Teheraner Behörden haben die EU wegen des Ausstrahlungsverbots von 19 iranischen Satellitensendern (Radio- und Fernsehkanälen) mit scharfen Worten kritisiert. Die Abschaltung erfolgt im zeitlichen Zusammenhang mit der jüngsten weiteren Verschärfung der EU-Sanktionen. Der Politikexperte Chris Bambery erklärte gegenüber Russia Today, die Abschaltung sei ein massiver Angriff auf die Rede- und Meinungsfreiheit.
PressTV
Der französische Satellitenbetreiber Eutelsat und der britische Provider Arqiva stoppten die Ausstrahlung des iranischen Staatsfernsehens bereits am Montag. Zu den Nachrichtensendern, deren Programme nun nicht mehr gesendet werden, gehören Press TV in englischer Sprache und Al-Alam, dessen Programm auf Arabisch ausgestrahlt wurde.

Die Abschaltung erfolgte kurze Zeit nach der Verhängung noch verschärfter Sanktionen gegen den Iran, zu denen auch ein Importverbot für iranisches Erdgas an EU-Länder gehört. Mohammad Sarafraz, Vizepräsident der Sendeanstalt Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB) verurteilte die Entscheidung, die Ausstrahlung der 19 Sender einzustellen, als »politisch motiviert«. Gegenüber der pakistanischen Finanztageszeitung Business Recorder erklärte er, die »Verträge sind immer noch gültig, und Eutelsat hat den zwischen uns geltenden Vertrag einseitig und ohne rechtliche Grundlage gebrochen«. Er fügte hinzu, IRIB-Juristen seien bereits damit befasst, rechtliche Schritte einzuleiten.

Press TV ließ verlauten, in einer Erklärung, die den Sender als E-Mail erreichte, habe Arqiva mitgeteilt, die entsprechende Entscheidung sei vom EU-Rat getroffen worden. Und Karen Badalov, Gebietsleiter bei Eutelsat, erklärte Berichten zufolge gegenüber Press TV: »Wir haben die Verträge auf Anordnung der Europäischen Kommission aufgekündigt. Wir mussten dieser Anweisung Folge leisten.«

»Abweichende Berichterstattung über den Iran soll abgewürgt werden«

In einem Gespräch mit Russia Today sagte der Politikexperte Chris Bambery, diese Vorgehensweise der EU stelle eine massive Verletzung der Rede- und Meinungsfreiheit dar.

Die neuen Sanktionen sollen sich nicht auf die Medien beziehen, warum wird dann die Ausstrahlung der iranischen Sender verhindert, und warum gerade jetzt?

Chris Bambery: Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um den Eindruck zu gewinnen, dass dieses für Europa geltende Ausstrahlungsverbot gegenüber 19 Fernseh- und Radiosendern einen weiteren Schritt in Richtung eines militärischen Vorgehens gegen den Iran darstellt. Denn die Abschaltung der Ausstrahlung erfolgte am gleichen Tag, als die EU weitere Sanktionen gegen den Iran verhängte und vor dem Hintergrund des anhaltenden Ausbaus der militärischen Präsenz Amerikas und seiner Verbündeten England und Frankreich im Persischen Golf; nicht zu vergessen die »Sirenengesänge« aus Tel Aviv, die ständig ein amerikanisches Vorgehen gegen den Iran fordern.

Wir haben es deshalb meiner Ansicht nach mit einer weiteren Beschleunigung dieser Entwicklung zu tun, und die Entscheidung, den iranischen Sendern den Zugang zu den europäischen Sendesatelliten zu versperren, wurde nicht auf der Ebene der Privatunternehmen, sondern, wie den Iranern auch mitgeteilt wurde, vom Rat der europäischen Außenminister und möglicherweise auf höchster Ebene sogar von der Europäischen Kommission getroffen. Das Europäische Parlament ist nicht befugt, diese Entscheidung aufzuheben.

Ich halte dieses Vorgehen für einen massiven Angriff auf die Rede- und Meinungsfreiheit. Hier wird offenbar versucht, jede alternative Berichterstattung über den Iran auszuschalten, die das mit allen Mitteln durchgesetzte, vorherrschende Bild des Irans als eines Terrorstaates, der außer Kontrolle geraten und gefährlich ist, gefährdet. Und natürlich soll uns die Tatsache vorenthalten werden, dass der Iran Zugeständnisse und Kompromisse in Bezug auf das Atomproblem angeboten hat - weil es der im Westen vorherrschenden Darstellung widerspricht.

Warum wird einfach beiseite geschoben, dass der Iran zu Zugeständnissen bereit ist? So erklärte das Land, man sei jetzt bei den Verhandlungen über das Atomprogramm zu einer flexibleren Haltung bereit. Sie haben die massive Verstärkung der Militärpräsenz und die Verschärfung der Sanktionen angesprochen. Warum werden die Signale aus Teheran dann einfach ignoriert?

Chris Bambery: Die Amerikaner wollen im Iran einen Regimewechsel. Ich glaube nicht, dass es vor den Präsidentschaftswahlen im November zu militärischen Aktionen kommen wird, aber man darf meiner Ansicht nach auf keinen Fall den tiefsitzenden Hass unterschätzen, den die Amerikaner als Folge der Revolution von 1979, des Sturzes des Schahs, der einmal ihr wichtigster Verbündeter in der Region war, sowie der Erstürmung und Besetzung der amerikanischen Botschaft - immerhin befand sich in Teheran das CIA-Hauptquartier - empfinden. Diese Ereignisse werden von den Amerikanern immer noch als tiefe Demütigung empfunden. Man sollte also die Entschlossenheit der Amerikaner, sich am Iran zu rächen, nicht unterschätzen. Der stetige Ausbau der militärischen Präsenz, der sich gegenwärtig im Persischen Golf vollzieht, könnte ein hervorragender Ausgangspunkt für Vergeltungsaktionen sein!

Sie haben erwähnt, auch im Iran selbst verstärke sich der Wunsch nach einem Regimewechsel. Dennoch kam es in letzter Zeit zu antiamerikanischen und das Atomprogramm unterstützenden Demonstrationen. Nach Meinung von Experten ist die traditionell prowestlich eingestellte Mittelschicht dabei, sich gegen Washington zu wenden. Bedeuten die jetzigen Entwicklungen dann nicht einen weiteren Rückschlag?

Chris Bambery: Das hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass der Westen seine eigene Geschichte verdrängt und nicht versteht, wie der Iran den Westen sieht. 1953 wurde die demokratisch gewählte Regierung des Irans durch einen Putsch gestürzt, der von den Briten inszeniert worden war, weil es die Regierung gewagt hatte, die anglo-amerikanischen Erdölkonzerne zu verstaatlichen. Das iranische Volk hat nicht vergessen, dass der Schah von den Briten und Amerikanern eingesetzt wurde. Und sie erinnern sich an die Folterungen und die Unterdrückung unter dem Schah, der von den USA und England gestützt wurde. Sie haben auch nicht vergessen, dass der Schah bestärkt wurde, ein Atomprogramm zu verwirklichen. Unter dem Schah wurde es zugelassen, aber jetzt soll es verboten sein. Und zum iranischen Nationalismus gehört es, dass sich die Iraner von früheren Kolonialmächten nicht gerne Verbote machen lassen. So gesehen wurde diese Haltung zu einer Art Prüfstein für den Nationalstolz. Und das gilt auch für diejenigen, die dem Ahmadinedschad-Regime kritisch gegenüberstehen.