»Warum täuschen die Mächtigen«, lautete die Überschrift eines Artikels der Zeitung USA Today, in dem es um die angebliche außereheliche Beziehung des CIA-Direktors General David Petraeus ging, die schließlich zu seinem Rücktritt führte.
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Diese Frage ist sozialwissenschaftlich von Interesse, wenn es um das Leben herausragender Persönlichkeiten geht, aber die weitaus wichtigere Frage, die das politische Leben unserer Republik der USA insgesamt betrifft, lautet doch: Warum verletzten so mächtige und einflussreiche Personen wie Petraeus und sein vor Kurzem erst wiedergewählter Vorgesetzter ihren Amtseid, der sie verpflichtet, die Verfassung zu achten, zu schützen und zu verteidigen?


Kommentar: Ein höchst interessantes Buch, das eine erschreckende Antwort auf diese Fragen liefert, ist: POLITISCHE PONEROLOGIE: Eine Wissenschaft über das Wesen des Bösen und ihre Anwendung für politische Zwecke


Zu den verheerendsten Aspekten der Hinterlassenschaft von Petraeus als CIA-Chef dürfte wohl die immer deutlicher hervortretende militärische Rolle des Geheimdienstes gehören.

Robert Wright schrieb dazu in einem Artikel im Magazin Atlantic:
»Als David Petraeus im Herbst 2011 von der Kommandozentrale in Afghanistan auf den Chefposten der CIA wechselte, schien dies ein erschreckend normaler Vorgang zu sein. Ich sage ›normal‹, weil die CIA Drohnenangriffe in der Großregion Afghanistan/Pakistan durchführt und dort auch an anderen militärischen Operationen beteiligt ist, so dass Petraeus in seiner neuen Funktion den Krieg in Afghanistan fortsetzte. Und ich meine ›erschreckend‹, weil diese Überschneidung von Aufgaben des Pentagon und der CIA die Folge einer schleichenden Militarisierung der CIA ist, die die nationale Sicherheit der USA untergraben.

Diese Entwicklung zeichnete sich schon unter der Regierung Bush deutlich ab, hat sich aber unter Präsident Obama, der die Drohnenangriffe massiv ausgeweitet hat, noch beschleunigt und erreichte eine Art symbolischen Höhepunkt, als Obama diesen Vier-Sterne-General zum Chef in Langley ernannte. Dies wäre eine perfekte Gelegenheit gewesen, einmal über die Weisheit nachzudenken, Führungspositionen im Pentagon und der CIA praktisch austauschbar zu machen. Aber stattdessen hielt das Netzwerk aus Journalisten, Denkfabriken, Regierungsvertretern und anderen, die das so genannte ›außerpolitische Establishment‹ bilden, an ihrer bisherigen praktisch ungebrochenen Tradition fest, die wirklich entscheidenden Fragen außer Acht zu lassen.«
Ein Beispiel für diese beschleunigte und verstärkte Rolle der CIA bei Militäroperationen schilderte auch ein Bericht in dem Magazin Wired, nach dem in diesem Jahr allein in Afghanistan 333 Drohnenangriffe stattgefunden haben. Bemerkenswerterweise hat die CIA unter Petraeus bei diesen Angriffen eine führende Rolle eingenommen. Weiter heißt es in dem Wired-Bericht:
»›Der Unterschied zwischen den Operationen in Afghanistan und den Operationen in Pakistan und anderswo hat mit dem grundlegenden Unterschied zwischen einem offenen militärischen Vorgehen einerseits und verdeckten Operationen andererseits zu tun, die von den Geheimdiensten gesteuert und durchgeführt werden. [Dieser Unterschied] verändert alle Aspekte, von der Transparenz der Befehlsgewalt bis hin zur Überwachung der Einhaltung der Einsatzvorschriften und den Folgen, sollte ein Luftangriff fehlschlagen‹, schrieb Peter W. Singer, der die ›Verteidigungsinitiative 21. Jahrhundert‹ der Denkfabrik Brookings Institution leitet, per E-Mail. (Ich lege alles offen: Ich habe dort den Status eines ›ortsfremden Mitglieds‹). Und weiter: ›Aus diesem Grunde waren die militärischen Aspekte sehr viel weniger umstritten, und darum haben sich viele dafür eingesetzt, diese Praxis auszuweiten, als die Angriffe allmählich von zunächst vereinzelten, verdeckten Operationen zu einem regulären Luftkrieg übergingen.‹«
Das Militär verfügt über 61 "Predator"- (»Raubtier«) und "Reaper" (»Sensenmann«) - Drohnen, die zu Luftüberwachungseinsätzen mit jeweils drei bis vier Drohnen (den so genannten "Combat Air Patrols", CAP) benutzt werden. Die CIA verfügt angeblich nur über etwa 30 bis 35 Drohnen, wenn man auch von einer gewissen Überschneidung der dem Militär einerseits und dem Geheimdienst andererseits unterstellten Luftflotte ausgehen kann. Im vergangenen Monat berichtete die Washington Post, die CIA wolle ihre Flotte um etwa zehn weitere Drohnen vergrößern, da diese unbemannten Flugkörper (UAV) im Rahmen des weltweiten Kampfes des Geheimdienstes gegen den Terrorismus eine immer umfangreichere und wichtigere Rolle spielen. Für Petraeus genoss die Vergrößerung des Arsenals an Drohnen sowie die Ausweitung ihres genehmigten Einsatzgebietes hohe Priorität. Wie bereits im Oktober berichtet wurde, wiederholte der CIA-Direktor und frühere General David Petraeus (der auch dem internationalistischen "Council on Foreign Relations" angehört) immer wieder, eine verstärkte Drohnen-Präsenz erleichtere es seinen Agenten mit den »Bedrohungen in Nordafrika« fertig zu werden. In diese Region ziehen sich nach Ansicht der Regierung in verstärktem Maße Al-Qaida-Kämpfer zurück, um den Angriffen der von den im Himmel über Pakistan und dem Jemen patrouillierenden Drohnen abgefeuerten "Hellfire"-Raketen zu entgehen.

