Schnee und Dauerfrost bis Ostern - vor knapp 200 Jahren war es noch schlimmer: Damals fiel sogar der Sommer aus, die Eiseskälte dauerte bis August. 1816 war ein Horrorjahr, aber erstaunlich produktiv.
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© Nestor Bachmann/DPASchneebedeckte Felder im März 2013. 1816 ging der Winter direkt in den Herbst über - es war das "Jahr ohne Sommer".
Jaja, dieser Winter ist fies. Und hartnäckig. Minus 19 Grad im Dorf Coschen in Brandenburg zum Beispiel. Von Samstag auf Sonntag. Minus 17 auf dem Brocken. Die gleiche Temperatur im Süden Berlins, ein neuer Rekord für Ende März. Natürlich. Und jeden Tag die gleiche Wettervorhersage: keine Änderung zu erwarten die nächsten Tage. Wie lange das so weitergehen soll? Weiß niemand. Aber, auch das eine ewige Wahrheit, es geht immer noch schlimmer. Fast 200 Jahre ist es her, als sich Frost und Kälte dauerhaft über Europa und Teile der USA breitmachten. 1816 war das, das Jahr ging als "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte ein.


Kommentar: In diesem Fall ist die USA in diesem Jahr ebenso von einem scheinbar "endlosen" Winter betroffen, neben Europa.


Vom April bis in den September schüttete es damals in einer Tour. Nicht nur Regen, vom Himmel ergoss sich ein dauerhafter Schwall von Graupel- und Schneeschauern. So berichten es die Chroniken aus der Zeit. Noch im Juni schneite es im Flachland und selbst im August vereiste nachts der Boden. Besonders Mitteleuropa traf die beispiellose Wetteranomalie: Frankreich und den Südwesten des Deutschen Bundes, Elsass, Baden und Württemberg. Auf der anderen Seite des Atlantiks, in Neuengland, genauer in Maine, bildete sich Eis auf den Seen.

Die Folgen des Dauerwinters waren katastrophal: Die Flüsse traten über die Ufer und setzten wertvolles Ackerland unter Wasser. Die Felder abseits großer Wasserläufe wurden vom permanenten Niederschlag verhagelt und dort, wo die Äcker halbwegs trocken blieben, fror die Kälte den Bauern die Ernte unter den klammen Fingern weg. Halb Europa, ohnehin noch arg geschwächt durch die Napoleonischen Kriege, ging das Essen aus. Stattdessen kamen die Seuchen, vor allem Typhus und Cholera. Die Hungersnot von 1816/17 war die bis heute letzte natürlich verursachte. "Achtzehnhundertunderfroren" wurde der elendige Nichtsommer später genannt.

Es war nicht das einzige Jahr, in dem das Wetter verrückt spielte. Ähnliche Anomalien werden auch aus den Jahren 535 berichtet oder von 1529 und 1675. Die Gründe sind bis heute nicht immer geklärt, die meisten Experten aber sind sich im Fall von 1816 sicher, dass ein Vulkanausbruch für die Kältewelle verantwortlich war. Ein Jahr zuvor hatte der indonesische Feuerberg Tambora allein 115 Millionen Tonnen gasförmige Schwefelverbindungen, ausgestoßen. Zusammen mit Asche und Staub bildete sich eine Dunstschicht, die die Sonnenstrahlung von der Erde fernhielt und in der Folge das Weltklima abkühlte. Erst drei Jahre später normalisierte es sich wieder.


Kommentar: Sehr wahrscheinlich ist ebenso die Verbindung zur Aktivität von Himmelskörper...:

Meteore, Asteroide und Kometen: Schäden, Unglücke, Verletzungen, Tod und Nahbegegnungen

...Die wir momentan wieder erleben:




Wo Frankenstein und Vampire geboren wurden

Doch der wetterbedingte Horror hatte überraschende Konsequenzen, sie halten bis heute an. Angesichts des niemals enden wollenden Winters schrieb der damals 23-jährige Jungpfarrer Joseph Mohr seelisch angefasst ein Gedicht, das zusammen mit der ein paar Jahre später folgenden Vertonung, zu einem der ersten Welthits überhaupt wurde: "Stille Nacht, heilige Nacht". Das war im Dezember 1816. Bereits im Juni des Jahres wurden am Genfer See zwei der berühmtesten Literaturfiguren der Neuzeit ersonnen: John Polidori und George Gordon Lord Byron schufen mit "The Vampyre" den Typus des modernen Vampirs. Einen Steinwurf entfernt wohnten zeitgleich Percey Shelly und seine spätere Ehefrau Mary. Inspiriert durch den Dauerregen und die triste Stimmung ersann sie die Schauererzählung "Frankenstein oder der moderne Prometheus".

Auch abseits der Kunst veränderte das Jahr ohne Sommer die Welt. Scharenweise flohen die notleidenden Europäer in die USA. Weil das junge Land aber selbst unter dem dort "Eighteen hundred and froze to death" genannten Elend litten, begannen die Bewohner der Ostküste wieder damit, die bis dahin vor allem von Indianern bewohnten Gebiete zu besiedeln. Diejenigen, die in der alten Welt zurückgeblieben waren, machten sich daran, die Wirtschaft zu revolutionieren: Der Chemiker Justus von Liebig, der das Katastrophenjahr selbst erlebt hatte, wies den Zusammenhang von Stickstoff, Phosphaten und Pflanzenwachstum nach und entwickelte einige Jahre später den ersten Kunstdünger.

Cannstatter Wasen als Dank für gute Ernten

Im Epizentrum der Not, im Südwesten des Deutschen Bundes, erfand der Badener Karl Drais das Laufrad, den Vorläufer des Fahrrads. Die Idee war aus der Not geboren, nachdem durch die Nahrungsmittelknappheit die Pferde massenweise verendet waren. Ebenfalls eine Folge der großen Hungersnot ist die Cannstatter Wasen. Das bis heute bekannte Volksfest wurde vom württembergischen König Wilhelm I. gegründet, nachdem im Jahr 1818 die Bauern erstmals wieder gute Ernten einfuhren.

Was also bleibt vom schier endlosen Winter 2013, der vermutlich noch bis Ostern zu Gast sein wird? So schlimm wie vor 200 Jahren wird es wohl nicht werden. Zumindest kein vulkanischer Winter. Und falls es doch eisig bleibt, gibt es Hoffnung auf spannende Literatur oder sensationelle Erfindungen. Machen wir also das Beste daraus.