Wer verliert den Realitätsbezug?

Am gestrigen Abend wurde auf der ARD ein Weltspiegel allein dem Thema Syrien gewidmet. Man musste zeigen, wie brav man bei dem öffentlich-rechtlichen Sender die Propaganda-Maschinerie zu betreiben weiß, die von der NATO diktiert wird. Jürgen Todenhöfer erhielt einen Gesprächstermin mit dem syrischen Präsidenten Assad, 20 Minuten. Die Zeit nutzte Todenhöfer sehr geschickt, wählte seine Fragen sehr gekonnt und brachte alle Vorwürfe, die gegen Assad und seinen engen Zirkel immer wieder durch die Presse gejagt werden, an. Assad gab gute, nachvollziehbare Erklärungen, egal, wie auch immer man zu diesem Mann stehen mag.
todenhöfer, assad
© AFP

Im Interview gab Bashar al-Assad erneut an, Unterschiede zu machen zwischen den Terroristen und den friedlichen Demonstranten. Alle, die in diesem Konflikt Menschenrechtsverletzungen begingen oder begehen werden zur Rechenschaft gezogen werden, auch eigene Männer, die ihre Stellung auskosten und Macht ausüben wollen bzw. Brutalität an den Tag legen, werden bestraft. Assad erklärt, dass sich sein Land im Krieg befinde, dass die Terroristen die meisten Menschen umbringen, in Uniformen gekleidet begehen sie Verbrechen, die sie dann der Armee unterjubeln wollen. Nachvollziehbare Argumente, die in den vergangenen Wochen und Monaten auch als wahr dargestellt wurden.

Assad nutzt die Plattform, um erneut die eigentlichen Drahtzieher und Täter des innersyrischen Konflikts beim Namen zu nennen, was dann übrigens zur gespielten Empörung der Moderation des Weltspiegels führt. Wie kann Assad nur die USA, die Golfstaaten und die Türkei dafür verantwortlichen machen, was in Syrien passiert, dass in Syrien Menschen umgebracht werden und zwar täglich. Dabei wird in einem Video-Einpieler deutlich gezeigt, welche Rolle gerade Qatar im syrischen Konflikt spielt. Aus dem kleinen, aufstrebenden Land kommen nicht nur Gelder, sondern auch Waffen, vielleicht sogar Kämpfer nach Syrien. Die Türkei hilft logistisch beim Schmuggel und gewährt CIA-Mitarbeitern freie Hand bei der Ausbildung von Rebellen gegen Assad.

Klar ist, dass keiner der Staaten, die momentan die Gegner Assads massiv unterstützen darauf hoffen, dass Russland und China irgendwann Assad fallen lassen und im Sicherheitsrat für eine Intervention stimmen. Denn und diese Frage kam auch in der ARD auf, wer solle denn dann die Truppen schicken. Es gibt kein Staat, der dazu in der Lage oder bereit wäre. Außerdem erweist sich das schmutzige Spiel, was seit über einem Jahr gespielt wird, als sehr effizient und praktisch für die NATO-Vasallen. Man tut alles, die Rebellen zu unterstützen und predigt nach außen hin Diplomatie, der man aber von Beginn an nie eine Chance einräumte. Man entwickelt Befriedungspläne, die man durch die zwiespältige Politik von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Bestes Beispiel: Der Sechs-Punkte-Plan Annans.

Von Anfang an, wirkten gewisse Kräfte (sicher nicht innerhalb der syrischen Regierung) gegen die erfolgreiche Umsetzung des Plans. Obwohl die Regierung in Damaskus immer wieder betonte, den Plan umsetzen zu wollen, aber gleichzeitig verpflichtet sei, die Bevölkerung zu schützen, war das natürlich für die großen Syrienexperten Zand und Armbruster, die im Weltspiegel die Analysten mimten, ein gefundenes Fressen die Assad-Regierung zur Verantwortung zu ziehen und das Scheitern des Annan-Planes allein der Regierung in die Schuhe zu schieben. Das Interview mit Assad zeigte vielleicht dem einen oder anderen doch, dass der Präsident sehr intelligent ist und die Lage in Syrien einzuschätzen vermag. Immer wieder betonte Assad Dialogbereitschaft mit all den Kräften, die tatsächlich an einem Dialog und Veränderung auf friedlichem Wege sind.

Ob man Assad hier tatsächliche Wahrheitsliebe unterstellen sollte, sei einmal dahingestellt. Dafür, dass die Regierung angeblich offen ist für einen Dialog und Reformen, passieren zu wenige überzeugende Schritte, um dies wirklich umzusetzen. Dennoch ist Assad zu Reformen bereit und hat eingesehen, dass er im politischen Alltag doch Änderungen einbringen muss, will er irgendwann wieder Ruhe in sein Land bringen. Da sich die Fronten jedoch in den letzten Monaten verhärtet haben, ist es fraglich, ob in Syrien je wieder Alltag einkehren wird, solange Assad an der Macht ist. Um zu überzeugen, müssten wesentlich überzeugendere Argumente und vor allem Taten aus den Regierungskreisen kommen.

Nach dem zwanzig minütigem Interview zwischen Todenhöfer und Assad, fuhr die ARD ihre Propagandamaschinerie hoch. Dazu waren ja auch die beiden richtigen Experten ins Studio eingeladen worden: Zand (Spiegel) und Armbruster und man begann nun nicht das Interview tatsächlich zu analysieren, sondern einmal mehr die Lage in Syrien herzubeten und alle bereits verkündeten Lügen und Halbwahrheiten erneut herzubeten. Zand und Armbruster warfen Assad Realitätsverlust bzw. Realitätsverweigerung und Zynismus vor, da er in ihren Augen alles umkehrte. Doch ist dem tatsächlich so?