Aber auch Nordafrika ist längst Schauplatz von Drohnenangriffen geworden. Wie die Washington Post am 24. Juli berichtete, geht der Großteil der Überfüllung des Luftraums über Somalia auf Drohnenflüge zurück. Die Lage sei so schlimm, schreibt die Post, dass sie eine »Gefahr für den Luftverkehr in der Region« darstelle.

Möglicherweise stellen die ausufernden Drohnenflüge über dem ostafrikanischen Land darüber hinaus zusätzlich eine Verletzung des 1992 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängten Waffenembargos (in deutscher Sprache hier zu finden) dar, das immer noch in Kraft ist. Der Artikel in der Post zitiert einen UN-Bericht, in dem Mitarbeiter dieser internationalen Einrichtung auf verschiedene Zwischenfälle Bezug nehmen, bei denen Zusammenstöße zwischen Drohnen und zivilen Flugzeugen oder Objekten am Boden nur »knapp vermieden« werden konnten. In einen dieser Zwischenfälle waren eine Drohne und ein Passagierflugzeug im Luftraum über der somalischen Hauptstadt Mogadischu verwickelt.

Die Verfasser des UN-Untersuchungsberichts bringen die USA nicht direkt mit diesen Ereignissen in Verbindung, aber sie weisen darauf hin, dass »mindestens zwei der beteiligten Drohnen in den USA hergestellt« worden seien und dass Washington wenig mitteilsam sei, wenn es um seine Drohnenoperationen in Somalia gehe.

Der Bericht verzeichnet 64 nicht genehmigte Drohneneinsätze, Einsätze von Kampfflugzeugen oder Hubschrauberflüge in Somalia seit Juni 2011. An mindestens zehn der dokumentierten Flüge waren Drohnen beteiligt.

Auch wenn das amerikanische Militär keine Informationen über seine weltweiten Drohneneinsätze herausrückt, ist bekannt, dass es Drohnen von amerikanischen Militärstützpunkten vom ostafrikanischen Dschibuti, von den Seychellen und von Äthiopien aus startet und einsetzt. In einer Erklärung vom Juni räumt die Regierung Obama ein, dass sie »robuste Operationen gegen al-Qaida und mit ihr verbündete Kräfte auch in Somalia« durchführe. 2011 bestätigte das Militär, als Teil einer Operation sei auch ein Drohnenangriff gegen zwei mutmaßliche führende Vertreter der al-Shabaab, eines Al-Qaida-Ablegers in Somalia, geführt worden. Auch dieser Einsatz von Drohnen und das Abfeuern von Raketen auf Militante könnten als Verletzung des o.g. Waffenembargos von 1992 gesehen werden, da Drohnen, die "Hellfire"-Raketen mit sich führen, offensichtlich »ausschließlich militärischen Zwecken« dienen, was nach den Bestimmungen des Embargos verboten ist.

Die Entscheidung darüber, ob die CIA zusätzliche Drohnen erhält, wird letztlich von einer Gruppe getroffen werden, die »von John O. Brennan, Berater des Präsidenten in Fragen der Terrorismusbekämpfung, geleitet wird«, berichtet die Washington Post unter Berufung auf Regierungsvertreter. Auch hier sind es wieder einflussreiche Personen, die entschlossen sind, ihren auf die Verfassung geleisteten Eid zu brechen.

Bei dieser Gruppe soll es sich Berichten zufolge um die gleichen einflussreichen, im Geheimen agierenden Personen handeln, die auch darüber entscheiden, wer für die berüchtigte »Tötungsliste« des Präsidenten vorgeschlagen wird und wie rasch die Eliminierung dieser Zielpersonen im Rahmen einer vom Präsidenten angeordneten standrechtlichen Hinrichtung erfolgen sollte.

Lassen wir noch einmal Robert Wright zu Wort kommen:
»Die Umstände, unter denen Petraeus seinen Chefposten in der CIA räumte, sind schon etwas beunruhigend. Der Chefspion sollte eigentlich nicht so sorglos sein. Aber die Umstände seiner Ernennung zum CIA-Chef vor einem Jahr waren deutlich beunruhigender. Aber die kritischen Stimmen, die sich damals äußerten, waren verglichen mit dem Tumult, der jetzt im Zusammenhang mit Petraeus veranstaltet wird, kaum hörbar.

Während die Spuren des vermeintlich ›verkommenen‹ Lebenswandels des Generals und seine angebliche Untreue gegenüber seiner Frau die etablierten Medien noch lange und ausführlich beschäftigen werden, sollte sich das größere Interesse eigentlich auf die Untreue so vieler einflussreicher und mächtiger Personen richten, die den Sirenenklängen uneingeschränkter Macht erlagen und ihren Verpflichtungen gegenüber dem Rechtsstaat, der Herrschaft des Rechts und den in der Verfassung verankerten Beschränkungen staatlicher Autorität nicht nachgekommen sind.«