Unlängst haben zahlreiche Medien abgehoben, um der deutschsprachigen Welt eine Sensation verkünden zu können: Ökologisch angebautes Obst und Gemüse ist genauso gesund oder ungesund, wie die chemische Gülle aus den Lebensmittelfabriken. Tagelang war das in Radios zu hören und in Zeitungen zu lesen.
Bio, organic food
© ftlol.comDie Debatte über Bio-Nahrung
Es ist nahezu unglaublich, was diese “Gesellschaften mit beschränkter Bodenhaftung” zu Papier brachten, um diese Standpunkt zu beweisen. Dem Spiegel war dieses Thema sogar 2 Artikel wert, damit sichergestellt ist, dass auch wirklich jeder Leser diese “frohe” Botschaft versteht (http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/oekolandwirtschaft-biolebensmittel-schuetzen-die-umwelt-a-853780.html und http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/bioprodukte-sind-kaum-gesuender-als-konventionelle-lebensmittel-a-853617.html). Doch worauf gründet sich all dieses?

Eine Arbeit, die keine ist

Die Basis für die Aussagen von Spiegel und N-TV war eine frisch veröffentlichte Arbeit aus den USA (Are organic foods safer or healthier than conventional alternatives?: a systematic review. - https://ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22944875). Wer aber jetzt eine randomisierte, doppelblinde, Plazebo kontrollierte Studie unter Langzeitbedingungen erwartet, eine zentrale Forderung für aussagekräftige Arbeiten, der wird sich enttäuscht zurück lehnen müssen.

Es handelt sich hier lediglich um eine Metaanalyse. Bei dieser Analyse wurden 17 Humanstudien und 223 Studien über Nährstoffgehalt und Kontaminierung einbezogen. Von den 17 Studien mit Menschen waren nur drei Arbeiten unter klinischen Bedingungen durchgeführt worden. Über die anderen 14 und unter welchen Bedingungen diese durchgeführt worden waren, gibt es im Abstract keine Angaben. In dieser Veröffentlichung wurden ebenfalls keine Angaben gemacht über die Gesamtzahl der Patienten oder Probanden der 3 klinischen Studien.

2 der 3 klinischen Studien berichteten über signifikant geringere Pestizidwerte im Urin von Kindern, die mit organischen Lebensmitteln ernährt wurden. Bei Erwachsenen dagegen konnten solche Unterschiede im Blut, Urin, Samen, Muttermilch usw. nicht beobachtet werden (Auch hier wieder die Suche an der falschen Stelle, damit man zu unbedenklichen Ergebnissen gelangt. Eine Untersuchung des Fettgewebes oder der Leber z.B. hätte sicher ein paar andere Ergebnisse gebracht. Denn wenn alles Gift hier eingelagert ist, dann kann es auch nicht andernorts auftauchen.).

Generell wurde ein potentiell geringeres Risiko für eine Pestizidbelastung bei den organischen Lebensmitteln eingeräumt. Auch das Risiko für Bakterien, die gegen 3 oder mehr Antibiotika resistent waren, war bei den industriell gezüchteten Hühnchen und Schweinen deutlich höher als bei den organisch gehaltenen. Der Schluss der Autoren lautete deshalb, dass „die bisher veröffentlichte Literatur nicht hat zeigen können, dass organische Lebensmittel signifikant mehr Nährstoffe enthalten als konventionelle. Der Konsum von organischen Nahrungsmitteln mag die Belastung an Pestizidrückständen und antibiotikaresistenten Bakterien herabsetzen.

An dieser Stelle möchte ich einen für mich besonders wichtigen Satz noch erwähnen: „Limitation“. Hier schrieben die Autoren, dass das untersuchte Studienmaterial sehr heterogen ausfiel und nur eine sehr geringe Anzahl an Arbeiten aufwies. Außerdem gab es wohl Grund für die Vermutung, dass einige dieser Arbeiten nicht ganz vorurteilsfrei angefertigt wurden (... and publication bias may be present.). Für mich ist das ein sonnenklares Eingeständnis von Seiten der Autoren, dass man ihre Aussagen und Rückschlüsse nicht besonders ernst nehmen kann. Außerdem ist für mich diese Veröffentlichung auch nur eine weitere Arbeit um der Arbeit willen, damit die Liste der Veröffentlichungen für die unterzeichnenden Autoren um einen Punkt länger wird.

Wer aus diesem Wirrwarr an retrospektiven Analysen von 3 winzigen Studien zu einem allgemeingültigen Schluss kommen will, der muss seine Bodenhaftung längst aufgegeben haben. Wenn man dann noch sehen muss, dass in dieser Arbeit klinische Studien mit Nahrungsmittelstudien verquickt werden (im Taubenschlag geht es nicht weniger bunt zu), dann fragt man sich, welche geistige Höhen haben N-TV und Spiegel inzwischen erklommen, um aus diesen Aussagen eine neue Theorie zu entwickeln. Ich schätze, dass inzwischen Höhen erreicht worden sind, wo man mit den Engeln reden und die neu gewonnenen Ansichten schon als Religion verkaufen kann.

