Finanzdistrict in London
© BloombergFinanzdistrict in London: Wer hier nicht mehr arbeiten darf, "flieht" ins Ausland.
Londoner Banker erhalten zunehmend Berufsverbote auf Lebenszeit, weil sie Vorschriften zum Markt- Missbrauch gebrochen haben. Mit dieser drastischen Maßnahme versucht die dortige Aufsichtsbehörde, als strengerer Regulierer wahrgenommen zu werden.

Die Anzahl der Banker, die von der Financial Services Authority (FSA) mit einem Berufsverbot belegt wurden, erreichte in den zwölf Monaten bis April 2011 ihren bisherigen Höhepunkt. In dem Zeitraum wurden insgesamt 71 Menschen aus der Banken- und Hypothekenbranche verbannt. Zum Vergleich: 2003 hatten lediglich vier Personen ein Berufsverbot von der FSA erhalten. In den zwölf Monaten bis April 2012 lag die Anzahl der Verbannungen bei 47. Die Angaben stammen aus dem neuen FSA-Jahresbericht, der in dieser Woche in London veröffentlicht wurde.

Nach Auffassung von Experten zählen die Berufsverbote zu den Nachwehen von Finanzkrise und europäischer Staatsschuldenkrise. Die Entscheidungsträger in der Region haben die Branche stärker ins Visier genommen und unter anderem Obergrenzen für Bonuszahlungen eingeführt. In London dürfte die Anzahl der Beschäftigten in der Branche einer Studie zufolge auf das niedrigste Niveau in 16 Jahren zurückfallen.

Letzter Ausweg

Die Berufsverbote “sollten nur als letzter Ausweg genutzt werden”, fordert Arun Srivastava, Chef des Bereichs Finanzdienstleistungen bei der Londoner Kanzlei Baker & McKenzie. “Man muss an die Auswirkungen denken für die Person, die aus der Branche ausgeschlossen wird. Denn das ist das Ende der Karriere.”

Zu den prominentesten Bankern mit Berufsverbot gehören Ravi Shankar Sinha, der frühere Chef der britischen Sparte von JC Flowers & Co. Er wurde für das Fälschen von Rechnungen mit einer Strafzahlung von 2,87 Mill. Pfund (3,55 Mill Euro) belegt. Seit Februar darf er nicht mehr im Finanzsektor arbeiten. Alberto Micalizzi, Gründer des zusammengebrochenen Hedgefonds Dynamic Decisions Capital Management Ltd., traf dasselbe Schicksal im Mai, weil er Investoren in die Irre geführt hat. In diesem Fall lag die Strafzahlung bei 3 Mill. Pfund (3,7 Mill. Euro).

Hohe Dunkelziffer

Die Dunkelziffer der Banker mit Berufsverbot könnte noch viel höher sein, sagt Arno Chakrabarti, Anwalt bei Allen & Overy LLP in London. Einige Händler beispielsweise würden mit der FSA Vereinbarungen schließen, denen zufolge sie freiwillig nie wieder in der Branche arbeiten - um das Licht der Öffentlichkeit zu meiden. Und wieder andere würden von ihren Arbeitgebern wegen Regelverletzungen gefeuert und seien damit quasi auf einer schwarzen Liste der FSA.

Laut Chakrabarti dürfte die Zunahme der Berufsverbote in den vergangenen Jahren auch damit zusammenhängen, dass immer mehr kleinere Mitspieler in die Finanzbranche drängen - etwa kleine Hedgefonds oder Handelsfirmen. Diese “kleineren Firmen haben nicht die großen Compliance-Abteilungen, über welche die großen Banken verfügen”, erläutert er.

"Flucht" in die Schweiz

Trotz eines Berufsverbotes in Großbritannien müssen sich Banker nicht zwangsweise nach einem Job in einer anderen Branche umsehen. Oft reicht es schon, das Land zu verlassen und woanders zu arbeiten.

Steven Perkins - ein Ölhändler, der in Großbritannien für fünf Jahre aus der Branche ausgeschlossen wurde, weil er in einem durch Alkohol verursachten Blackout gehandelt hatte - wurde von Starsupply Renewables SA in der Schweiz angestellt. Er erstellt dort jetzt Ausbildungsmaterialien für den Nachwuchs.

Und Sachin Karpe, ein früherer Abteilungschef in der UBS-Vermögensverwaltungssparte in London, ging zur indischen Altamount Capital Management. In Großbritannien gelang es ihm nicht, gegen ein lebenslanges Berufsverbot vorzugehen. Dieses war verhängt worden, weil er bis zu 50 nicht autorisierte Handelsgeschäfte über Kundenkonten getätigt hatte.

“Es überrascht nicht, dass jemand nach Indien oder in die Schweiz geht”, sagt Srivastava. “Das sind Leute, die verdienen etliche hunderttausend Pfund im Jahr. Plötzlich werden sie entlassen. Das lässt ihnen nicht viele Optionen.”


Kommentar: Offensichtlich lässt es ihnen, d.h. den Psychopathen, die sich sehr gerne auch in der Finaznwelt tummeln, mehr als genug Optionen, ihren gewissenlosen und rücksichtslosen Handlungen ungestraft weiter nachzugehen.


(Bloomberg)