Als in der Jungsteinzeit die Landwirtschaft erfunden wurde, verbesserte sich die Ernährungssituation nicht, wie eine Studie zeigt. Die Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht hatte vielmehr soziale Gründe: Die treibende Kraft war demnach der Krieg.

Produktion statt Aneignung

Es war einer der größten Umbrüche der Menschheitsgeschichte, vergleichbar mit der Erfindung von Pfeil und Bogen, Dampfmaschine und Computer: die Erfindung von Ackerbau und Viehzucht im Fruchtbaren Halbmond und Vorderen Orient. "Neolithische Revolution" hat der britische Archäologe Vere Gordon Childe in den 1930er Jahren den Übergang zur neuen Lebensweise genannt - der Begriff wird bis heute verwendet, obwohl er in gewisser Hinsicht auch in die Irre führt:

Childe hatte ein vom Marxismus inspiriertes Geschichtsbild und parallelisierte die Jungsteinzeit bewusst mit der industriellen Revolution. Technologisch mögen beide Phasen Revolutionen gewesen sein, aber erstere benötigte rund 5.000 Jahre von der Erfindung bis zur Verbreitung - in zeitlicher Hinsicht war es wohl eher eine "Neolithische Evolution".

Was den Menschen bewegt haben mag, das Nomadenleben gegen eine sesshafte Lebensweise einzutauschen, wird in Fachkreisen nach wie vor diskutiert, ein allgemeiner Konsens scheint nicht in Sicht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Liste möglicher Auslöser lang ist:

Klimawandel und das Aussterben von Beutetieren mögen den modernen Menschen vor rund 12.000 Jahren zur Änderung seiner Lebensweise gezwungen haben; religiöse Kulte und Handelsbeziehungen könnten für die Verbreitung wichtig gewesen sein; am häufigsten wird wohl der Hinweis auf die Produktivität genannt: Ackerbau und Viehzucht hätten dem Menschen eine sichere Nahrungsquelle geboten, die Energieversorgung sei damit verbessert worden, heißt es.

Kalorienformel: Weniger, nicht mehr Energie

Eine Erklärung, die Samuel Bowles nun entschieden in Frage stellt. Der Ökonom und Anthropologe vom Santa Fe Institute, New Mexico, hat versucht, die Produktivität der frühen Landwirtschaft in Zahlen zu fassen: Seinen Berechnungen zufolge war sie dem Jagen und Sammeln keineswegs überlegen, eher im Gegenteil. Die nomadenhafte Lebensweise erwirtschaftete demnach pro investierter Arbeitsstunde mehr Kalorien als die Kultivierung von Pflanzen und Tieren.

Das mag auch erklären, warum die Menschen nach der Sesshaftwerdung zunächst im Schnitt eine geringere Körpergröße als zuvor erreichten und außerdem anfälliger für Krankheiten wurden, wie Knochenfunde zeigen. Andererseits zeigen Studien auch, dass nach der Einführung der Landwirtschaft die Populationsdichte sukzessive anstieg. Irgendeinen Vorteil muss sie also gehabt haben. Warum blieben die Menschen dennoch bei der Landwirtschaft, wenn sie die Ernährungssituation nicht wirklich verbesserte?

Samuel Bowles plädiert dafür, die Ursachen nicht bei der Technologie, sondern im Sozialen zu suchen. Möglicherweise könne der Übergang durch die Art und Weise erklärt werden, "wie Menschen miteinander umgegangen sind, und weniger, wie sie durch Innovationen mit der Natur umgegangen sind."

Urzeitliches Wettrüsten

Im Grunde handle es sich bei dem Problem um deren zwei, schreibt Bowles im Fachblatt "PNAS". Warum Menschen die Landwirtschaft überhaupt als Kulturtechnik eingeführt haben, sei leicht erklärt: Der Übergang sei sicher nicht abrupt erfolgt, zu Beginn hätte die Pflanzen- und später auch die Tierzucht wohl nur die vergleichsweise unproduktiven Teile der vorherigen Lebensweise ersetzt. So gesehen sei das auch kein kalorisches Verlustgeschäft gewesen. Für die Verbreitung und spätere Dominanz dieser Kulturtechnik benötige es aber eine andere Erklärung.

Eine solche haben letztes Jahr die beiden Ökonomen Robert Rowthorn und Paul Seabright vorgeschlagen. Sie wiesen in einem Forschungspapier darauf hin, dass mit Ackerbau und Viehzucht auch der Besitz erfunden wurde, und dass mit diesem Besitz wiederum der Raub als ökonomische Alternative in die Welt gekommen sei. Die natürliche Reaktion auf diese Bedrohung sei die Aufrüstung der Besitzenden gewesen. "Jede Gruppe musste mehr in die eigene Sicherheit investieren", schreiben die beiden in ihrer Arbeit, "Jedoch: Was die eine Gruppe sicherer macht, macht die Nachbarn automatisch unsicherer."

Demnach liegt der Keim für die Verbreitung der Landwirtschaft weniger in ihrem Nutzen und ihrem Einfluss auf den Lebensstandard. Sondern eher in ihrer Tendenz, eine Spirale der Aufrüstung in Gang gesetzt zu haben. Wer sich diesem Trend nicht anschloss, gelangte automatisch ins Hintertreffen. Archäologische Belege für diese Lesart gäbe es jedenfalls: etwa die mehr als 11.000 Jahre alte Stadtmauer von Jericho. Die Stadt am Westufer des Jordan gilt als eines der ersten Ballungszentren, das nach der Erfindung der Landwirtschaft entstanden ist.

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Die Studie

"Cultivation of cereals by the first farmers was not more productive than foraging" ist im Fachblatt PNAS erschienen (doi: 10.1073/pnas.1010733108).