Die Beweise mehren sich: Westliche Ernährung mit ihrem hohen Anteil an Zucker und Fetten kann Gehirnschäden verursachen. Sie hat zur Folge, dass das Gehirn nicht mehr so gut steuern kann, wann und wie viel wir essen. Das geht aus einem Artikel hervor, den Terry Davidson und Camille Sample von der American University im Magazin The Conversation veröffentlicht haben.
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© Whitney - CC BY 2.0, croppedSchokoladen Cupcakes mit Himbeer-Buttercreme
Die Neurowissenschaftler untersuchten im Labor die Verbindung zwischen Ernährung und Gehirnfunktionen.

Zwei Drittel aller Erwachsenen in den USA ‒ und über ein Drittel aller amerikanischen Kinder ‒ gelten als übergewichtig oder fettleibig, und weltweit steigt die Zahl der betroffenen Menschen. Fettleibigkeit gilt als zentraler Risikofaktor für gesundheitliche Probleme wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.

Vergiftet Ihr Essen Ihr Gehirn?

Laut Davidson und Sample spricht einiges dafür, dass unser Gehirn schlichtweg nicht dafür ausgelegt ist, den massiven Verlockungen zu widerstehen, die gesellschaftliche Einflüsse wie Werbung erschaffen. Werbung treibt uns dazu, immer größere Mengen an ungesundem Essen zu konsumieren. Von Geburt an ist der Mensch eigentlich mit einem Mechanismus ausgestattet, der reguliert, wie viel man isst, aber die Botschaften, die ständig auf uns einprasseln, legen diesen Mechanismus lahm.

Schuld daran sind laut jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen wohl nicht nur gesellschaftliche Faktoren. Und auch die Tatsache, dass unser Körper evolutionsbedingt stark kalorienhaltige Nahrung wie Fett und Zucker haben will, reicht als Erklärung nicht aus. Vielmehr sprechen jüngere Studien für die Möglichkeit, dass die westliche Ernährung Bereiche des Gehirns schädigt, die für die Regulierung des Appetits zuständig sind.

Die Rede ist vom Hippocampus, einem Abschnitt des Gehirns, der die Informationen über die Bedürfnisse des Körpers reguliert, was Essen und Trinken angeht. Außerdem spielt er bei der Erinnerung und dem Lernen eine wichtige Rolle.

Studien haben eindeutig nachgewiesen, dass Fettleibigkeit und die westliche Ernährung negativ für das Erinnerungsvermögen und die Lernfähigkeit sein können. Menschen im mittleren Alter, die übergewichtig oder fettleibig sind, haben ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer und anderen Formen von Demenz zu erkranken.

In anderen Studien wurde nachgewiesen, dass westliche Ernährung und ein hoher Körperfettanteil schon bei siebenjährigen Kindern mit Einschränkungen des Gedächtnisses in Verbindung gebracht werden können.

Die Arbeit von Davidson und Sample belegt ähnlich wie die Forschungsarbeit anderer Wissenschaftler direkte Auswirkungen auf die Gehirne von Ratten und Mäusen. Bei diesen Studien wurde festgestellt, dass eine Ernährung mit viel Zucker und gesättigten Fettsäuren (auf einem Niveau vergleichbar mit dem, was man in der westlichen Ernährung findet) die Blut-Hirn-Schranke schwächt. Diese ist verantwortlich dafür, giftige Chemikalien vom Gehirn fernzuhalten.


Kommentar: Gesättigte Fettsäuren sind nicht das Problem. Im Gegenteil, es sind insbesondere die gesättigten Fette, die essentiell für den menschlichen Körper sind. Was jedoch problematisch ist, ist eine Ernährung, in der man viele Kohlenhydrate gleichzeitig mit viel Fett konsumiert (und dabei oftmals die falschen Fette): Der Streit ums Fett - Was Ihnen über gesunde Fette verschwiegen wird


Ratten, deren Blut-Hirn-Schranke auf diese Weise geschwächt worden war, wurde in einer Folgestudie ein spezielles Färbemittel gespritzt. Dieses Mittel sammelte sich im Hippocampus. Der Hippocampus schien auf den Kontakt mit den fremden Chemikalien mit Entzündungen und Veränderungen der elektrochemischen Aktivität zu reagieren. Diejenigen Ratten, deren Gehirn auf diese Weise reagierte, wiesen auch kognitive Veränderungen auf, die im Einklang mit Schäden am Hippocampus stehen.

Es scheint einen Zusammenhang zwischen der Fettleibigkeits- und der Demenz-Epidemie zu geben

Sowohl bei Ratten als auch bei Menschen mit Schäden am Hippocampus seien Fälle bekannt, in denen sie nicht mehr fähig waren zu entscheiden, ob sie genug gegessen oder getrunken hatten, schreiben Davidson und Sample. Selbst kleinere Einschränkungen könnten in einer Gesellschaft, die so stark mit Werbung durchsetzt ist wie unsere, schon gravierende Folgen nach sich ziehen, so die Wissenschaftler.

»Wenn es in der Umwelt starke Anreize gibt, etwas zu essen, und man nicht mehr voll und ganz fähig ist, die Signale des eigenen Körpers zu interpretieren, die einem sagen, dass man nichts zu essen benötigt, dann kann das zu Überessen führen«, schreiben Davidson und Sample.

Sie warnen, dass die westliche Ernährung zu einer Abwärtsspirale führen könnte, bei der die Gehirnschäden zunehmen und die Ernährung immer schlechter wird.

»Folge könnte ein Todeskreis sein, bei dem eine westliche Ernährung Störungen des Hippocampus auslöst. Dadurch wird die Fähigkeit geschwächt, körpereigene Mechanismen den externen Anreizen entgegenzusetzen, etwas zu essen«, so die Forscher.

»Während die Funktionsfähigkeit des Hippocampus immer stärker eingeschränkt wird, würden auch Schweregrad und Ausmaß der Lern- und Erinnerungsschwächen zunehmen. Das Resultat wäre dann nicht nur Fettleibigkeit, sondern auch ernste kognitive Einschränkungen