Nicht gesünder als Pestizide

Aber ganz so schlimm sind die viel teuren biologischen Naturprodukte dann doch nicht. Es gibt ein deutliches Plus: die Umwelt. Da hier weniger oder gar kein Pestizid zum Einsatz kommt, ist die Umwelt geschont und auch die Produkte haben keine Rückstände zu verzeichnen. Aber gesünder sind sie deshalb immer noch nicht! Jetzt klemmen bei mir die Hirnwindungen.

Die Aussage von Spiegel und N-TV heißt doch dann, dass mit Pestiziden belastete Nahrungsmittel genauso gesund sind wie die ohne Pestizide. Es kommt noch bunter: für die Umwelt ist der Wegfall von Pestiziden ein Vorteil. Für uns Menschen ist ein solcher Wegfall ohne Belang.

Ohne Belang?

Habe ich da schon wieder etwas falsch verstanden?

Damit hätte die Studie also bewiesen, dass Pestizide nur für die Umwelt schädlich sind, für uns Menschen aber genauso gesund wie pestizidfreies Obst und Gemüse?

Zu ähnlich abenteuerlichen Ergebnissen muss dann auch ein Agrarforscher vom wissenschaftlichen Beirat (oder muss es „Beirut“ heißen?) des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft kommen, der von dem N-TV-Beitrag eiligst zitiert wird. Denn der Herr Urs (bedeutet auf deutsch ja Bär) Niggli verkündet hier, dass alle die konventionellen Lebensmittel, die lebensverkürzend sind, vom Markt genommen werden müssten.

Prima!

In der Tat ein bärenstarkes Argument. Denn da ja kein Lebensmittel vom Markt genommen wird, ist damit bewiesen, dass keines das Leben verkürzt und somit alle gesund sind. Damit hat unser bäriger Agrarforscher seinen unnützen und wirren Beitrag als Anhang zu der wirren Metastudie aus den USA geleistet. Auch hier wurde wieder einmal bewiesen, was man beweisen wollte. Denn es scheint unserem Agrarbär noch nicht aufgefallen zu sein, dass in der Vergangenheit und bis in die Gegenwart immer noch lebensverkürzende Produkte auf dem Markt sind, die schleunigst vom Markt genommen werden müssten. Oder gehören Zigaretten z.B. seit Neuestem nicht mehr in diese Kategorie? Oder sind die inzwischen doch vom Markt genommen worden? Aber Herr Niggli will nicht einsehen, dass gesundheitlichen Belangen keine hohe Priorität zugemessen wird. Hauptsache der Rubel rollt. Und bei den Glimmstängeln rollte er mächtig. Also übersieht man galant die gesundheitlichen Folgeschäden, warnt ohne Ende, macht Kampagnen gegen das Rauchen und erzählt dann dem Lungenkrebskranken, dass er selber Schuld hat, wenn er jetzt den letzten Zug macht.

Bei den biologischen Lebensmitteln wird die Argumentation anders herum geführt. Während man Zigaretten kein Gesundheitszeugnis ausstellen kann und somit einfach totschweigen muss, wird bei den biologischen Lebensmitteln ein anderer Weg eingeschlagen - da die ja angeblich gesund sein sollen. Um hier der „notleidenden“ Lebensmittelindustrie den Rücken zu stärken, werden mit Vorurteilen versehene Studien in die Welt gesetzt, die das Gesundheitspotential der biologischen Nahrungsmittel einfach abstreiten.

Wie weit die Protagonisten dieses Irrsinns sich hier aus dem Fenster lehnen, zeigt die verlängerte Schlussfolgerung, dass Pestizide auf den gesundheitlichen Status eines Menschen keine Auswirkungen haben. Bei solchen maroden Beweisführungen sollte es dann ein Leichtes sein, auch Zigaretten eine gesundheitlich positive Seite zu bescheinigen. Denn wenn man lange genug an den Zahlen dreht, staucht, zerrt, dehnt, dann wird auch das im Bereich des Möglichen sein. Oder?


Kommentar: Der Kaninchenbau reicht tiefer, als es dem Autor bewusst ist. Wer sich über objektive Studien über die positiven Wirkungen von Nikotin informieren möchte, kann dies über die Suchfunktion von Sott.net tun.

Interessant in diesem Zusammenhang ist dass, während die Eliten eine Verbreitung von genmanipulierter Nahrung für die Massen fordern, ziehen sie selbst es vor, sich ausschließlich biologisch zu ernähren: Die Eliten essen Bio - Monsanto für die Massen (englischer Artikel)


Fazit

Zigaretten und Pestizide sind unbedenklich. Biologische Lebensmittel viel zu teuer, aber wenigstens umweltfreundlich, ohne dabei wirklich gesund zu sein. Darüber hinaus machen amerikanische Forscher Metaanalysen ohne Sinn und Verstand und deutsche Zeitungen und Journale zitieren nur die Hälfte solcher Hau-Ruck-Arbeiten - nämlich die Passagen, die in den eigenen Mist passen. Relativierende Aussagen auf den Aussagewert der Veröffentlichung werden schamhaft verschwiegen. Denn diese würden den Religionscharakter der eigenen Botschaft kräftig unterminieren. Und für den Spiegel und N-TV ist die Welt der Lebensmittel so flach wie eine Papp-Pizza, wo doch jeder weiß, dass sie rund ist wie ein biologisch angebauter Apfel.