Depressionen bei Kindern werden stark unterschätzt: Zwei bis vier Prozent der Grundschulkinder und 14 Prozent der Jugendlichen in Deutschland leiden daran. Kinder- und Jugendpsychiater schlagen Alarm.
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© Getty Images"Stell dich nicht so an." "Lach doch mal ein bisschen." Aber weder der eine noch der andere Appell hilft, wenn Kinder und Jugendliche an Depressionen leiden
Blass, müde, mit ausdruckslosem Gesicht sitzt die 13-Jährige in der Sprechstunde. Offenbar krank. Aber was fehlt ihr? Die Eltern sind ratlos. "Wir haben schon so viel versucht. Wir verstehen es nicht."

Das Mädchen geht seit Wochen nicht aus dem Haus. Freundinnen rufen nicht mehr an. Am Ende des Arzttermins ist klar: Depression. Die "Volkskrankheit", die nach allgemeiner Ansicht Erwachsene trifft, holt anscheinend immer öfter auch Kinder und Jugendliche ein.

Die Zahl entsprechender Diagnosen sei in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen, sagt Gerd Schulte-Körne von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität München. "Es gibt eine dramatische Zunahme im ambulanten und stationären Bereich."

Schulte-Körne leitet vom 4. bis 7. März den Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP). Rund 2000 Kinder- und Jugendpsychiater diskutieren in München über "Veränderte Gesellschaft - Veränderte Familien" und die Herausforderungen an Kindheit und Jugend.

"Wenn ein Kind länger traurig war und sich zurückgezogen hat, hat man das früher nicht ernst genommen", sagt Schulte-Körne. Dabei könne das der Anfang einer depressiven Phase sein - die unbehandelt in Alkohol, Drogen, einer chronischen Depression oder gar Selbstmord münden kann.

Heute seien Eltern, Freunde und Lehrer aufmerksamer. Grundlose Bauchschmerzen, große Müdigkeit und Aggressionen können Hinweise auf eine Depression sein.

Bei zwei bis vier Prozent der Kinder im Grundschulalter stellen Fachärzte eine depressive Episode von mehreren Wochen oder Monaten fest, bei Jugendlichen sind es 14 Prozent, fast so viel wie bei Erwachsenen mit 20 Prozent.

"Wir haben so viele Kinder, die depressiv erkrankt sind. Aber wir haben immer noch ganz wenig Wissen, wie wir ihnen helfen können", sagt Schulte-Körne. Sport, Lichttherapie, Gespräch und nur im Notfall Medikamente - erstmals gebe es zumindest Behandlungsleitlinien. Doch selbst Fachärzte wendeten noch immer ungeeignete Gesprächsmethoden und Medikamente an. Depression bei Kindern wird unterschätzt.

30 Prozent der Schüler mit Mobbing konfrontiert

Grund für die hohen Zahlen bei Jugendlichen sind laut DGKJP unter anderem neben Pubertät schulische Überforderung - und Mobbing in Schule oder sozialen Netzwerken. Fast 30 Prozent der Schüler sind damit konfrontiert, fast die Hälfte spricht nicht darüber und schämt sich für das "eigene Versagen". "Stress durch Belästigung und Beschimpfung ist ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor für Depression", warnt Schulte-Körne.

Hinzu komme die exzessive Nutzung des Internets und damit ein veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus. "Durch veränderte Lebenswelten haben die Kinder auch weniger Möglichkeiten zu kompensieren - sie gehen viel weniger raus." Dabei sind gerade frische Luft, Licht und Bewegung die beste Therapie.


Kommentar: In Lights Out beschreibt T. S. Wiley detailliert, dass künstliches Licht (nach Sonnenuntergang) die Prozesse im Körper durcheinanderbringt, wichtige hormonelle und regenerative Prozesse im Körper nicht mehr richtig ablaufen, und im Zusammenhang mit dem Auftreten von bspw. Krebs steht. Desweiteren führt diese hohe, unnatürliche Licht-Exposition dazu, dass der Appetit auf Kohlenhydrate steigt. Dies ist laut Wiley eine typische Verhaltensweise für den Sommer, in dem die Natur reichlich Kohlenhydrate anbietet, und der Mensch zum Beispiel mit Fettspeicherung für den bevorstehenden Winter beschäftigt ist: es sind die Kohlenhydrate, die den Körper veranlassen, Fett zu speichern, da Fett nur durch die Ausschüttung von Insulin gespeichert wird, was durch Kohlenhydrate ausgelöst wird.

