Drastische Folgen hat der hormonähnliche Stoff Bisphenol A in Gewässern in den USA: Weit verbreitete Karpfenfische bandeln unter seinem Einfluss mit fremden Arten an. Und diese Seitensprünge sind nicht harmlos.

Hormonähnliche Chemikalien in Flüssen beeinflussen das Fortpflanzungsverhalten von Fischen. Mitunter erkennen die Tiere ihre eigenen Artgenossen nicht mehr und paaren sich mit fremden Arten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie amerikanischer Forscher um Jessica Ward von der University of Minnesota (Evolutionary Applications, online).


Die Wissenschaftler konzentrierten sich in ihren Untersuchungen auf den umstrittenen Stoff Bisphenol A (BPA) und dessen Auswirkungen auf Cyprinella venusta und Cyprinella lutrensis, zwei etwa zehn Zentimeter große Karpfenfische, die in nordamerikanischen Flüssen verbreitet sind. BPA ähnelt dem weiblichen Sexualhormon Östrogen, ist ein wichtiger Ausgangsstoff zur Synthese polymerer Kunststoffe und gelangt über Haushaltsprodukte sowie Medikamente in Flüsse.

Die Biologen setzten Fische beider Arten in getrennten Tanks zwei Wochen lang einer BPA-Belastung aus. Anschließend wurden die fremden Arten einander zugeführt. Die Forscher beobachteten, wie einige Fische ihre artfremden Genossen für potenzielle Partner hielten und deshalb zu balzen anfingen.

Seine Befunde erklärt das Team damit, dass BPA den Hormonhaushalt der Tiere durcheinanderbringt. Die Wissenschaftler warnen gleichzeitig vor langfristigen ökologischen Folgen, besonders in Gebieten, die von invasiven Arten bedroht sind. Wenn die Art keine Fortpflanzungsbarriere mehr darstellt, gefährde dies die Biodiversität und begünstige die Eindringlinge, schreiben sie.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese menschengemachten Chemikalien die Hybridbildung zwischen den Arten wahrscheinlicher machen", folgert Ward. Hybriden sind - wenn überhaupt lebensfähig - meist unfruchtbar. Auch für den Menschen ist BPA gesundheitsschädlich. Studien deuten darauf hin, dass der Stoff in hohen Konzentrationen die männliche Sexualfunktion stört. In den 1930er Jahren diente BPA als Ersatz für Östrogen, wurde jedoch bald von anderen Mitteln abgelöst.

Dass neben BPA auch andere Stoffe den Tieren im Wasser zu schaffen machen, zeigt eine weitere aktuelle Studie der Washington State University unter Leitung von Jenifer McIntyre (Ecological Applications, online). Sie beobachtete, dass bereits kleinste Mengen Kupfer den Geruchssinn von Lachsen derart beeinträchtigen, dass sie im Ernstfall die von Artgenossen ausgesendeten Schreckstoffe nicht wahrnehmen.

So bleibt der Fluchtreflex aus und die Lachse werden zu leichter Beute für Fressfeinde. Beide Untersuchungen verdeutlichen, wie empfindlich das Ökosystem Wasser auf minimale Veränderungen von außen reagiert.