Viele Nutzer brauchen ihre mobilen Geräte rund um die Uhr. Psychologen warnen vor Suchtgefahr, wenn das Smartphone immer mehr die Realität ersetzt.
Models mit Smartphone
© dapdZombies? Möglich.
Smartphones werden immer beliebter. Zugleich wächst das Bewusstsein für die Gefahren durch Hacker-Angriffe und Datenmissbrauch - gerade auch beim mobilen Zugang zum Internet. Nach Ansicht von Psychologen sollte die Sorge mancher Smartphone-Nutzer jedoch vielmehr einem ganz anderen Problem gelten: der Suchtgefahr.

Denn vielen Menschen ist das Smartphone heute ein ständiger Begleiter. Oft weiß es mehr über seinen Besitzer als dessen Mutter. Selbst im Schlafzimmer liegt es stets griffbereit auf dem Nachttisch. Es wird mit Kosenamen bedacht und sorgt mitunter für Panikreaktionen, wenn es einmal kurzfristig nicht auffindbar ist.

Den Nutzen der mobilen Geräte stellt kaum einer infrage. Was einst einen kleinen Rucksack füllte, passt nun bequem in die Hosentasche: Kamera, Walkman, Stadtplan, Adressbuch und manches mehr. Doch während Smartphones auf der einen Seite vieles im Leben einfacher machen, werfen sie zugleich auch einige neue Probleme auf.

Dass Teenager vermehrt über Akronyme wie LOL ("laughing out loud" / "lautes Lachen") oder BRB ("be right back" / "bin gleich zurück") kommunizieren, mag verkraftbar erscheinen. Wenn Unfälle gebaut werden, weil Autofahrer am Steuer im Internet surfen, dann ist das schon gravierender. Experten warnen darüber hinaus aber auch vor erheblichen Auswirkungen auf das Sozialverhalten.

Viele Nutzer kapseln sich ab

Die Psychotherapeutin Lisa Merlo von der Universität Florida sieht eine Reihe von Entwicklungen, die sie als problematisch erachtet. Einige ihrer Patienten täten in Gesellschaft manchmal so, als würden sie mit ihrem Smartphone telefonieren oder irgendwelche Apps bedienen, bloß um Augenkontakt zu vermeiden.

Andere seien wirklich oft derart in die Nutzung ihrer mobilen Geräte versunken, dass sie die Menschen um sie herum kaum noch wahrnähmen. "Je mehr Schnickschnack die Geräte bieten", sagt Merlo, "desto größer die Gefahr einer übertriebenen Fixierung".

Die Abiturientin Michelle Hackman gewann kürzlich einen von dem Chiphersteller Intel ausgeschrieben Nachwuchsforschungspreis für eine Arbeit über die Smartphone-Abhängigkeit ihrer Altersgenossen. Viele Schüler fühlen sich den Ergebnissen zufolge ohne ihre mobilen Geräte unausgelastet.

Dies spiegle sich oft in einem verlangsamtem Puls wider, sagt die Nachwuchsforscherin aus Long Island. Viele Teenager wüssten zudem ohne ihre Smartphones kaum etwas mit sich anzufangen.

Wegen der Angst, etwas zu verpassen, hat manch einer sein Smartphone am liebsten stets zur Hand. Nach Angaben des renommierten US-Forschungszentrums Pew besitzen etwa 35 Prozent aller erwachsenen Amerikaner ein mobiles Internet-Gerät.

Bei zwei Dritteln von ihnen liege es selbst beim Schlafen griffbereit auf den Nachttisch. Kaum verwunderlich, dass es vielen immer schwerer falle, abends richtig abzuschalten, sagt der Psychologe und Schlafforscher Michael Breus.

Auch Ausgaben werden leicht zum Problem

Ein weiteres Problem sind - wie bei fast jeder Sucht - die Kosten. Betroffene geben nicht selten mehr für die Nutzung ihres Smartphones aus, als sie sich leisten können. In den USA liegen die Ausgaben pro Nutzer bei durchschnittlich mehr als 100 Dollar (70 Euro) im Monat.

Und die Abhängigkeiten dürften mit der zunehmenden Zahl der angebotenen Dienste künftig noch steigen. Längst können auch Einkäufe und Bankgeschäfte per Smartphone erledigt werden. Mit wenigen Berührungen des Displays lassen sich häufig auch Fahrscheine für den Bus lösen oder Rechnungen im Café begleichen.

Viele Menschen haben sich so sehr an derartige Dienste gewöhnt, dass sie ohne ihr Smartphone kaum noch ihren Alltag zu bewältigen wüssten. Keosha Harvey aus Burlington im US-Staat North Carolina nutzt diese Dienste als Eventmanagerin dienstlich wie privat.

Als Anfang Juli ihr Smartphone zu Bruch ging, und damit ihre "wichtigen Kontakte" sowie zahllose Fotos und ihre Lieblingsmusik nicht mehr zugänglich waren, verfiel sie eigenen Angaben zufolge kurzzeitig in Panik. Ohne ihr Smartphone sei sie sich ganz und gar verloren vorgekommen, sagt Harvey. "Man fühlt sich geradezu nackt."
dapd/mac