Während die Entwicklungen in der Ukraine immer stärker deutlich machen, dass Schuldzuweisungen an Russland hinsichtlich der Missstände in dem krisengeschüttelten Land an der Realität vorbeigehen, wird der Druck seitens zahlreicher EU-Mitgliedsstaaten, die Sanktionen gegen Russland umgehend aufzuheben, immer stärker.

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Parallel zu den Entwicklungen in der Ukraine, wo die Führung unter Präsident Petro Poroschenko sich seit einigen Wochen darum bemüht, militärische und politische Parallelstrukturen zu bekämpfen, die sich rund um mächtige Oligarchen wie den kürzlich entlassenen Gouverneur von Dnipropetrowsk, Ihor Kolomojskyj, oder um die so genannten „Freiwilligenbataillone“ gebildet haben, scheint auch der Druck in Richtung einer pragmatischeren Politik innerhalb der EU stärker zu werden.


Die weitgehende Einhaltung der in Minsk vereinbarten Waffenruhe zwischen Kiew und den Regierungsgegnern in den Regionen Donezk und Lugansk hat dazu geführt, dass der Blick stärker auf Missstände in und um den ukrainischen Staatsapparat fällt, die offenkundig hausgemacht sind und für die man nicht mehr einfach ohne Konsequenzen das Nachbarland im Osten verantwortlich machen kann.

Das österreichische Wirtschaftsmagazin Format berichtet nun, dass die Europäische Union bereits im Juni eine teilweise Lockerung der Russland-Sanktionen überprüfen wolle. „Das könnte sein, wenn auch vielleicht als symbolische Entscheidung“, habe Italiens Außenminister Paolo Gentiloni der Financial Times gegenüber geäußert.

Vorerst soll es sich dabei jedoch nur um die Streichung einzelner Personen von der Sanktionsliste handeln. Die Wirtschaftssanktionen als solche, die vor allem die Volkswirtschaften der EU selbst massiv beeinträchtigen, sollen jedoch bis zum Ende des Jahres in Kraft bleiben.

Der EU-Gipfel hatte im Zusammenhang mit den Wirtschaftssanktionen beschlossen, dass deren Aufhebung an die vollständige Umsetzung der Waffenstillstandsvereinbarungen von Minsk geknüpft seien. Dafür hätten beide Konfliktparteien in der Ukraine jedoch bis Ende des Jahres Zeit.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint indessen zunehmend beunruhigt darüber zu sein, dass der Druck seitens zahlreicher Mitgliedsländer der EU in Richtung einer vorzeitigen Beendigung der Sanktionspolitik immer stärker wird.


So hat sie in Finnland vor Alleingängen von EU-Ländern in der Ukraine-Krise gewarnt. Entscheidungen über Sanktionen und Gespräche mit Russland müssten „in enger Absprache“ geschehen, mahnte sie am Rande ihres Besuches beim dortigen Ministerpräsidenten Alexander Stubb.

Vor allem Griechenland, die Slowakei, Österreich, Italien, Ungarn, Spanien und Zypern, deren Wirtschaft besonders stark durch die Sanktionen in Mitleidenschaft gezogen wird, würden lieber heute als morgen ein Ende der Sanktionen sehen. Und selbst der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich jüngst darüber beklagt, dass die NATO falsche Informationen über die Lage in der Ukraine geliefert hätte.

Dazu kommt, dass Griechenland Russland um Erleichterungen seiner prekären Finanzlage bitten möchte. „Spiegel online“ schreibt, dass Premierminister Alexis Tsipras am 8. April zu einem Besuch in Moskau eintreffen wird und dort vor allem um niedrigere Gaspreise und Ausnahmen für griechische Produkte von dem Lebensmittel-Importverbot ersuchen wolle, das Russland in Reaktion auf die Sanktionen des Westens verhängt hatte.

Mit dieser Strategie hat Tsipras einmal mehr die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament erzürnt. Tsipras betreibe „eine sehr riskante Strategie“, äußerte Fraktionschef Manfred Weber. Er versuche, auf dem Rücken der griechischen Bevölkerung die EU-Staaten gegeneinander auszuspielen. „Sein Kokettieren mit Russland erschwert eine konstruktive Lösung mit Europa in den Finanzfragen“, so Weber.