Außerhalb der ARD-Wahrheiten gibt es viele Beweise, die Assads Argumentation als glaubwürdig, nachweisbar und belegt zeigen. Sowohl Zand als auch Armbruster zeigten sich als Unterstützer der Rebellen und NATO-Instrumente, die immer wieder darauf bedacht waren, Assad Legitimität abzusprechen, entgegen allem, was in den letzten Monaten und Wochen ans Licht kam. Gemäß der ARD-Politik durch immer wiederkehrende Gehirnwäsche die Zuschauer zu manipulieren, glänzten beide mit Halbwissen oder Arroganz der Wahrheit gegenüber. Von einer sachlich, objektiven Darstellung der Ereignisse in Syrien waren beide Journalisten weit entfernt.

Beispielgebend für die Fehlinformationen im Weltspiegel seien hier nur kurz zwei Behauptungen und Darstellungen genannt: Der Beginn der Demonstrationen und das Massaker von al-Houla. Während Armbruster den Zuschauern immer wieder gebetsmühlenartig vorlügt, dass die Jugendlichen in Daraa zu Tode gefoltert wurden und die Erwachsenen daraufhin auf die Straße sind, um für Reformen zu demonstrieren, stellt er das Regime so dar, wie es im Westen dargestellt werden soll - als aus der Hölle entsprungene Bluthunde. Doch was passierte damals wirklich in Daraa? Hierzu gab es mehrere Berichte. Fakt ist, dass die Jugendlichen geschlagen und misshandelt wurden. Fakt ist, dass eine empörte Menge auf die Straße ging, um nach Reformen und der Bestrafung des Gouverneurs zu rufen.

Was gern bei der Berichterstattung im Mainstream ausgelassen wird, ist, dass bei den Demonstrationen Schüsse fielen, bei denen sowohl Polizisten als auch Demonstranten ums Leben kamen. Außerdem wird gern ausgelassen, dass der Gouverneur zur Verantwortung gezogen wurde. Gern wird auch verheimlicht, dass Assad die Familien der Jugendlichen traf und bereit war, auf die Forderungen der Menschen einzugehen. Das von Stämmen dominierte Gebiet im Süden Syriens schien aber da schon Gelder von anderen Stellen zu bekommen. Die Stämme lehnten Assads Angebote ab und forderten seinen Sturz. Sind das nicht Details, die den Lesern und Zuschauern auch genannt werden sollten? Nur so kann man sich selbst ein Bild der Lage machen. Doch Herrn Armbrusters Logik sieht anders aus.

Natürlich kam man auch in diesem Weltspiegel noch einmal auf das Massaker von al-Houlah zu sprechen, immerhin hatte es ja auch Todenhöfer in seinem Interview angesprochen. Ein Video, übrigens sehr gut geschnitten, von dem Kind, dass das Massaker überlebte, weil es sich tot stellte, wurde eingespielt, um die Gehirnwäsche perfekt zu machen. Es war der kleine Junge Ahmad, der an diesem Tag sicher durch die Hölle gegangen ist und dessen Aussage dann für den Zweck des Westens missbraucht wurde. Auch die ARD zeigte nur Bruchstücke und schnitt diese so, dass man durchaus der Armee die Schuld an dem Massaker geben kann. Dass der Junge Männer mit Bärten und Glatzen sah, wurde dem Zuschauer gestern Abend vorenthalten. Dafür brillierte aber Herr Zand mit Augenscheinlichkeiten.

Obwohl Zand keine Beweise für seine Behauptungen hat, wirft er ein, dass in Syrien keine Islamisten die Waffen gegen Assad erhoben haben. Komisch nur, dass selbst sonst anti-syrisch eingestellte Medien auch davon berichten, dass in den Videos immer wieder die Kampfrufe „Allah akbar“ zu hören sind und dass die schwarzen al-Qaida Fahnen wehen. Selbst wenn es nicht die von den USA gegründete al-Qaida selbst ist, sind islamistische Banden in Syrien unterwegs, die vor allem auch von Saudi-Arabien geschickt werden, um in Syrien den Einfluss der Sunniten zu vermehren. Doch welche Beweise oder Argumentation kommt schon gegen den eigenen Augenschein von Herrn Zand an.

Der Weltspiegel war ein abgekartetes Propagandaportal gegen Syrien, dass am Ende aber auch keine Lösung für den Konflikt in Syrien bringen konnte. Alle Anwesenden manövrierten sich mit ihrer Analyse, dass keiner wirklich in Syrien intervenieren will ins Aus. Damit blieb also für die Diagnose, wie es in Zukunft mit Syrien weitergehen wird, kein Argument mehr offen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Syrien. Die Schlimmste und die, die es zu verhindern gilt ist das Auseinanderreißen des Staates in mehrere kleine Stammesgebiete deren Kontrolle die Großmächte unter sich aufteilen. Um wirklich Frieden zu schaffen, muss die Bewaffnung der Rebellen enden und man muss mit Russland und China an einem Strang ziehen, um Möglichkeiten für einen Dialog ohne Vorbedingungen zu schaffen. Doch ob das tatsächlich auf offene Ohren bei den NATO-Staaten führen wird, ist fraglich. Denen kommt eine so zermürbende Situation, wie sie derzeit in Syrien ist, nur zugute.