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© dpaSoll in den 1990er Jahren vom MAD als Informant angeworben sein: NSU-Mitglied Uwe Mundlos
Bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie ist ein neuer Skandal ans Licht gekommen: Der Militärische Abschirmdienst MAD soll 1995 versucht haben, den späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos als Informanten anzuwerben. Der Neonazi verweigerte jedoch die Zusammenarbeit.


Der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr (MAD) hatte offensichtlich bereits in den 1990er-Jahren eine Akte über das Mitglied des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), Uwe Mundlos, angelegt und ihn als möglichen Informanten angeworben.

Diesen Vorwurf erhob der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag am Dienstag bei seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause. Die Abgeordneten äußerten sich empört und zitierten den MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier noch für den Nachmittag in das Gremium. Bisher hatten alle deutschen Behörden stets abgestritten, dass sie Mitglieder des Neonazi-Trios als Quellen angeworben hätten.

Parlamentarische Anfrage über mögliche Akten

Die Rolle des MAD ist im Zusammenhang mit der NSU bislang unklar. Mundlos hatte in den Jahren 1994 und 1995 seinen Grundwehrdienst in einer Thüringer Kaserne geleistet. Fraglich war bisher jedoch, was der MAD als Geheimdienst der Bundeswehr an Informationen über Mundlos gesammelt haben könnte.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hatte Ende August bei der Bundesregierung mit einer parlamentarischen Anfrage noch einmal nachgehakt - und die Antwort brachte nun ans Licht, dass offensichtlich eine Akte Mundlos existierte: Er gehörte demnach während seines Wehrdienstes zu einer Gruppe von sechs Soldaten, die als Rechtsextreme auffielen - unter anderem weil sie Skin-Musik hörten.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Sebastian Edathy (SPD) sagte, Mundlos sei damals befragt worden. Der MAD habe eine Akte dazu angelegt und diese an das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen weitergeleitet. Unklar ist, ob und was von den Unterlagen noch erhalten ist. Beim MAD ist laut Antwort der Bundesregierung nichts mehr vorhanden. In den jetzt aufgetauchten Akten sei nachzulesen, dass Mundlos bei der Vernehmung gestanden habe, dass er rechtem Gedankengut nahestehe.

Laut Spiegel Online distanzierte Mundlos sich zwar indirekt von dem Mord an Millionen Juden in der Nazi-Zeit und erklärte, das sei eine „schlimme Sache“ gewesen. Allerdings habe Mundlos über Asylbewerber gelästert. Der Nachrichtendienst habe Mundlos gefragt, ob er bereit sei, über geplante Anschläge auf Asylbewerberheime zu berichten. Mundlos habe dies verneint. Zum einen nehme er an solchen Aktionen nicht teil, außerdem könne er sich „nicht vorstellen, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren“, zitierte Spiegel Online aus den Akten.

Akten wurden dem Untersuchungsausschuss offenbar vorenthalten

Edathy betonte, der Untersuchungsausschuss habe bei den zuständigen Behörden alle Unterlagen zu den Mitgliedern der Terrorzelle angefordert. Seit März wüssten die betroffenen Stellen über die Unterlagen von damals Bescheid, hätten dies dem Parlament aber vorenthalten. „Ich bin entsetzt“, sagte Edathy. „Das wird Folgen haben müssen.“ MAD-Präsident Birkenheier sollte noch am Dienstagnachmittag im Ausschuss erscheinen, um den Vorgang aufzuklären.

Auch die Befragung eines anderen MAD-Vertreters wurde auf den Nachmittag verschoben. Die Ausschussmitglieder reagierten empört auf die Neuigkeiten. „Das war heute wieder ein Schockerlebnis im Ausschuss“, sagte der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland. „Das ist ein weiterer Vertrauensbruch.“ Auch das Verteidigungsministerium und das Bundesinnenministerium hätten von der Existenz der Akte gewusst, diese Information aber nicht weitergegeben. „Das nährt natürlich ein ums andere Mal Verschwörungstheorien.“

Mordserie wegen Ermittlungspannen?

Die Linke-Obfrau Petra Pau sagte, sie fühle sich vom MAD belogen. Der Geheimdienst habe versichert, dass es keine Unterlagen zu Mundlos gebe. Die SPD-Obfrau Eva Högl sagte: „Das ist ein echter Skandal.“ Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) bezeichnete den Vorgang als unerklärlich und unvorstellbar. Der Untersuchungsausschuss startete seine Zeugenvernehmung am Dienstag wegen der neuen Entwicklung mit zwei Stunden Verspätung. Zunächst befragten die Abgeordneten Verfassungsschützer aus Hessen zu dem Mord an einem türkischen Internetcafébesitzer 2006 in Kassel.

Die Zwickauer Terrorzelle aus den Jenaer Neonazis Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe soll für zehn Morde verantwortlich sein. Die Opfer waren neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Im vergangenen November war die Gruppe nach einem Banküberfall im thüringischen Eisenach aufgeflogen. Mundlos und Böhnhardt sind tot. Der Bundestagsausschuss befasst sich seit Januar mit der Serie von Verbrechen, bei deren Aufklärung es diverse Fehler und Pannen gab.

nhh / AFP/dpa