Regierung warnt vor syrischer Chemiewaffenbedrohung - Debatte über mögliche Bodeninvasion
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© dapdSyrien-Konflikt: Deutschland schickt "Idiotie"-Raketen in die Türkei und sorgt für Verschärfung...
Berlin. Die Türkei kann im Syrien-Konflikt auf militärische Unterstützung der Bundeswehr zählen. Dazu will die Bundesregierung zwei Staffeln "Patriot"-Raketen und bis zu 400 Mann für ein Jahr bereitstellen. Das beschloss das Kabinett am Donnerstag in Berlin. Bereits in der kommenden Woche soll der Bundestag über den Einsatz entscheiden. Während die Linke bereits ihr Nein ankündigte, wollen SPD und Grüne noch offene Fragen wie die genaue Stationierungsorte geklärt sehen.

Die Raketensysteme und ihr Bedienungspersonal werden nach Verlegung in die Türkei dem Oberbefehlshaber der Alliierten Truppen in Europa (SACEUR) unterstellt, kündigte Vereidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) an. Zugleich wird in dem Mandat festgelegt, dass die deutschen "Patriots" nicht in den syrischen Luftraum hinein wirken dürfen. Beides hatten etwa die Grünen zur Vorbedingung für eine Parlamentszustimmung gemacht.

Schutz vor C-Waffen-Bedrohung

De Maizière begründete den Einsatz deutscher "Patriot"-Raketen in der Türkei mit einer möglichen syrischen Bedrohung mit Chemiewaffen. Das Nachbarland der Türkei sei im Besitz solcher Waffen, die "bereit und verwendungsfähig" seien, und es verfüge zugleich über Hunderte von ballistischen Raketen als Trägermittel, sagte der CDU-Politiker. Da das Assad-Regime über solche Fähigkeiten verfüge, müsse es eine Abschreckung geben, "damit nicht in der Endphase des Regimes jemand auf falsche Gedanken kommt".


Kommentar: Die Chemiewaffen waren bereits vor ein paar Monaten ein Thema gewesen und dienen jetzt als Rechtfertigung, um die Raketen stationieren zu dürfen.


Deutschland plant daher, sein "Patriot"-System auch mit den neuesten PAC-3-Lenkflugkörpern auszustatten, die in der Lage sind, ballistische Raketen mit einer Reichweite von bis zu 1.000 Kilometer abzufangen. Zudem sollen auch ältere PAC-2-Modelle zum Einsatz kommen. Sie haben eine größere Reichweite und können gegen Flugzeuge, Drohnen oder Marschflugkörper eingesetzt werden. Beim Schutz des NATO-Verbündeten sollen die deutschen Soldaten zusammen mit "Patriot"-Einheiten aus den USA und den Niederlanden wirken. Nur diese drei NATO-Staaten verfügen über die modernsten Abfangsysteme.

Offene Fragen der Opposition

Bei der Abstimmung im Bundestag in der kommenden Woche kann die Regierung mit Unterstützung von SPD und Grünen rechnen, die sich grundsätzlich positiv äußerten. Hier gehe es um "Solidarität, Schutz und Abschreckung", sagte SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. Allerdings bestünden noch offene Fragen. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, der das Einlenken der Regierung auf Grundsatzforderungen seiner Partei lobte. Nötig sei bei der konkreten Stationierungsentscheidung ein "notwendiger Abstand" zur türkisch-syrischen Grenze.

Ein klares Nein kam derweil von der Linksfraktion. Es sei von der Regierung "verantwortungslos, 400 deutsche Soldaten mitten in den Nahost-Konflikt zu schicken, der momentan jederzeit in einen regionalen Krieg münden kann", sagte Außenexperte Jan van Aken.

Kein Beitrag zur Bodeninvasion

Äußerst besorgt zeigte sich der Bundesausschuss Friedensratschlag. Dessen Sprecher Peter Strutynski warnte, "Patriot"- und AWACS-Einsatz stellten "einen Meilenstein auf dem Weg der NATO in den Krieg dar mit potenziell verheerenden Folgen für die gesamte Region". Mit der Verlegung deutscher Raketensysteme in Grenznähe könne eine Flugverbotszone durchgesetzt werden. "Dies wäre eine günstige Ausgangslage für eine Bodeninvasion", sagte Strutynski.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wies solche Spekulationen in aller Schärfe zurück. "Deutschland ist an keinerlei Überlegungen oder Planungen beteiligt, die auf eine Intervention hinauslaufen", versicherte der Außenminister. Die "Patriot"-Raketen seien ein "reines Defensivsystem", ein Einsatz in Syrien sei mit der Verlegung "in keiner Weise verbunden". Vielmehr zeige Deutschland Solidarität mit einem NATO-Partner, "wenn sie gebraucht wird".