieß es am Donnerstag, die Lyoner Forscher hätten veraltete Motoren untersucht: „Diese über acht Jahre alten Motoren repräsentieren in keiner Weise die heute im Markt vorhandene fortschrittliche Dieseltechnologie.“

Neuwagen der ab 2014 verbindlichen Schadstoffklasse Euro 6 stoßen laut VDA 98 Prozent weniger Partikel, flüchtige Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid aus als Fahrzeuge vor Einführung der Abgasnorm vor 20 Jahren. Bei Stickoxiden betrage der Rückgang 75 Prozent. „Der sparsame und saubere Dieselmotor ist und bleibt ein wesentlicher Baustein der nachhaltigen Antriebs- und Kraftstoffstrategie.“

Unter Verdacht stand Diesel bereits vor vielen Jahren: 1988 hatte die IARC nach ersten Studien den Verdacht geäußert, dass „Dieselabgase vermutlich auf Menschen krebserregend“ wirken. Zehn Jahre später sei empfohlen worden, Forschungen zur potenziellen Schädlichkeit von Dieselabgasen „hohe Priorität“ einzuräumen.