Der Schlaf (Melatonin und Prolaktin) kontrolliert den Appetit für Kohlenhydrate (Insulin); in der Natur wäre der Insulinspiegel des Menschen vier Monate im Jahr erhöht, doch wir leben das ganze Jahr hindurch mit hohem Insulin, weil das Licht immer an ist und Zucker (Kohlenhydrate) immer verfügbar ist. Durch diese extreme Licht-Exposition das ganze Jahr hindurch, jahrein jahraus, isst der Mensch also ständig Kohlenhydrate, wodurch sich Insulinresistenz, Übergewicht, und irgendwann Diabetes mellitus entwickeln. Kurzum: der völlig durcheinandergebrachte Tag-Nacht-Rhythmus trägt zu den Zivilisationskrankheiten bei.

Wiley empfiehlt 9,5 Stunden Schlaf pro Nacht (in einem vollständig abgedunkelten Raum) für sieben Monate im Jahr, wobei ab 21.00 Uhr kein Fernsehen oder PC mehr benutzt werden sollte. Auf diese Weise ist es möglich, so nach Wiley, Gewicht zu verlieren, Heißhunger auf Kohlenhydrate zu reduzieren, Depressionen loszuwerden, Blutdruck und Stress zu vermindern, Diabetes Typ II umzukehren, das Risiko für Herzinfarkte zu minimieren und dabei zu helfen, Krebs vorzubeugen.
  • Licht aus zum Schlafen! Künstliches Licht stoppt die Fettverbrennung



Ein Hauptrisiko für psychische Störungen bleibt ein frühes Trauma. "Am meisten betroffen sind Kinder, die frühe traumatische Erfahrungen hinter sich haben: Sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung", sagt Schulte-Körne. Trotz Aufklärung: "Wir wissen, dass das immer noch relativ häufig passiert - und oft weggeguckt wird."

Stark gefährdet sind auch Flüchtlingskinder, die nach traumatischen Ereignissen immer häufiger auch ohne Eltern Zuflucht in Deutschland suchen. Aber der Zugang zu ärztlicher Hilfe ist in Unterkünften und Heimen extrem erschwert.


Kommentar: Wahrscheinlich auch deshalb weil Gelder fehlen, um diesen Bedarf abzudecken.


Flüchtlingskinder besonders häufig betroffen

"Die Kommunen haben noch nicht erkannt, dass die Traumafolgen der jugendlichen Flüchtlinge zu erheblichen psychischen Problemen führen können und daher fachärztliche Behandlung bedürfen", sagt Schulte-Körne.

Trennungen der Eltern erhöhen das Risiko ebenfalls. Mehr als jede dritte Ehe geht laut Statistischem Bundesamt binnen 25 Jahren auseinander. Fast die Hälfte der 2013 geschiedenen Ehepaare hatte Kinder unter 18 Jahren, rund 136.000 Kinder waren betroffen.

Eine Studie am Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung (LMU) der Universität München ergab, dass Kinder bei Trennungen unter vielfältigen Faktoren leiden: Der Streit der Eltern, der Druck, sich mit einem Elternteil zu verbünden, die Umstellung auf neue Partner der Eltern - und finanzielle Belastungen.

Denn oft können sie sich nicht leisten, was ihre Freunde haben - eine zusätzliche Kränkung. Dennoch fand das Team um Sabine Walper heraus: Eine Trennung belastet oft kaum mehr als Dauerkrach der Eltern.

"Wir versuchen, dass wir Kinder bei Trennungen und in schwierigen Familiensituationen früh begleiten", sagt Schulte-Körne. Und: "Wir müssen frühzeitig in Familien gehen, in denen die Eltern schon depressiv erkrankt sind." Denn die Krankheit ist Stress für die Kinder - sie sind damit stärker gefährdet.

Genetische Ursachen noch weitgehend unerforscht

Tatsächlich gibt es auch eine genetische Veranlagung. Ein Beispiel ist das Gen FKBP5. Jeder zweite Mensch hat eine bestimmte Variante dieses Gens, das anfälliger macht für Stress.

"Bei jedem kleinen Stress wird mehr Stresshormon ausgeschüttet. Die Menschen haben mehr Schwierigkeiten, wieder runterzukommen", sagt Elisabeth Binder vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie.

"Wenn man dann ein Trauma in der Kindheit erlebt, hat man ein deutlich höheres Risiko, an Depression oder posttraumatischer Belastungsstörung zu erkranken."

Die Forschung zu dem Thema steht allerdings noch am Anfang. Vor allem bei Kindern ist die Bedeutung des Gens weitgehend unerforscht. Eine Studie läuft derzeit an der Charité in Berlin in Zusammenarbeit mit dem MPI. Es wird aber Jahre dauern, bis Ergebnisse vorliegen, die dann eventuell eine bessere Behandlung oder Prävention ermöglichen.

dpa/oc