Eine sinnvolle Lösung der US-Haushaltskrise ist für Starökonom Shiller nicht in Sicht, dies gefährde auch Europa
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© standard/cornRobert Shiller in Wien: "Wenn wir eine anständige Gesellschaft haben wollen, brauchen wir mehr Gleichheit."
Höchst pessimistisch schätzt der prominente Ökonom Robert Shiller von der Yale University die Aussichten für die US-Wirtschaft ein. Die schwache Konjunktur würde eine kräftige Spritze in Form von milliardenschweren staatlichen Investitionen benötigen, die durch höhere Steuern finanziert werden sollten, sagte er im Standard-Gespräch am Freitag in Wien. Doch mit einem solchen Ergebnis sei in den Verhandlungen zwischen dem Weißen Haus und den Republikanern im Kongress über die Überwindung der "Fiskalklippe" nicht zu rechnen. " Wahrscheinlicher sind zuerst kurzfristige Notlösungen und danach ein gesichtswahrender Kompromiss wie das Stopfen einiger Steuerschlupflöcher" , sagte er. "Doch das wird nicht reichen." Werden, wie erwartet, die Staatsausgaben weiter gekürzt, "dann wird es eine Rezession geben, die sich auch auf Europa auswirken wird. Das wird die Lage in den USA weiter verschärfen, und dann könnte es eine weltweite Rezession geben."

Wien - Steuererhöhungen für Reiche seien allein deshalb notwendig, um die wachsende Ungleichheit zu verringern, sagt Shiller, der in Wien sein neues Buch Märkte für Menschen (Campus Verlag) vorstellte. Wenn die Republikaner nicht bereit seien, Einkommenssteuern zu erhöhen, weil sie sich per Eid verpflichtet hatten, könnte man etwa eine Mehrwertsteuer einführen, die es in den USA nicht gibt, sagt Shiller: "Wenn wir eine anständige Gesellschaft und Gerechtigkeit haben wollen, brauchen wir mehr Gleichheit."

Die weitverbreitete Sorge über staatliche Pensions- und Gesundheitsausgaben sei übertrieben, glaubt Shiller, die Kosten von Medicare würden vor allem steigen, weil die Versorgung immer besser werde, auch etwa bei den von mehr Bürgern dringend benötigten psychologischen Therapien.

"Opfer böser Anekdoten"

Auch in Europa sei die strikte Sparpolitik selbstzerstörerisch und werde selbst von den Finanzmärkten nicht gutgeheißen. Allerdings würden die Märkte die verschuldeten Südeuropäer höchst unfair behandeln, sagt der Finanzmarktexperte: "Die Griechen sind das Opfer von bösen Anekdoten über Verschwendung und Anspruchsdenken. Ohne das hätten sie die Staatsverschuldung gemeistert. Aber es gibt so viele Vorurteile gegen diese Kulturen, und die werden von den Finanzmärkten noch weiter verstärkt."

Eine Folge dieser emotionalen Einschätzungen von Gut und Böse sei etwa, dass es in Nordeuropa bereits Anzeichen einer Immobilienblase gebe, weil zu viel Geld leichtsinnig in diese Märkte fließe, warnt Shiller, der in früheren Büchern mehrere Blasen vorausgesagt hat: "Kein Land der Welt ist vor Blasen sicher."

Er hoffe, dass der Euro als Symbol der Einheit überlebt, aber "als Symbol wird der Euro an Bedeutung verlieren, weil die Menschen in Zukunft immer weniger Bargeld verwenden werden." Der Austritt Griechenlands wäre keine Katastrophe, ein reiner Nord-Euro aber ein Problem für die EU.

Für weitere Finanzinnovationen

Jedenfalls befürwortet Shiller weitere Finanzinnovationen. So könnte etwa Griechenland durch Anleihen, die an das eigene Wirtschaftswachstum gebunden sind (sogenannte "Trills"), seine Geldprobleme mildern.

Allerdings müssten die Märkte besser reguliert werden. Vor allem im Bereich des Verbraucherschutzes hätten die USA seit der Finanzkrise durch das Dodd-Frank-Gesetz Fortschritte gemacht. Doch dessen Umsetzung werde noch lange dauern, und das ganze Gesetzeswerk sei ein großes Experiment. Kann man zukünftige Krisen damit vermeiden? Shiller: "Wir haben in der Geschichte der Finanz (sic) schon viele Schutzwälle errichtet, und es hat nie gereicht. Es ist sehr schwierig, ein narrensicheres System zu entwickeln."